
Jürgen Zurheide: Der 26. Dezember 2004, der wird ein ganz besonderer Tag bleiben – und das nicht nur in Asien. Damals tobte nämlich im Indischen Ozean ein Tsunami auf die Inseln zu, und mindestens 230.000 Menschen, soviel steht heute fest, kamen damals ums Leben, die meisten in indonesischen Provinz Aceh. Der Wiederaufbau war einigermaßen schwierig, vor allen Dingen die direkte Lage unmittelbar nach der Katastrophe. Wir wollen jetzt mit jemandem reden, der damals vor vier Jahren dorthin geflogen ist, um zu helfen. Ich begrüße am Telefon Rolf Bartsch, den damaligen Einsatzleiter des THW in der Provinz Banda Aceh. Guten Morgen, Herr Bartsch!
Rolf Bartsch: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Bartsch, zunächst einmal, erinnern Sie sich noch, als der erste Anruf kam oder als Sie die ersten Bilder sahen, da ist irgendetwas passiert und jemand sagte, die, du oder Sie müssen jetzt da runter?
Bartsch: Natürlich erinnere ich mich daran. Solche Dinge vergisst man nicht, die prägen sich schon ein, vor allen Dingen, weil das ja Erlebnisse sind, die einen aus einer gewohnten Umwelt urplötzlich rausreißen und mit einer ganz anderen Realität konfrontieren. Und das sind so Dinge, die kriegt man aus der Erinnerung dann schon nicht so gut weg.
Zurheide: Wenn Sie jetzt noch mal sich versuchen zurückzuversetzen, damals, dann kam dieser Anruf, Sie müssen da helfen. Sie sind dahin geflogen und kamen an. Wo kamen Sie an, wie sah das aus, und was waren die ersten Eindrücke?
Bartsch: Na ja, die Anreise ist ja schon recht beschwerlich, dauert auch lange. Und wir zunächst gelandet in Medan, einer der größten Städte dort, und mussten erst mal sehen, dass wir überhaupt in das Gebiet vorstoßen konnten. Und die Verbindungen dorthin waren eigentlich unterbrochen. Der Flughafen in Banda Aceh war zwar noch offen, wir brauchten aber auch Chance, uns vor Ort bewegen zu können. Vor Ort gab es keine Fahrzeuge, also haben wir uns zunächst mal in Medan aufgemacht, um Fahrzeuge zu besorgen, anzumieten und sind dann mit denen auf dem Landweg nach Banda Aceh dann vorgestoßen, in die Stadt hinein. Das war an sich schon etwas aufwendiger, denn die Infrastrukturen dort waren für solche Situationen ja überhaupt nicht ausgelegt.
Zurheide: Was sind die ersten Bilder, die Sie wahrgenommen haben im Krisengebiet? Da sieht man Leid, Elend, Zerstörung, Menschen, die umgekommen sind, andere, die Angehörige verloren haben. Bleibt so was hängen oder ist in der Situation, wenn man da vor Ort ist, zunächst mal der erste Gedanke, ich bin hier, um zu helfen, also muss ich diese Gefühle zurückschalten? Wie gehen Sie damit um?
Bartsch: Gefühle entwickele ich eigentlich erst nach der Situation. Wenn ich dort unten bin, um zu helfen, dann versuche ich, so professionell wie möglich an die Sache heranzugehen, um auch das Ergebnis für die Betroffenen so gut wie möglich zu gestalten. Das heißt also, die Gefühle, die bekommt man dann erst, wenn man zurück ist und wenn man das Ganze dann verarbeitet. Als wir angekommen sind, was für mich frappierend war, war wirklich, ich sage mal, diese scharfe Trennlinie zwischen eigentlich dem unversehrten Land und dem Land, ab dem dann die Zerstörung begonnen hat. Am Anfang sind wir noch durch Landschaften gefahren, wo sich jeder Tourist wohlgefühlt hätte und dann auf einmal, als ob tatsächlich man in eine andere Welt eintritt, kam man wirklich in Bilder von Zerstörungen, so wie wir aus den Medien damals auch schon gesehen hatten.
Zurheide: Jetzt schildern Sie noch mal die Lage. Dann ist man da vor Ort, muss Hilfe organisieren, alles ist außerordentlich beschwerlich. Wie haben Sie die Hilfsgüter überhaupt dann rangekriegt, die Sie brauchen, um dann vor Ort das tun zu müssen, was Ihre Aufgabe war?
