Donnerstag, 25. April 2024

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Söldner im Kalten Krieg

Im Kalten Krieg waren Söldner ein Propagandainstrument. UdSSR und USA beschuldigten sich gegenseitig, Soldaten angeheuert zu haben, um die feindliche Ideologie moralisch zu bekämpfen. Das Hamburger Institut für Sozialforschung hat diese Zeit nun untersucht.

Von Ursula Storost | 04.04.2013
    1964 drohte die Übernahme des ehemals Belgisch-Kongo durch eine Rebellenarmee. US-Regierung und CIA versuchten das durch den Einsatz von Söldnern zu verhindern, einer von ihnen, der Deutsche Siegfried Müller, genannt Kongo-Müller. Hier in einem Interview von 1965:

    "Ich habe die Uniform des Reichsarbeitsdienstes getragen, war von 1939 bis 45 Angehöriger der großdeutschen Wehrmacht, ich war Kriegsgefangener, ich war bei der Polizei in amerikanischen Diensten, später habe ich bei einer arabischen Minensuchkolonne in der Wüste Sahara gearbeitet, dann bin ich nach Südafrika, wo gewisse Kanäle mich nach dem Kongo leiteten, wo ich heute Major und Bataillonskommandeur bin."

    Söldner gab es keineswegs nur in der Antike oder im Mittelalter, sagt der Historiker Dr. Klaas Voß. Er ist Mitarbeiter im Arbeitsbereich "Theorie und Geschichte der Gewalt" am Hamburger Institut für Sozialforschung. Söldner, so Klaas Voß, haben zwar keinen persönlichen Anteil an einem Konflikt. Aber sie vertreten oft bestimmte ideologische Interessen. Im Kalten Krieg waren es häufig Antikommunisten, so wie Siegfried Müller.

    "Wir haben im Moment einige große Bewegungen in der gesamten Welt, die über die Nationen hinausgehen, die weltanschaulich sind. Und ich sehe die Gefahr, wenn der Kongo rot wird, dann ist fünf Jahre später der ganze afrikanische Kontinent rot. Und das könnte die Südflanke Europas schwer bedrohen."

    Im Kalten Krieg, so Klaas Voß, habe sich ein Bedarf für Söldnerarmeen entwickelt. Die regulären Streitkräfte einer Nation, seien staatlich wie gesellschaftlich regulier- und überprüfbar. Einsätze in Drittweltländern bräuchten die mehrheitliche Zustimmung im Parlament und auch in der Öffentlichkeit. Söldner können unabhängig davon angeheuert werden. Klaas Voß:

    "Häufig waren es ja die Geheimdienste, zum Beispiel die Geheimdienste der USA, die CIA insbesondere, die über verschiedene Mittel und Wege, Söldneragenturen, Rekrutierungskarteien usw. z.T. auch über Mund zu Mund-Propaganda Söldner angeworben haben. Häufig geschah das auch per Schneeballeffekt. Im Fall Angolas haben wir es in einer Situation sogar mit einer Telefonkette zu tun, mit der die Söldner rekrutiert wurden."

    Der Kalte Krieg war die Folge des Zweiten Weltkriegs, ergänzt Dr. Claudia Weber. Die Historikerin beschäftigt sich am Hamburger Institut für Sozialforschung ebenfalls mit Gewaltgeschichte. Die Blockkonfrontation der Supermächte in der Nachkriegszeit habe in der Gesellschaft eine grundlegende Auseinandersetzung mit Gewalt angestoßen:

    "Der Kalte Krieg war auch die Zeit der großen Antikriegsbewegung und der großen Friedensbewegung, gleichzeitig eine Zeit, die ja keinesfalls gewaltfrei war. Also wie sehr während des Kalten Krieges kriegerische Gewalt direkt ausgelagert worden ist in die sogenannten Stellvertreterkriege in der Dritten Welt. Und ich glaube, Stellvertreterkriege, die im Kalten Krieg dann eben ausgefochten worden sind, haben dann Stellvertreterkrieger benötigt. Und das waren in vielen Fällen die Söldner."

