Dienstag, 06. Juni 2023

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Söldner aus der Südsee

Soldaten aus dem Südsee-Staat Fiji waren in den vergangenen Jahren zu Tausenden an UN-Friedensmissionen beteiligt. Doch die meisten dieser Einsätze sind vorbei. Fast 10.000 dieser früheren Blauhelm-Soldaten haben nichts mehr zu tun. Deshalb haben viele Sicherheitsjobs im Irak angenommen - gut bezahlte, aber hochgefährliche Arbeit.

Von Andreas Stummer | 11.11.2006

    Taulasi Fumea ist heimgekehrt. Ganz Bukuya erweist ihm die Ehre. Das Dorf auf der Hochebene von Viti Levu, der Hauptinsel Fijis, liegt am Fuß des Monavatu – eines zerklüfteten Sandstein-Kegels, der majestätisch die dichten Palmenwälder der Gegend überragt. Die Frauen tragen weiße Spitzenkleider, die Männer schwarze Wickelröcke. Die Stammesältesten führen den Trauerzug an. Alle Dorfbewohner sind auf den Friedhof gekommen, um Taulasi Fumea an seinem Geburtsort zu Grabe zu tragen.

    Eingehüllt in bunte Tücher wird ein schlichter Holzsarg langsam in ein ausgehobenes Erdloch hinab gelassen und – wie es die Tradition verlangt - mit kostbaren, handgewobenen Schilfmatten bedeckt. Taulasi Fumea wurde nur 28 Jahre alt. Er liebte Rugby, Fischen - und die Armee. Doch Fumea starb nicht als Soldat für sein Land, sondern als Söldner. Er war Bodyguard für eine Gruppe amerikanischer Geologen im Irak. Bis er in einem Vorort von Bagdad durch eine Autobombe getötet wurde. Taulasi Fumea hat traurige Berühmtheit erlangt in seiner Heimat. Denn er ist der 200. Fidschianer, der im Irak gewaltsam sein Leben verloren hat.

    200 Tote in nur drei Jahren: Die Meldung vom Tod eines Fijianers im Irak ist in den lokalen Abendnachrichten fast schon zur Routine geworden. Ob im Dienst der Britischen Armee oder als private Sicherheitskraft: Eines haben Fijis Männer im Irak gemeinsam. Sie alle sind Veteranen früherer UN-Friedensmissionen. Ob im Kosovo, in Namibia, Ost-Timor, den Salomonen oder im Mittleren Osten: Soldaten aus Fiji gehörten jahrelang zu den gefragtesten Blauhelm-Truppen für die Krisenregionen der Welt. Doch als ihre Friedenseinsätze endeten, begann für die Männer der ungewisse Weg zurück an die Heimatfront.

    "Die Regierung wusste nicht, was sie mit all diesen Soldaten anfangen sollte. Mit einem Mal suchten 25.000 Männer Arbeit. Wer nicht wieder beim Militär unterkam wurde von internationalen Sicherheitsfirmen umworben. Fijis gut ausgebildete Soldaten sind gefragt. Ich habe 10.000 Männer registriert, die bereit sind, einen Job im Irak zu übernehmen."

    Nach 34 Jahren in der Armee-Führung des Landes wird Sakiusa Raivosi in Fiji nur "der Colonel" genannt. Vor drei Jahren begann er frühere Soldaten zu rekrutieren und sie als Sicherheitskräfte in den Irak zu vermitteln. 600 seiner Männer unterstützten die US-Verwaltung bei der Einführung der neuen irakischen Währung. Einer war Tony Dakavula. Regelmäßig schickte er voller Stolz gebündelte Dollarnoten zurück nach Fiji. Das letzte, was sein Bruder Jonah von ihm hörte, war, dass er als Bodyguard für eine US-Firma in Bagdad arbeite. Für 500 Dollar am Tag.

    "Viele blieben im Irak statt nach Fiji zurückzukehren. Ihre Familien warteten monatelang auf sie. Dann wurden in nur einer Woche drei unserer Männer getötet, darunter mein Bruder. Diese so genannten Sicherheitsfirmen nutzen unsere früheren Soldaten doch nur aus. Die meisten kommen aus einfachen Dörfern. Sie lockt das Geld. Denn soviel wie im Irak können sie zuhause nicht verdienen."

    Heute arbeiten über tausend frühere Soldaten der fidschianischen Armee als Sicherheitskräfte im Irak. Das Gehalt, das sie dort verdienen, liegt zehn Mal höher als der Durchschnittslohn in ihrer Heimat. Überweisungen aus dem Irak sind aus Fijis Wirtschaft kaum mehr wegzudenken. Die Existenz ganzer Familien und Dorfgemeinschaften hängt davon ab. Inzwischen kommt mehr Geld aus dem Irak nach Fiji, als die einheimische Zucker-Industrie erwirtschaftet. Doch die sozialen Folgen kommen den Inselstaat teuer zu stehen. Jamima Ali vom Frauen-Hilfszentrum in der Hauptstadt Suva befürchtet den Zerfall der traditionellen, polynesischen Großfamilie.

    "Die Männer schicken viel Geld nach Hause – aber Geld ist nicht alles. Viele Familien leben in ständiger Ungewissheit. Und wenn die Männer im Irak sterben, sind ihre Frauen und Kinder oft völlig auf sich alleingestellt. Fiji hat einfach nicht die nötigen Mittel und Einrichtungen, um Menschen zu betreuen, die ihr Familien-Oberhaupt unter gewaltsamen Umständen und so weit weg von zu Hause verloren haben."

    Doch Fijis Ärztebund macht sich vor allem Sorgen um die Söldner, denen es nach ein, zwei Jahren im bürgerkriegsähnlichen Irak schwer fällt sich zu Hause wieder in den friedlichen Südsee-Alltag einzuleben. Viele leiden unter Alpträumen und post-traumatischem Stress: Seelischen Narben, die nur langsam verheilen. Beim Militär gibt es eine Spezialeinheit, die Soldaten nach traumatischen Erlebnissen psychologisch betreut. Die Irak-Heimkehrer aber sind Zivilisten – und auf sich allein gestellt. Fijis Premierminister Laisenia Qarase räumt ein, dass das Gesundheitssystem völlig überfordert ist.

    "Viele Familien zerbrechen. Oft kommen die Männer zurück und stellen fest, dass ihre Ehefrauen sie mitsamt der Kinder verlassen haben. Die Agenturen, die die Männer zum Sicherheitsdienst im Irak angeworben haben, wollen von diesen Problemen nichts wissen. Damit müssen unsere Gesellschaft und wir in der Regierung alleine fertig werden."

    Die Tourismusindustrie bewirbt Fiji als Südsee-Paradies, als einen idyllischen Ort, weitab von den Krisenherden der Welt. Dennoch sind dort tausende Männer bereit, ihr Leben als bewaffnete Sicherheitskräfte im Irak für eine Handvoll Dollar zu riskieren. Die Regierung Fijis fordert seit langem von den USA, Großbritannien und Australien einen baldigen Truppenabzug vom Golf. Nicht aus Überzeugung, sondern um nicht eine ganze Generation junger Männer dort unwiederbringlich zu verlieren.