Bartsch: Ja, eine Mannschaft war ja noch gar nicht dort vor Ort, sondern ich war mit einem Erkundungsteam bestehend aus insgesamt vier Personen dort unten, mich eingeschlossen. Und wir haben erst mal die Lage sondiert. Wir haben geguckt, wer ist schon vor Ort. Natürlich gibt es Nationen, die näher an Indonesien sind als wir, die Australier waren schon da, Vereinte Nationen hatten dort schon erste Erkunder auch eingesetzt, mit denen wir sofort Kontakt aufgenommen haben. Und noch am Abend nach dem Eintreffen vor Ort in Banda Aceh habe ich dann mit Deutschland gesprochen, wo ja die Vorbereitungen für die Materiallieferung schon angelaufen waren und in insgesamt fünf Transportmaschinen dann unser Material dorthin dann entsandt worden.
Zurheide: Was konnten Sie tun vor Ort?
Bartsch: Wir haben dort natürlich als Hauptaufgabe wie in vielen Katastrophensituationen den Auftrag bekommen, Trinkwasser für die Bevölkerung bereitzustellen. Gerade in solchen Situationen kommt es sehr oft darauf an, dass die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgt wird, um den Ausbruch von Epidemien, von Seuchen zu verhindern und das war eben auch hier eine unserer Hauptaufgaben, dann natürlich auch verbunden mit der Aufgabe, dieses Wasser dann auch an die Personen zu verteilen. Wenn eine Infrastruktur zusammengebrochen ist, dann reicht es nicht, an einer Stelle sauberes Trinkwasser zu produzieren, sondern man muss auch dafür sorgen, dass dieses Wasser dann an die Bevölkerung herangebracht wird. Und diese Aufgaben miteinander kombiniert, haben wir dort unten versucht so gut, wie es ging, zu lösen.
Zurheide: Wie lange sind Sie insgesamt dort geblieben?
Bartsch: Ich selber bin insgesamt dort fünf Wochen gewesen, dort unten, wobei das ganze Projekt sich dann anschließend noch über Monate hingezogen hat und in Indonesien ist das THW noch bis zu diesem Jahr tätig gewesen.
Zurheide: Was bewegt Sie heute, wenn Sie noch mal Bilder sehen von damals oder wenn Sie an solchen Jahrestagen daran erinnert werden, auch durch unser Gespräch jetzt?
Bartsch: Ja, ich denke tatsächlich immer noch wieder daran zurück, an das, was wir dort vorgefunden haben, an das, was wir gearbeitet haben, was improvisiert werden musste. Ich denke natürlich an die Bevölkerung zurück, die dort unvorstellbares Leid erfahren hat und auch an die Momente, wo wir dann tatsächlich Hilfe bringen konnten und wo dann auch etwas von dem Dank der Bevölkerung an uns zurückgekommen ist.
Zurheide: Und ich bedanke mich jetzt für das Gespräch. Das war Rolf Bartsch, vor vier Jahren Einsatzleiter des Technischen Hilfswerkes in Banda Aceh.
Rolf Bartsch: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Bartsch, zunächst einmal, erinnern Sie sich noch, als der erste Anruf kam oder als Sie die ersten Bilder sahen, da ist irgendetwas passiert und jemand sagte, die, du oder Sie müssen jetzt da runter?
Bartsch: Natürlich erinnere ich mich daran. Solche Dinge vergisst man nicht, die prägen sich schon ein, vor allen Dingen, weil das ja Erlebnisse sind, die einen aus einer gewohnten Umwelt urplötzlich rausreißen und mit einer ganz anderen Realität konfrontieren. Und das sind so Dinge, die kriegt man aus der Erinnerung dann schon nicht so gut weg.
Zurheide: Wenn Sie jetzt noch mal sich versuchen zurückzuversetzen, damals, dann kam dieser Anruf, Sie müssen da helfen. Sie sind dahin geflogen und kamen an. Wo kamen Sie an, wie sah das aus, und was waren die ersten Eindrücke?
Bartsch: Na ja, die Anreise ist ja schon recht beschwerlich, dauert auch lange. Und wir zunächst gelandet in Medan, einer der größten Städte dort, und mussten erst mal sehen, dass wir überhaupt in das Gebiet vorstoßen konnten. Und die Verbindungen dorthin waren eigentlich unterbrochen. Der Flughafen in Banda Aceh war zwar noch offen, wir brauchten aber auch Chance, uns vor Ort bewegen zu können. Vor Ort gab es keine Fahrzeuge, also haben wir uns zunächst mal in Medan aufgemacht, um Fahrzeuge zu besorgen, anzumieten und sind dann mit denen auf dem Landweg nach Banda Aceh dann vorgestoßen, in die Stadt hinein. Das war an sich schon etwas aufwendiger, denn die Infrastrukturen dort waren für solche Situationen ja überhaupt nicht ausgelegt.
