Kloiber: Wie genau soll denn dieser Test aussehen?
Rähm: Sie wollen sich, vorerst nur testweise, vom globalen Internet abschotten und abkoppeln. Das geht auf ein im Dezember 2018 beschlossenes Gesetz zurück, das am 1. April in Kraft treten soll. Das Gesetz bestimmt, dass Russland fähig sein soll, sich im Fall von feindlichen ausländischen Angriffen vom globalen Netz zu trennen und dabei das russische Netz aufrecht zu erhalten. Deswegen muss bis dahin die Netzabkopplung einmal getestet werden.
Kloiber: Wie wird diese Trennung konkret aussehen?
Erste Tests gab es schon 2014
Rähm: Das ist derzeit noch unklar. Experten meinen, weil Russlands Netz nicht so eng mit dem Internet verflochten ist wie beispielsweise Deutschland, könnte es funktionieren, auch wenn der Vorgang komplex ist. Dabei werden dann fast alle Backbones und Peering-Punkte getrennt. Die, die übrig bleiben, sollen als eine Art "Grenzübergänge" fungieren, an denen der gesamte ein- und ausgehende Datenverkehr untersucht werden soll. So soll sichergestellt werden, dass keine verbotenen Inhalte zirkulieren und russischer Traffic in Russland bleibt und nicht abgehört werden kann.
Kloiber: Russland strebt also mehr oder weniger eine Variante des chinesischen Netzes an, das bekanntlich hinter der "Großen Chinesischen Mauer" liegt und ebenfalls stark reglementiert und eingeschränkt ist. Sind die russischen Pläne überraschend?
Rähm: Wenn wir auf die Historie schauen, nicht wirklich. Bereits 2014 hatte es Tests und Simulationen gegeben, inwiefern Russland unabhängig vom globalen Domain-Name-System ist, also dem globalen Adressbuch des Internets. Damals hieß es auf Nachfrage noch, Russland habe keine Bestrebungen, sich abzukoppeln. Das hat sich nun geändert und könnte mit Plänen der US-Amerikaner zusammenhängen. So berichtet der öffentliche Rundfunk NPR, die jetzigen Pläne Russland seien eine Reaktion auf die Ankündigung US-amerikanischer Hacker-Attacken auf Russland, China und Nordkorea. Ein weiteres Puzzle-Steinchen ist das Verbot des Messengers "Telegram" in Russland, das seit Mitte letzten Jahres in Kraft ist. Der Dienst hatte sich geweigert, Schlüssel der verschlüsselten Kommunikation seiner Nutzer an den russischen Geheimdienst zu übergeben, weil das nicht möglich sei. Zu guter Letzt sei noch festgehalten, dass Russlands Netz schon heute insgesamt stark kontrolliert ist und zum Beispiel Peering-Punkte nicht ohne weiteres eingerichtet werden können, sondern nur mit entsprechender Genehmigung. Das Netz ist in Russland also schon heute nur wenig vergleichbar mit dem freien Internet.
"Jeglicher Traffic wird gefiltert und kontrolliert"
Kloiber: Welche Folgen wird eine solche Abschottung für die Nutzer in Russland haben und welche für das globale Netz?
Rähm: Die Auswirkungen aufs Internet an sich werden wohl eher gering sein, erklärte mir ein Experte, auch wenn man das jetzt noch nicht sicher sagen kann. In Russland stünden kaum oder sogar keine wirklich wichtigen Netzbestandteile. Was der Experte aber erwartet: einen deutlichen Rückgang von Hacking-Aktivitäten. Diesbezüglich komme aus Russland eine ganze Menge, schilderte er mir. Für die Nutzer bedeutet eine Abschottung: kein oder nur noch ein stark eingeschränkter Zugang auf nicht-russische Dienste und Inhalte. Wie schwerwiegend das ist, wird sich dann erst zeigen, denn Russland hat gerade im Bereich Social Media eine ganze Reihe eigener russischer Angebote, die sehr populär sind. Klar ist aber, dass während der testweisen Abkoppelung und bei einer eventuellen dauerhaften jeglicher Traffic gefiltert und kontrolliert werden wird.
Kloiber: Ganz kurz zum Abschluss: Wann wird der Test stattfinden?
Rähm: Das ist noch nicht klar, aber sicher zwischen heute und dem 1. April. Das gibt das Gesetz vor, das dann in Kraft tritt.
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