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Solarstrom aus dem AKW

30 Jahre, nachdem Österreichs einziges Atomkraftwerk fertig gestellt wurde, liefert es nun: Solarstrom. Denn der Meiler in Zwentendorf war zwar schon betriebsbereit, 1978 entschieden sich aber die Österreicher per Volksentscheid dagegen, es einzuschalten. Seitdem ist Zwentendorf das Synonym für Österreichs größte Investitionsruine.

Von Alexander Musik |
    Die Straße zum Atomkraftwerk hat keinen Namen. Hier fährt auch niemand hin außer denen, die den Weg seit Jahren kennen: Deutsche Kraftwerkstechniker nutzen das AKW Zwentendorf als Übungsreaktor; und als Ersatzteillager für fünf baugleiche deutsche Siedewasserreaktoren. Dann ist da noch Johann Fleischer; er muss den Betonklotz am Rande der Auwaldlandschaft bewachen: 1050 Räume, kein Fenster, keine Nachbarn. Fleischer öffnet das Tor ins Innere der Anlage, wo alles so aussieht, wie es die Belegschaft hinterlassen hatte, als am 5. November 1978 klar war, dass 50, 4 Prozent der Österreicher keinen Atomstrom wollen. Im Reaktorraum selbst sind Brennelemente ausgestellt, drei Attrappen radioaktiver Pellets.

    "Das ist der Kernbesatz mit Uran 235, wo dann Wärme erzeugt worden wäre beziehungsweise die Dampferzeugung stattfindet. Das ist so ähnlich wie beim Otto-Motor, das Grundprinzip ist das Gleiche, die Anlagen in Deutschland sind modernisiert worden beziehungsweise technisch aufgerüstet und erweitert."

    Fahrt mit dem Aufzug auf 39 Meter Höhe. Vor vier Jahren kaufte der Stromkonzern EVN, der vor allem in Österreich, Mazedonien und Bulgarien aktiv ist, und über seine Tochterfirma Energieallianz auch auf dem deutschen Markt mitspielt, das Kraftwerk samt 24 Hektar Grundstück. Kaufpreis 2,5 Millionen Euro, ein Schnäppchen. Denn Zwentendorf ist ein genehmigter Kraftwerksstandort, das ist sein größter Trumpf, denn so erspart sich das Unternehmen jahrelange Genehmigungsverfahren.
    Auf dem Dach des Kraftwerksblocks erläutert EVN-Mann Stefan Zach, worum es geht.

    "Auf diesem Areal ist sehr viel möglich. Wir wollen Zwentendorf als Standort für erneuerbare Energie einsetzen, und noch im Jahr 2009 wird der erste Ökostrom hier in Zwentendorf in das Leitungsnetz der EVN hineingespeist werden."

    Ab Juni sollen 1000 Haushalte mit Solarstrom versorgt werden; die Stromleitungen aus dem Kraftwerk heraus liegen schon, von damals. Die EVN will sich als umweltbewusster Energieversorger darstellen; da kommt die Symbolik eines Kernreaktors, der Strom aus erneuerbarer Energien liefert, gerade recht. Zehntausende Radtouristen, die bald wieder den Donauradweg befahren, werden die Solar-Paneelen auf dem Dach wahrnehmen. Damit nicht genug: Vom Dach aus ist auch zu sehen, dass auf dem Gelände noch viel Platz ist - eigentlich für den geplanten zweiten Kraftwerksblock. Dort will die EVN ein Biomasse-Kraftwerk bauen. Stefan Zach:

    "Unter Biomasse verstehen wir Waldhackgut, Sägenebenprodukte, jedenfalls Holz."

    Während Österreichs Nachbarn eifrig neue Atomkraftwerke planen, poliert der EVN-Konzern, der mehrheitlich dem Land Niederösterreich gehört, das Image Österreichs als atomstromfreies Land. Das EVN-Vorhaben begrüßte sogar die Umweltorganisation "Global 2000". Auch wenn Atom-Expertin Silva Hermann zu bedenken gibt, dass Österreichs Stromversorger durchaus fünf bis zehn Prozent Atomstrom verkaufen.

    "... und zwar deswegen, weil sie in viel größerem Ausmaße mit Strom handeln und auf Strombörsen Atomstrom kaufen und auch wieder verkaufen. Das muss nicht Strom sein, der letztendlich bei den Haushalten landet, aber natürlich schafft dieser Kauf einen Markt für Atomstrom!"

    Das gilt freilich nicht für die EVN. Sie schickt zu 100 Prozent atomstromfreie Elektrizität durch ihre Leitungen, gibt "Global 2000" zu.