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Solare Unabhängigkeitserklärung

Energie. - Die USA sind der größte Konsument von Öl und Gas auf der Welt. Mit verstärkter Prospektion auf eigenem Staatsgebiet will Washington sich von den Ölförderländern unabhängiger machen. Das geht auch mit massivem Ausbau der Solarenergie sagen Ingenieure der Columbia-Universität in New York.

Von Arndt Reuning | 24.10.2008
    "Drill, Baby, drill" – der Mantra ähnliche Ruf nach einer ausgedehnten Erdölförderung in den USA hatte den Parteitag der Republikaner in St. Paul Anfang September überschallt. Und nicht nur John McCain vertritt die Auffassung, dass sich die Vereinigten Staaten den Weg zur Energiesicherheit "erbohren" könnten. Auch Barack Obama steht neuen Förderprojekten vor der Küste aufgeschlossen gegenüber. Allerdings gibt es genug Experten, die andere Energiequellen favorisieren, zum Beispiel die Solarkraft. Der Chemiker Vasilis Fthenakis von der Columbia University in New York gehört zu diesen Fachleuten.

    "Viele Menschen glauben nicht, dass Solarenergie das Potential hat, maßgeblich zur Energieversorgung unseres Landes beizutragen. Mit unseren Veröffentlichungen zeigen wir, dass das aber sehr wohl der Fall ist. Die Frage ist, ob man sich dafür entscheiden will."

    Zusammen mit zwei Kollegen hat der Forscher, der auch am Brookhaven National Laboratory tätig ist, einen Masterplan Solarenergie vorgelegt. Bis zum Jahr 2050 ließen sich damit gut 70 Prozent des US-amerikanischen Strombedarfs decken – mit Hilfe von Photovoltaik und Parabolrinnen-Technik, bei der ein gekrümmter Spiegel die Sonnenwärme auf eine Flüssigkeit in einem Rohr leitet. Die erzeugt über einen Wärmetauscher Wasserdampf, der eine Turbine mit Stromgenerator antreibt. Solch ein Kraftwerk mit 64 Megawatt Leistung ist 2007 in Nevada ans Netz gegangen. Zusammen mit anderen Erneuerbaren Energien könnten die USA bis zum Jahr 2100 nahezu unabhängig von Öl werden, glaubt Vasilis Fthenakis.

    "Die Technologien sind vorhanden. Und es zeichnet sich ab, dass sie sich auch weiter verbessern werden. Aber was mir wichtig ist: Wir brauchen nicht auf neue Technologien zu warten. Wir können jetzt schon beginnen und die neuen Errungenschaften schrittweise integrieren, sobald sie zur Verfügung stehen."

    30.000 Quadratmeilen Land müssten mit Solarzellen überdeckt werden. Das ist ungefähr das Dreifache des Bundesstaates Massachusetts. Allerdings gibt es im heißen Südwesten des Landes große Flächen, die sich für Solarkraftwerke anbieten. Diese Gegenden sind nur dünn besiedelt. Um den Strom von dort in die Ballungsgebiete zu transportieren, müsste also auch das Stromnetz umgebaut werden. Die Forscher um Vasilis Fthenakis schlagen vor, neue Haupttrassen durch das Land zu ziehen. Fthenakis:

    "Wir müssen das Stromnetz sowieso demnächst ausbauen, denn es ist überaltert. Viele Versorgungsunternehmen stimmen damit überein, dass es dringend überholt werden muss. Wir schlagen daher vor, weitere Verbindungen hinzuzufügen, weil das Stromnetz in den USA zersplittert ist. Viele Teile stehen kaum miteinander in Kontakt. Wir raten zu neuen Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, die vom Südwesten in andere Landesteile führen. Und auch von den High Planes, um den Strom von den Windenergieanlagen dort zu übertragen."

    Und auch die Energiespeicher müssten ausgebaut werden. Damit der Strom auch fließt, wenn die Sonne nicht scheint. Die Wissenschaftler hinter dem Masterplan Solarenergie glauben, dass das am besten mit unterirdischen Druckluftspeichern funktioniert. Alles in allem keine ganz preiswerte Angelegenheit. Rund 400 Milliarden Dollar müsste der Staat bis zum Jahr 2050 für den kompletten Plan investieren. Dadurch ließen sich dann aber auch 300 Kohle- und 300 Gaskraftwerke einsparen. Jetzt ist bloß die Frage, ob die Politiker das auch so sehen. Fthenakis:

    "So kurz vor den Wahlen ist es schwierig, etwas fest zu machen. Aber es gibt Interesse von einigen Senatoren-Büros, Senator Obama eingeschlossen. Was wir aber auf alle Fälle aus diesem Plan herausgeholt haben, ist dass viele Menschen auf das große Potential der Solarenergie aufmerksam geworden sind. Wann sie sich durchsetzt, das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es geschehen wird."