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Söldner im 21. Jahrhundert

Im 21. Jahrhundert tritt zunehmend ein neuer Typ des Söldners auf den Plan: der Techniker, der Hightech-Spezialist, der für private Militärfirmen arbeitet. Sage und schreibe mehr als 1,5 Millionen Beschäftigte sollen heute für Unternehmen dieser Art im Einsatz sein. Rolf Uesseler hat die Wachstumsbranche der privaten Militärfirmen in seinem Buch "Krieg als Dienstleistung" unter die Lupe genommen.

Von Marion Koerdt |
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    Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung veröffentlichte vor rund zweieinhalb Jahren eine Analyse zu den politischen Konflikten im Jahr 2003. Von den 14 erwähnten Kriegen wurde nur einer als zwischenstaatlich eingestuft: der Krieg der USA und der "Koalition der Willigen" gegen den Irak. Doch nicht die US-Verbündeten stellten das zweitgrößte Truppenkontingent, sondern private Militärfirmen. Während früher Staaten oder innerstaatliche Konfliktparteien die Abläufe bestimmten, griffen hier die "neuen Söldner" verstärkt in das Kriegsgeschehen ein.
    Die Angestellten dieser Firmen sind keine Söldner im klassischen Sinne: Diese Unternehmen schließen Zivilverträge mit Regierungen ab und stellen nicht nur Personal, sondern auch Technik und Logistik.

    "Um es mit den Worten von amerikanischen Generälen zu sagen, der jetzige Irak-Krieg hätte nicht geführt werden können ohne private Militärfirmen."

    So Rolf Uesseler, der sich seit Jahrzehnten mit illegalen Praktiken in der Weltwirtschaft, mit organisierter Kriminalität und Schattenökonomie beschäftigt.

    "Im Irak-Krieg war es so, dass nicht nur die gesamte Logistik und Vorbereitung, sondern ein großer Teil auch der Kampfhandlungen, z.B. die Programmierung der Bombardierung in den Händen von privaten Militärfirmen lag."

    Der Untertitel von Uesselers neuem Buch lautet: Private Militärfirmen zerstören die Demokratie. Argument des Autors: Diese Unternehmen entzögen sich der parlamentarischen Kontrolle und nur selten sei ihr Agieren transparent.

    Die USA und Großbritannien nehmen zumeist ein direktes Outsourcing vor, indem Regierungsstellen selbst Verträge mit privaten Militärfirmen abschließen. Viele europäische Staaten, darunter Frankreich und die Niederlande, gehen einen eher indirekten Weg. Auch sie verfolgen das Ziel, einen größeren Handlungsspielraum für politische Aktionen außerhalb der eigenen Grenzen zu gewinnen, den sie militärisch absichern können. Zu diesem Zweck werden die nationalen Streitkräfte zu Kerntruppen (Führungs- und Kampftruppen) aus- und umgebaut sowie alle anderen militärischen Aufgaben in die Hände von Militärdienstleistern gelegt.

    Um mögliche parlamentarische Hürden zu vermeiden, beschreiten die USA folgenden Weg:

    "Der amerikanische Kongress hat durchgesetzt, dass Aufträge an private Militärfirmen, die über 50 Millionen Dollar liegen, dass die anzeigepflichtig sind und gleiches gilt für finanzielle Vorgänge. Das sind Privatverträge, die unterliegen dem Vertragsgeheimnis. "

    Die Verträge werden dementsprechend gestückelt. Uesseler erläutert, in welchem Maße private Militärfirmen in das Kriegsgeschehen eingreifen.
    Er schildert auch die Aktivitäten von privaten Militärfirmen in Kolumbien, wo Kampfeinheiten gegen Drogenkartelle oder Gewerkschafter aufgestellt sind, oder auf den Philippinen, wo Privatarmeen gegen Rebellen kämpfen. Auch große Konzerne greifen auf die Hilfe von privaten Militärfirmen zurück, wenn es darum geht, Produktionsstätten in der Dritten Welt zu schützen.
    Wir haben es mit einem globalen Phänomen zu tun, das sich keinesfalls auf den politischen Bereich beschränkt. Faktenreich analysiert der Autor die politischen und ökonomischen Zusammenhänge, vermittelt Erkenntnisse, die in der weltweiten Informationsflut unterzugehen drohen.

    Bis zu zwei Drittel der für die unzähligen Konflikte dieser Welt benötigten leichten Waffen, auf deren Konto rund 90 Prozent der Toten gehen, werden heute an offiziellen staatlichen Kontrollen vorbei von privaten Waffenhändlern vertrieben.

    Uesseler präsentiert Zahlen, die zu denken geben: Weltweit stehen den privaten Militärfirmen 1,5 Millionen Spezialisten zur Verfügung, der Branchenumsatz liegt derzeit bei 200 Milliarden Dollar im Jahr. Eines der größten Unternehmen der Branche ist Kellog, Brown & Root, das zum multinationalen Konzern Halliburton gehört. Aufsichtsratsvorsitzender von Halliburton war bis zum Jahr 2000 der jetzige US-Vizepräsident Richard Cheney. Andere private Militärfirmen wie Blackwater USA machten von sich reden, weil die vier im März 2004 getöteten angeblichen "Zivilisten" im Irak Angestellte dieses Unternehmens waren. Ihre Aufgabe war es, Iraker durch Razzien bis hin zu Morden einzuschüchtern.
    Rolf Uesselers Buch basiert auf zehnjährigen Recherchen – und der Ansicht – der Einsicht – dass "neue Söldner" der Welt wohl kaum Wege zum Frieden weisen werden – im Gegenteil:

    "Wenn kein Parlament, kein Medium, keine Zeitung, niemand irgendetwas kontrollieren kann, wenn man noch nicht einmal darüber informiert wird, wer welche hochmodernen Waffen, von Raketen bis sonst etwas möglicherweise in seinem Keller lagert, dann können Sie sich vorstellen, welche Zustände irgendwann einmal herrschen werden."

    Marion Koerdt über Rolf Uesseler: Krieg als Dienstleistung. Private Militärfirmen zerstören die Demokratie, Christoph Links Verlag, Berlin 2006.

    Keine Frage, Kriege sind mörderisch – und Kriege sind ein Bombengeschäft. Ein Standardwerk über die Rolle privater Militärfirmen, das im Jahre 2003 in den USA erschienen ist, liegt jetzt auch in deutscher Übersetzung vor: Peter W. Singer: Die Kriegs-AGs. Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Mai 2006. Prädikat: äußerst aufschlussreich, äußerst lesenswert.