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Söldner gegen Schädlinge

Biologie. - Mexikanische Akazien wehren Schädlinge auf unterschiedliche Weise ab. Manche Arten leisten sich eine ständige Armee von Ameisen, andere greifen bei Bedarf auf Ameisensöldner zurück. Wann welche Strategie angewandt wird, hängt von der Bedrohung durch Schädlinge ab. Max-Planck-Forscher aus Jena haben jetzt entdeckt, wie die Pflanzen die unterschiedlichen Ameisen rekrutieren.

Von Hartmut Schade | 19.08.2005
    Mexikanische Akazien kooperieren mit Ameisen, um potentielle Angreifer abzuwehren. Das machen andere Pflanzen auch, und war noch keine Überraschung für die Jenaer Wissenschaftler. Doch als die Forscher genauer hinschauten, sahen sie, dass einige Akazienarten ständig Ameisen beherbergten, andere hingegen nur dann, wenn sie wirklich angegriffen wurden. Wie kommt das, fragten sich die Wissenschaftler. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, untersuchten die Forscher den Nektar, den die Bäume absondern und der den Ameisen als Nahrung dient, sagt Professor Wilhelm Boland vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena:

    "Die Akazien, die vorübergehende, patrouillierende Ameisen anlocken müssen, bieten in ihrem Zuckersekret auch Rohrzucker an. Während man bei den festen Assoziationen eigentlich nur Glukose findet. Nun muss man wissen, dass Rohrzucker für viele Ameisenarten außergewöhnlich attraktiv ist. Damit kann dann eine solche Akazie eben auch patrouillierende Ameisen anlocken. Und der wichtige Punkt ist, dass in den festen Assoziationen kein Rohrzucker im Sekret vorhanden ist, und damit dieser Nektar für die patrouillierenden Ameisen nicht interessant ist, wohl aber für die Stammbewohner."

    Eine clevere Strategie, denn so verhindert der Baum, dass er von den Ameisen ausgenutzt wird, dass er ihnen ohne Gegenleistung Nahrung bietet. Nur: Rohrzucker ist fester Bestandteil jeden Nektars. Wie schaffen es die Akazien, die in fester Symbiose mit Ameisen leben, einen Nektar anzubieten, der nur aus Glukose und Fruchtzucker besteht? Boland:

    "Die wesentliche Entdeckung ist, das bei den Akazien, die die Ameisen permanent beheimaten, Rohrzucker im Nektar dadurch vermieden wird, dass ein Enzym gleich mit sekretiert wird, das den Rohrzucker permanent in seine Bestandteile - nämlich Glukose und Fruchtzucker - spaltet. Und dann gehört noch ein zweiter Teil zu dieser Geschichte: die Ameisen, die gelegentlich angelockt werden, die haben genau Enzyme in Darm, mit denen sie Rohrzucker in nutzbare Glucose und Fructose spalten können Die Ameisen, die permanent in diesen Akazien leben, haben dieses Enzym wiederum nicht. Sie könnten ihn gar nicht verdauen, wenn er angeboten wäre. Und zusammen machen diese Strategien einen sehr effektiven Filter aus, warum die einen Ameisen nur zu dieser Akazienart gehen und die anderen frei patrouillieren können."

    Ein derart fein austariertes Verteidigungssystem überraschte auch die Wissenschaftler. Mit der Entdeckung der Enzyme in Akazie und Ameise ist zum ersten Mal der biochemische Hintergrund einer Tier-Pflanze -Symbiose aufgeklärt. Boland:

    "Man muss weitergehend sagen, alle Symbiosen zwischen Tieren und Pflanzen müssen biochemische Grundlagen haben. Nur sind die in aller Regel nicht verstanden."
    Bleibt die Frage, warum einige Akazien auf Permanentverteidigung setzen, andere nur dann Verteidiger anheuern, wenn es wirklich nötig ist. Hier muss man eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen. Energetisch günstiger für die Akazien ist die zweite Strategie. Deshalb sind es ausschließlich Akazienarten, die in Gebieten mit hohem Schädlingsbefall leben, die auf eine feste Kooperation mit den Insekten setzen. Der Preis für die Verteidigung: sie müssen viel Energie in die Nektarproduktion stecken, um die Ameisen ständig bei sich zu behalten. Trotzdem lohnt es sich, denn die Ameisen sind äußerst rabiate Verteidiger. Boland:

    "Die schaffen es sogar größere Säuger, die Fraßfeinde der Pflanze, in die Flucht zu schlagen, einfach durch ihre große Zahl und weil sie einem Säuger in die Nase zwicken können und so weiter. Sie halten die Pflanze frei von Parasiten."
    Auch wenn es reine Grundlagenforschung ist, die die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut betreiben, eine praktische Erkenntnis zieht Wilhelm Boland dennoch. Bei der Züchtung neuer Sorten sollte man nicht allein auf den Ertrag schauen, sondern ebenso darauf achten, dass die natürlichen Verteidigungsstrategien der Pflanze nicht auf der Strecke bleiben. Dass würde Schädlingsbekämpfungsmittel weitgehend überflüssig machen.