    Gleichzeitig wären die Söldner ein gewichtiges Propagandainstrument zwischen den Blöcken. Man beschuldigte sich gegenseitig, Söldner anzuheuern, um die feindliche Ideologie moralisch zu bekämpfen und zu verhindern, dass sie sich in der Dritten Welt ausbreite. Denn, so die Argumentation, ein System, das Söldner kaufen müsse, sei moralisch bankrott. Klaas Voß:

    "Gerade in Afrika war das natürlich umso wichtiger, als dort der Söldner als ein Symbol des Neokolonialismus, des Kapitalismus, des Rassismus, des Imperialismus galt. "
    Tatsache ist, dass US-Regierung und CIA Söldner für antikommunistische Kriege anheuerten. Allerdings geschah das im Geheimen und wurde in manchen Fällen bis heute nicht zugegeben. Auf entsprechende Anschuldigungen erklärten die Amerikaner stets, ... .

    "... . dass das immer die lokalen Verbündeten der USA waren. Also die Rebellengruppen und Zentralregierung, die diese Söldner beschäftigten."

    Söldner in den Drittweltländern, sagt Klaas Voß, waren fast immer Weiße. Oft entwurzelte Männer, die wie Siegfried Müller nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in die Bundeswehr übernommen wurden, Elitesoldaten oder Vietnamveteranen, die sich nicht mehr in die Gesellschaft integrieren konnten, und natürlich gab es darunter auch Sadisten und Psychopaten. Klaas Voß:

    "Wenn man sich beispielsweise Fotos von der Söldnerintervention im Kongo ansieht, sieht man zum Beispiel Söldnerjeeps auf die Totenköpfe von getöteten Kongolesen gebunden waren. Sozusagen auf die Motorhaube. Ein Söldner hat zum Beispiel die Ohren seiner erschossenen Feinde als Trophäen gesammelt und sie in einer Brandyflasche eingelegt, die er dann in seiner Bar in Südafrika ausgestellt hat."

    Erstaunlicherweise wurden die Söldner noch in den späten 60er Jahren in der westlichen Welt durchaus positiv gesehen. Klaas Voß:

    "Die Söldner wurden gefeiert als Retter geschändeter weißer Nonnen und gemarterter Missionare, die von den brutal und grausam dargestellten Rebellen im Kongo gefoltert und getötet worden waren. Und die Söldner kamen wie die Geißel der zivilisierten Welt und brachen über diese vermeintlichen Wilden herein und wiesen sie endlich in ihre Schranken. So wurde das in der westlichen Presse dargestellt."

    Ob die Sowjetunion während des Kalten Krieges ebenfalls Söldner rekrutiert hat oder ob es sich um propagandistische Anschuldigungen der USA handelt, ist nicht bekannt, erklärt Claudia Weber. Leider, sagt die Historikerin, seien viele sowjetische Archivbestände, die sie Anfang der 90er Jahre noch einsehen konnte, mittlerweile wieder hinter verschlossenen Türen. Claudia Weber:

    "Zu dem Thema der Söldnerrekrutierung kann ich noch so viel sagen, dass ich mir schwer vorstellen kann, dass es innerhalb der SU eine ähnliche Entwicklung gab wie in den Vereinigten Staaten mit der Söldnerrekrutierung. Allein aus dem Grund, da aus meinem Wissen über sowjetische Geheimdienste ich es für unwahrscheinlich halte, dass der KGB Söldnereinsätze nahezu außer seiner Kontrolle zugelassen hätte."

    Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges haben sich die Söldneragenturen verändert. Es entstanden sogenannte private military companies. Klaas Voß:

    "Das ist eine Entwicklung, die hat ihren Ursprung in Südafrika genommen mit dem Zusammenbruch des Apartheidsregimes. Sie müssen sich vorstellen, dass Südafrika einen gigantischen Sicherheits- und Militärapparat hatte. Und plötzlich sahen diese hoch professionellen Soldaten, die für Südafrika gekämpft haben, diese Menschen sahen ihre Lebensgrundlage bedroht."

    Heute sind die privaten Militär- und Sicherheitsfirmen in allen Krisengebieten der Welt tätig. Ein gigantisches Geschäft. Ihr Umsatz liegt derzeit bei deutlich mehr als einhundert Milliarden Dollar pro Jahr. Sie kümmern sich um die Logistik, Treibstoffnachschub, Wachdienste. Aber stellen eben auch Männer, die ins Kampfgeschehen eingreifen. Klaas Voß:

    "Sie hatten tatsächlich dann Zahlen, zum Beispiel in Afghanistan 2011, wo sie mehr contracters, also Vertragskräfte dieser privat military companies im Einsatz hatten als reguläre amerikanische Soldaten."