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Soderbergh-Serie "Mosaic"
Interaktiv, aber zu wenig

Star-Regisseur Steven Soderbergh präsentiert auf dem Bezahl-Sender Sky mit "Mosaic" eine Serie, die TV neu denkt. Viel mehr als eine kurzweilige Spielerei ist das interaktive Experiment nicht. Echte Konsequenzen fehlen, der Zuschauer ist in seinen Entscheidungen begrenzt. Und dennoch könnte "Mosaic" vieles verändern.

Von Julian Ignatowitsch | 23.01.2018
    Der US-amerikanische Filmregisseur, Filmproduzent und Drehbuchautor Steven Soderbergh am 21.08.2017 in London zur Premiere des Films Logan Lucky.
    Der US-amerikanische Filmregisseur, Filmproduzent und Drehbuchautor Steven Soderbergh. (imago / Landmark Media)
    Wir treffen Olivia Lake zum ersten Mal in einem schicken Restaurant im schicken Skiort Summit in Colorado.
    "Eric Neill, Olivia Lake"
    Olivia, eine berühmte Kinderbuchautorin und Künstlerin, trifft auf den mysteriösen Eric Neill, der sich als ihr Verehrer und vermeintlicher Retter vorstellt.
    Eric warnt Olivia vor einem Betrug und ist selbst der Betrüger, wie wir kurz später erfahren, er wird Olivia heiraten und als ihr Mörder verurteilt. Aber - keine Angst, kein Spoiler - das ist erst der Anfang der Geschichte.
    Die Zuschauer werden per App zum Detektiv
    Denn es gibt Zweifel. Der Kreis der Verdächtigen wächst schnell, Olivia hatte gleich mehrere Männerbekanntschaften, die sich als Zeugen in Widersprüche verstricken. Nichts ist wie es scheint. Von hier an entspinnt sich eine typische "Whodunit"-Geschichte: "Wer hat Olivia Lake getötet?"
    Die Handlung in "Mosaic" überrascht kaum. Und trotzdem wurde die Serie bereits als "Fernsehrevolution" bezeichnet, vom Magazin "Wired" in den USA. Denn Produzent Steven Soderbergh versucht tatsächlich etwas ganz Neues. Er lässt den Zuschauer durch eine App selbst zum Detektiv werden.
    "Mosaic" lässt sich auf zwei Arten schauen: Entweder als klassische Fernsehserie oder als interaktives Mordrätsel auf dem Handy. Dort gibt uns Soderbergh selbst die Fäden in die Hand: Nach dem ersten Treffen mit Olivia - die übrigens herausragend gespielt wird von Sharon Stone - entscheiden wir, ob wir dem Schwindler Eric oder Olivias jugendlichem Künstler-Freund Joel folgen möchten. Nach jeder fünf bis 30-minütigen Film-Sequenz wählen wir den nächsten Schritt, den wir zum Beispiel an der Seite von Polizist Nate Henry oder der plötzlich in die Ermittlungen eingreifenden Petra Neill, Erics Schwester, gehen können.
    Man kann entscheiden, aber nichts bewirken
    So gibt es zahlreiche Wege, wie wir die Geschichte zusammensetzen können, aus vielen kleinen Bausteinen ergibt sich nach und nach das ganze Mosaik - der Titel der Serie könnte also nicht passender sein.
    Aber ist das schon eine Fernsehrevolution?
    Wirklich eingreifen in die Handlung kann der Zuschauer nicht. Es sind immer vorgegebene Filmabschnitte, die wir auswählen. "Freiheitsillusion" nennt man so etwas in Computerspielen: Wir entscheiden, aber bewirken letztlich nichts. So ist das auch bei "Mosaic".
    Zweieinhalb Stunden zusätzliches Filmmaterial bietet die App und ein alternatives Ende zur Serie – das ist es dann aber auch schon fast. Viel mehr als eine Art "Director’s Cut", den man selbst zusammenfügen kann, kommt dabei nicht rum.
    Und die zusätzlichen "Entdeckungen", die immer wieder während des Schauens aufpoppen, sind auch nicht mehr als eine Spielerei, die schnell nervtötend wird. Plötzlich lesen wir den Zeitungsartikel zur Investigation: "Olivia Lakes Hand gefunden". Solche Zusatzinhalte lenken eher ab von dem, was "Mosaic" auf der formalen Ebene stark macht, nämlich Soderberghs Spiel mit der Kamera: ungewöhnliche Einstellungen in Zwiegesprächen, bedrückende Nahaufnahmen beim Polizeiverhör und das Ausbleiben von Schnitten entgegen jeder Sehgewohnheit.
    Wer wirklich in die Geschichte und ihr reizvolles Setting eintauchen will, bleibt lieber am Fernseher. Wer mal ein Stück weit Regisseur spielen will, der kann zur App greifen.