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Solares Kühlen im Praxistest

Umwelt. - Die Klimatisierung von Gebäuden verschlingt haufenweise Energie. Da sind alternative Klimatisierungstechniken gefragt. Und was läge da näher, als die Wärme der Sonne direkt in Kälte umzuwandeln? Solares Kühlen heißt dieser Ansatz im Fachjargon. Und die weltweit größte Klimaanlage dazu betreibt seit ein paar Monaten ein Unternehmen in der Nähe von Stuttgart.

Von Ralf Krauter | 28.08.2008
    Das Technologiezentrum der Festo AG liegt oberhalb der Kleinstadt Esslingen, am Rand des Neckartals. 3500 Mitarbeiter entwickeln und fertigen hier druckluftgetriebene Automatisierungstechnik, die weltweit gefragt ist. Dass Innovation hier groß geschrieben wird, ist offensichtlich. Autonome Roboter trimmen die Halme des englischen Rasens, computergesteuerte Sonnensegel beschatten die Atrien der 2001 errichteten Büro-Neubauten aus Stahl und Glas.

    "Also da oben sehen Sie jetzt schon die Kollektoren. Und da gehen wir jetzt auch hoch."


    Bernd Bruy wartet vor einer weiß-glänzenden Tragluftkuppel, die einem im Zentrum des Betriebsgeländes gestrandeten UFO ähnelt. Statt auf die Exponate darin zu verweisen, zeigt der Leiter der Betriebstechnik nach Norden, aufs Dach der Produktionshalle, wo schwarze Sonnenkollektoren in der Sonne glänzen. Der Weg zu ihnen führt über zwei kurze Metallleitern nach oben. Bernd Bruy klettert die Sprossen voran. Bruy:

    "Das ist jetzt das Dach des Produktionsgebäudes. Jetzt gehen wir gerade mal da rüber zu den Solarkollektoren."

    Seit Anfang des Jahres ernten die nach Süden weisenden Schrägen des Hallendachs Sonnenwärme. Eine Fläche von etwa 60 mal 25 Metern wurde dazu mit schwarzen Vakuumröhren-Kollektoren belegt, also mit Tausenden parallelen Glasröhren, in denen die Sonne Wasser aufheizt. Die gesamte Kollektorfläche beträgt über 1300 Quadratmeter. Bruy:

    "Weltweit ist es meines Erachtens die größte Installierung für solare Kühlung. Es gibt größere Solarfelder, aber die werden dann nicht für die Kühlung genutzt."

    An einem sonnigen Tag wie diesem, heizen die Wärmefänger das Wasser in den armdicken Edelstahlrohren auf über 90 Grad Celsius. 1200 Kilowatt Wärmeenergie lassen sich so im Idealfall einfangen. Energie, die man bei Festo verwendet, um sicherzustellen, dass die Tüftler in den gläsernen Büros auch im Sommer einen kühlen Kopf bewahren. Bruy:

    "Also hier geht's jetzt in den Steigschacht runter, zum Hauptverteiler. Und von diesem Hauptverteiler wird die Wärme über Rohrleitungen zu den Adsorptionskältemaschinen gepumpt."

    Diese Kältemaschinen stehen fünf Minuten entfernt im Keller, ziemlich genau unter der weißen Ausstellungskuppel im Zentrum des Betriebsgeländes. Bruy:

    "Das ist jetzt die Kältezentrale mit den drei Adsorptionskältemaschinen."

    Wärmeisolierte Wasserrohre mit computergesteuerten Ventilen durchziehen den riesigen Raum. Es ist warm wie in einem Heizungskeller. Bruy:

    "Von den Maschinen, sie sehen hier drei in Reihe gestellt, hat jede eine Kälteleistung von 353 Kilowatt."

    Die Adsorptionskühler sind so groß wie ein Schiffsdiesel. Ihr Herzstück sind große Behälter mit Silikagelkügelchen, die abwechselnd befeuchtet und wieder getrocknet werden. Wenn sich die porösen Kügelchen mit Wasser voll saugen, entziehen sie ihrer Umgebung Wärme. Dadurch lässt sich Wasser kühlen, das durch Rohre in den Betondecken und Wänden der gläsernen Neubauten zirkuliert und die Räume bei Bedarf kühlt. Um den Kältekreislauf zu schließen, müssen die Silikagel-Schüttungen in den Kältemaschinen alle paar Minuten wieder getrocknet werden. Bis Anfang des Jahres war dazu neben der Abwärme der Druckluftgeneratoren auf dem Werksgelände auch eine zusätzliche Gasheizung nötig. Dank der Sonnenkollektoren auf dem Dach ist die jetzt überflüssig. Bruy:

    "Es gab im Vorfeld eine Simulation von der Fachhochschule Stuttgart. Da kam raus, dass die Anlage im Durchschnitt 650 MW solare Wärme pro Jahr erzeugt. Das entspricht durchschnittlich dem Heizverbrauch von 50 Einfamilienhäusern. Das wiederum entspricht einer CO2-Einsparung von 100 Tonnen pro Jahr."

    Nach 8 Monaten Betriebszeit sieht es so aus, als ob die Einsparungen an Primärenergie tatsächlich den Prognosen entsprechen - obwohl der Sommer bislang nicht hielt, was er versprach. Ingenieure der Fachhochschule Offenburg wollen das als Forschungsprojekt geförderte solare Kühlsystem bei Festo in den kommenden Monaten genau vermessen, um mögliche Verbesserungen auszuloten. Bernd Bruy ist schon jetzt zufrieden. Alles läuft wie geplant - und die Besucher rennen ihm die Bude ein. Demnächst wollen auch Abgesandte eines namhaften Automobilherstellers in der Nähe die innovative Kälteanlage besichtigen.