Zurheide: Was sind die ersten Bilder, die Sie wahrgenommen haben im Krisengebiet? Da sieht man Leid, Elend, Zerstörung, Menschen, die umgekommen sind, andere, die Angehörige verloren haben. Bleibt so was hängen oder ist in der Situation, wenn man da vor Ort ist, zunächst mal der erste Gedanke, ich bin hier, um zu helfen, also muss ich diese Gefühle zurückschalten? Wie gehen Sie damit um?
Bartsch: Gefühle entwickele ich eigentlich erst nach der Situation. Wenn ich dort unten bin, um zu helfen, dann versuche ich, so professionell wie möglich an die Sache heranzugehen, um auch das Ergebnis für die Betroffenen so gut wie möglich zu gestalten. Das heißt also, die Gefühle, die bekommt man dann erst, wenn man zurück ist und wenn man das Ganze dann verarbeitet. Als wir angekommen sind, was für mich frappierend war, war wirklich, ich sage mal, diese scharfe Trennlinie zwischen eigentlich dem unversehrten Land und dem Land, ab dem dann die Zerstörung begonnen hat. Am Anfang sind wir noch durch Landschaften gefahren, wo sich jeder Tourist wohlgefühlt hätte und dann auf einmal, als ob tatsächlich man in eine andere Welt eintritt, kam man wirklich in Bilder von Zerstörungen, so wie wir aus den Medien damals auch schon gesehen hatten.
Zurheide: Jetzt schildern Sie noch mal die Lage. Dann ist man da vor Ort, muss Hilfe organisieren, alles ist außerordentlich beschwerlich. Wie haben Sie die Hilfsgüter überhaupt dann rangekriegt, die Sie brauchen, um dann vor Ort das tun zu müssen, was Ihre Aufgabe war?
Bartsch: Ja, eine Mannschaft war ja noch gar nicht dort vor Ort, sondern ich war mit einem Erkundungsteam bestehend aus insgesamt vier Personen dort unten, mich eingeschlossen. Und wir haben erst mal die Lage sondiert. Wir haben geguckt, wer ist schon vor Ort. Natürlich gibt es Nationen, die näher an Indonesien sind als wir, die Australier waren schon da, Vereinte Nationen hatten dort schon erste Erkunder auch eingesetzt, mit denen wir sofort Kontakt aufgenommen haben. Und noch am Abend nach dem Eintreffen vor Ort in Banda Aceh habe ich dann mit Deutschland gesprochen, wo ja die Vorbereitungen für die Materiallieferung schon angelaufen waren und in insgesamt fünf Transportmaschinen dann unser Material dorthin dann entsandt worden.
Zurheide: Was konnten Sie tun vor Ort?
Bartsch: Wir haben dort natürlich als Hauptaufgabe wie in vielen Katastrophensituationen den Auftrag bekommen, Trinkwasser für die Bevölkerung bereitzustellen. Gerade in solchen Situationen kommt es sehr oft darauf an, dass die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgt wird, um den Ausbruch von Epidemien, von Seuchen zu verhindern und das war eben auch hier eine unserer Hauptaufgaben, dann natürlich auch verbunden mit der Aufgabe, dieses Wasser dann auch an die Personen zu verteilen. Wenn eine Infrastruktur zusammengebrochen ist, dann reicht es nicht, an einer Stelle sauberes Trinkwasser zu produzieren, sondern man muss auch dafür sorgen, dass dieses Wasser dann an die Bevölkerung herangebracht wird. Und diese Aufgaben miteinander kombiniert, haben wir dort unten versucht so gut, wie es ging, zu lösen.
Zurheide: Wie lange sind Sie insgesamt dort geblieben?
Bartsch: Ich selber bin insgesamt dort fünf Wochen gewesen, dort unten, wobei das ganze Projekt sich dann anschließend noch über Monate hingezogen hat und in Indonesien ist das THW noch bis zu diesem Jahr tätig gewesen.
Zurheide: Was bewegt Sie heute, wenn Sie noch mal Bilder sehen von damals oder wenn Sie an solchen Jahrestagen daran erinnert werden, auch durch unser Gespräch jetzt?
Bartsch: Ja, ich denke tatsächlich immer noch wieder daran zurück, an das, was wir dort vorgefunden haben, an das, was wir gearbeitet haben, was improvisiert werden musste. Ich denke natürlich an die Bevölkerung zurück, die dort unvorstellbares Leid erfahren hat und auch an die Momente, wo wir dann tatsächlich Hilfe bringen konnten und wo dann auch etwas von dem Dank der Bevölkerung an uns zurückgekommen ist.
Zurheide: Und ich bedanke mich jetzt für das Gespräch. Das war Rolf Bartsch, vor vier Jahren Einsatzleiter des Technischen Hilfswerkes in Banda Aceh.
