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Social Start-up
Bildung für Curry-Rezept

Mit einer originellen Geschäftsidee will ein Start-up aus Schleswig-Holstein jungen Indern ein Studium ermöglichen. Es verkauft Curry-Mischungen indischer Hausfrauen - nach ihrem Originalrezept und unter ihrem Namen. Mit einem Teil des Kaufpreises wird das Studium ihrer Kinder finanziert.

Von Astrid Wulf | 26.07.2019
Gewürzstand in Goa, Indien.
In Indien sind Studienkredite üblich - mit der Idee von "College Curries" und dank den Curry-Rezepten ihrer Mütter können einige indische Studenten hohe Schulden am Ende des Studiums aber vermeiden (imago images / imagebroker)
Am Herd steht Nils Lalleike. Er wirft Senfsamen ins heiße Öl und gibt frischen Knoblauch und Ingwer mit in die Pfanne. Dazu zwei Löffel einer Gewürzmischung aus einem Glas. Noch klebt ein handbeschriebenes Etikett darauf, die Mischung soll allerdings das dritte Produkt der College-Curries werden. Das Rezept kommt Jancy, einer Frau aus Südindien. Mit dem Geld der Gewürzmischung soll das Studium ihrer Tochter finanziert werden.
Nils Lalleike: "Das ist Helen mit "Jancys Curry". Helen studiert bereits, im Bachelorstudium. Sie hat das erste Jahr absolviert, und in dem Jahr haben wir sie kennengelernt. Sie kommt aus einem kleinen Bergdorf, ziemlich genau da, wo der Pfeffer wächst."
"Wir haben tatsächlich Jancy auch beobachtet, als sie gekocht hat, und da hat sie uns auch so ein paar Kniffe erklärt, dass zum Beispiel die Tomaten nicht mitgekocht werden, sondern erst im Nachhinein reingegeben werden und das soll sehr aromatisch sein."
Auf die Idee für "College Curries" kamen Nils Lalleike und seine Freundin Surya Ormeloh in Indien, als sie dort für ihre Abschlussarbeiten geforscht haben. Auf der Reise lernten sie Renuka kennen. Sie bat die beiden um Geld fürs Masterstudium ihrer Tochter Bhuvana. Nils und Surya wollten auf jeden Fall helfen, störten sich aber an der Rolle der spendablen Geber.
Nils Lalleike: "Wir können nicht dahinkommen und sagen: ‚Leute, hier ist das Geld, so geht’s.‘ Das verfestigt einfach diese Perspektive, dass die sich selber auch so sehen. Wie Renuka uns auch gefragt hatte: ‚Ihr seid Weiße und habt auch Geld.‘"
Von der Spontan-Aktion zur Geschäftsidee
Stattdessen fragte sich das Paar, welcher Gegenwert von Renuka kommen könnte. Die Idee: Ein familieneigenes Curryrezept.
Surya Ormeloh: "Wir haben es am Straßenrand gemeinsam eingekauft, am Straßenrand mit ihr zusammen gemahlen, das zuhause abgepackt, an Freunde und Familie in Deutschland verteilt, die Geschichte erzählt, und dabei einfach eine Spende mitgenommen. Und in diesem Sommer haben wir das gesamte Masterstudium für sie zusammengehabt."
Bald baten die ersten Spenderinnen und Spender um Nachschub – und aus der Spontanaktion wurde eine Geschäftsidee. Mittlerweile gibt es "Renukas Curry" und "Minas Curry" in einigen Bioläden und im Onlineshop. 80 Gramm der Gewürzmischungen kosten rund 9 Euro. Rund 100 Kilo Curry wurden inzwischen verkauft und damit ein junger Inder und eine junge Inderin durchs Studium gebracht. Surya Ormeloh steht regelmäßig mit ihnen und ihren Müttern in Kontakt. Per Skype ist sie mit Bhuvana verabredet. Sie möchte Hochschuldozentin werden und sucht jetzt, nach zwei Masterstudiengängen, einen Platz für ihre Doktorarbeit – auch darin unterstützt sie das Projekt. Bhovana steckt allerdings im indischen Stau. Also bespricht Surya mit Bhovanas Schwester, welche Schritte als nächstes anliegen.
"Ich kann dich hören, aber ich sehe dich nicht. Kannst du deine Kamera anschalten?"
"ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich Jerome Samraj von der Pondicherry University geschrieben habe – er hat geantwortet, dass er Bhuvana gerne kennenlernen würde."
Idee soll auch auf andere Länder ausgeweitet werden
Die Gründer von "College Curries" konnten dank Stipendien und Förderungen studieren und im Ausland forschen – jetzt sind sie froh, Studierende in Indien unterstützen zu können, die solche Möglichkeiten nicht haben. In Indien seien eher Studienkredite üblich - mit drückenden Schuldenbergen am Ende des Studiums, sagt Surya Ormeloh. Langfristig soll College Curries nicht nur Studierenden in Indien helfen.
"Wir haben jetzt auch schon weiter gesponnen, dass sich das auf andere Länder ausweiten lassen kann. Dass man auch Studien vielleicht in Mexiko finanzieren kann und traditionelle Rezepte nach Deutschland bringt. Im Träumen sind wir ganz gut."
Momentan trägt sich das Unternehmen finanziell noch nicht und auch die College-Curries-Gründer müssen finanziell unterstützt werden – das Land Schleswig-Holstein fördert sie mit einem Gründungsstipendium. Nils Lalleike wünscht sich allerdings, dass es irgendwann auch so läuft.
"Das ist halt das Ziel, dahinzukommen, dass man sich selber finanzieren kann. Dass man ein Unternehmen hat, das beweisen kann, dass das Rezept einer indischen Hausfrau so gut ist, dass es wirtschaftlich als Produkt funktionieren kann."