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"Social Media Monitoring"
Schneller als die Feuerwehr

Am Einsatzort sein, bevor es brennt - Fachleute von der Feuerwehr haben sich das Ziel gesetzt, mögliche Einsatzorte vorab zu erkennen. Dafür nutzen sie "Social Media Monitoring" und scannen Tweets und Facebook-Posts.

Von Klaus Martin Höfer | 29.08.2017
    Auf einem Smartphone ist die Facebook-Seite des Landeskriminalamtes Niedersachsen und im Hintergrund auf einem PC-Display die Twitter-Seite der Polizei Niedersachsen. Bei der Verbrecherjagd, Suche nach vermissten Personen oder in Terrorlagen sind die sozialen Medien für die Polizei in Deutschland inzwischen unverzichtbar.
    Für Polizei und Feuerwehr gehört die Auswertung von Sozialen Medien zum Alltag (dpa / Peter Steffen)
    Das Brummen nervte die Bewohner im Berliner Stadtteil Charlottenburg eine halbe Stunde lang, mitten in der Nacht. Es klang wie aus einem Science Fiction-Film, in dem Außerirdische gerade zur Landung mit ihrem Raumschiff ansetzen.
    Doch es war keine zu laute Filmvorführung: Das Geräusch war real, und niemand konnte es sich erklären. Hunderte Anwohner riefen besorgt bei Polizei und Feuerwehr an, kamen jedoch nicht durch, weil die Notrufleitungen überlastet waren.
    Am nächsten Morgen dann die Lösung des Rätsels: In einem Kraftwerk hatte ein Waschbär eine Leitung durchgebissen und damit einen Alarm ausgelöst, eben jenes geheimnisvolle Brummen. "Was wäre bei einem ernsthaften Vorfall gewesen?", fragte ein Facebook-Nutzer besorgt: Niemand hätte seine Beobachtungen der Feuerwehr per Telefon mitteilen können. Die allerdings hätte bereits eigene Erkenntnisse: Allein durch die zeitnah zum Vorfall veröffentlichten Kommentare bei Facebook und Twitter, versehen mit Fotos und Videos.
    Beim G20 wurde bewusst "Social Media-Monitoring" eingesetzt
    Ähnlich war es beim G20-Gipfel in Hamburg. Dort hatte sich die Feuerwehr sogar bewusst auf ein intensives "Social Media-Monitoring" vorbereitet. Jan-Ole Unger, Pressesprecher der Hamburger Feuerwehr:
    "Wenn Informationen in sozialen Netzen auftauchten und man sagte, Mensch, das könnte für einen Feuerwehreinsatz, für einen Rettungsdiensteinsatz relevant sein, dann sind genau diese Meldungen in unseren Lagestab, die Feuerwehreinsatzleitung, wie sie in Hamburg genannt wird, übermittelt worden, dort in die Lageeinschätzung mit eingeflossen. Und das hat dann unmittelbare Auswirkungen auf den Einsatz der verschiedenen Kräfte vor Ort, bei einem Notfalleinsatz, bei einem Brandereignis dann gehabt."
    Schnell hat das Team in der Pressestelle der Hamburger Feuerwehr allerdings gemerkt, dass ein ständiges Monitoring kaum zu bewältigen ist – zu viele Posts waren zu bewerten, es gab zu viele Unklarheiten, die es zu verifizieren galt. Jan-Ole Unger alarmierte dann über ein Messenger-System Kollegen anderer Feuerwehren in Deutschland, zum Beispiel Christopher Schuster von der Feuerwehr Düsseldorf.
    "Ich habe den Hashtag NoG20 übernommen. Und was auch wichtig war, dass man darauf guckt, dass es nicht nur einen gibt, der diesen Tweet oder diesen Hashtag postet oder unter diesem Hashtag etwas postet, sondern dass diese Tweets auch von den verschiedenen Leuten auch befolgt werden oder retweetet werden, sodass man auch wirklich eine entsprechende Relevanz hat."
    Das Monitoring ist sehr personalintensiv
    Schauen, was auf Twitter und Facebook gepostet wurde, um zu bewerten, ob die Feuerwehr möglichweise gebraucht werden könnte – das war eine Aufgabe. Die andere war es, mit den Nutzern in den Netzwerken direkt in Kontakt zu treten, um vor allem in der aufgeheizten und aggressiven Stimmung weitere Eskalationen zu verhindern.
    Das Monitoring ist allerdings sehr personalintensiv: Es müssen nicht nur Posts mit Hashtags und Stichworten beobachtet, sondern auch aus Feuerwehr-Sicht bewertet werden. Rund um die Uhr kann dies kaum eine Feuerwehr leisten.
    Spezielle Software könnte Abhilfe schaffen
    Professor Matthias Fank, der an der Technischen Hochschule Köln Social Media-Manager ausbildet, sieht deshalb eigentlich nur die Lösung, entsprechende Software zu entwickeln und anzupassen.
    "Man nimmt sich eben zum Beispiel dann jetzt im Nachgang die Zeit und sagt, okay ich nehme all diese Beiträge und versuche, Muster zu erkennen. Ich versuche, aus den vergangenen Ereignissen zu lernen und daraus Anweisungen technischer Art zu generieren."
    Zum Beispiel bei dem merkwürdigem Brummen in Berlin.
    Da würde dann die Software-Alarm auslösen, dass mitten in der Nacht plötzlich viele Smartphones in einem bestimmtem Stadtteil aktiv sind, also viele Menschen zu einer ungewöhnlichen Zeit wach sind. Dann ins Netz zu gehen und zu schauen, was sie posten und wie dies zu bewerten ist, müsste dann aber immer noch ein Mensch leisten.