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Solidarität mit ausländischen Studierenden

Die Universität Bonn ist international: Jeder fünfte Studienanfänger kommt aus dem Ausland. Wer aber nicht aus der EU kommt, muss seit dem Sommersemester einen Betreuungsbeitrag von 150 Euro pro Semester zahlen, zusätzlich zu den Studien- und Sozialgebühren. Die Geographie-Studierenden an der Uni Bonn sind mit dieser Benachteiligung überhaupt nicht einverstanden und haben in dieser Woche dagegen demonstriert.

Von Svenja Üing |
    "Ich möchte euch und Sie alle herzlich willkommen heißen. ""

    Der Rote Saal am Geographischen Institut der Uni Bonn. An Stehtischen rund 40 Leute, vor allem Studierende. Sie warten auf den Höhepunkt des Nachmittags: die feierliche Geldübergabe:

    " "Ich möchte euch jetzt alle nach vorne bitten."

    In den letzten Jahren mussten sich die Studierenden in Deutschland ans Bezahlen gewöhnen. Doch heute wird in Bonn ausnahmsweise einmal Geld verschenkt, und zwar den ausländischen Studierenden des Instituts, die nicht aus der EU stammen. Drei von ihnen sind persönlich gekommen. Christine Eismann von Arbeitskreis Hochschulpolitik drückt jedem einen weißen Briefumschlag mit 60 Euro in die Hand, eingespielt durch Glühwein- und Waffelverkauf. "Geld zurück für Gerechtigkeit", so das Motto der Protestaktion. Mitstreiterin Miriam Wenner erklärt, worum es dem Arbeitskreis geht:

    "Selbst wenn das Rektorat, wenn der Senat oder jetzt der Hochschulrat, wenn die sagen, diese Betreuungsgebühr ist sinnvoll, wollen wir zeigen, dass wir, die Studenten-Basis hier im Institut das überhaupt nicht sinnvoll finden. Und das wollen wir heute ganz öffentlich zeigen."

    Indem sie ihren ausländischen Kommilitonen einen symbolischen Teilbetrag der Betreuungsgebühr zurückerstatten. Die Betreuungsgebühr, das sind 300 Euro pro Kopf und Jahr. Eine Seltenheit an deutschen Hochschulen, gezahlt ausschließlich von Nicht-EU-Ausländern und ermöglicht durch einen Paragraphen im NRW-Hochschulfinanzierungsgesetz. Als Gegenleistung bietet die Uni Bonn Seminare an, die Ausländern das Studium erleichtern sollen. Darunter Sprachkurse, Schreibtraining und Studienstrategiekurse, erklärt Andreas Archut, Pressesprecher der Uni Bonn:

    "In den Studienstrategiekursen helfen wir den ausländischen Studierenden den Start ins Studium zu finden, sich besser zu organisieren, Mitschriften anzufertigen, weil nicht alle, die hierher kommen, die selben Voraussetzungen haben wie ihre deutschen Kommilitonen und viele Studientechniken im Ausland so nicht verbreitet sind."

    Nur vier von 10 ausländischen Studierenden schließen ihr Studium erfolgreich ab, sagt Andreas Archut. Da klingt das neue Betreuungsangebot auf den ersten Blick sinnvoll. Doch die Erfahrungen in den Fakultäten geben ein anderes Bild ab, sagt Christine Eismann vom Arbeitskreis der Geographen:

    "Es gibt drei Sprechstunden, wo sie hingehen könnten, wenn sie Probleme haben. Dort war noch nie jemand. Und zusätzlich haben wir noch Tutorien angeboten in diesem Semester, zum wissenschaftlichen Schreiben und Präsentieren und wo halt auch Fragen gestellt werden können. Da war einmal eine Studentin da."

    Dabei hört sie von ihren ausländischen Kommilitonen, dass sie das Kursangebot durchaus attraktiv finden. Doch vielen scheint die Zeit dafür zu fehlen. Das geht auch Inna Bludova so. Die 22-Jährige stammt aus der Ukraine und finanziert ihr Studium selbst. Abends nach der Arbeit fällt sie oft todmüde ins Bett:

    "Wenn ich noch diese anderen Kurse besuche, dann habe ich überhaupt keine Zeit für meine Prüfungen und Klausuren. Deswegen finde ich es total sinnlos."

    Für Studierende wie Inna beißt sich die Katze in den Schwanz: Um die insgesamt 850 Euro für Studien- und Sozialgebühren sowie den Betreuungsbeitrag aufzubringen, müssen sie noch mehr arbeiten. So bleibt am Ende noch weniger Zeit für das neue Kursangebot. Bei einigen sind die 150 Euro der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, sagt auch Dagmar Müller, Pfarrerin in der Evangelischen Studentengemeinde der Uni Bonn, ESG:

    "Die ESG hat tagtäglich mit Studierenden zu tun, die gezwungen sind, ihr Studium abzubrechen, weil sie es einfach mit dieser 90-Tage-Arbeitserlaubnis nicht mehr finanzieren können. Wenn sie ihr Studium abbrechen, ist es so, dass sie ihr Studienvisum verlieren und damit zum Teil in die Illegalität gedrängt werden beziehungsweise ganz offen von Abschiebung betroffen sind. Und das ist einfach dramatisch. Gerade letzte Woche hatte ich eine Kolumbianerin, die jetzt einfach von Bonn nach Berlin wechselt, weil sie das Studium hier nicht mehr finanzieren kann."

    Für diese Studierenden dürfte die Sicht der Bonner Uni wie Hohn klingen:

    "Ausländische Studierende, die zu uns kommen, mussten vorab gegenüber den Ausländerbehörden, nicht gegenüber der Universität, versichern, und glaubhaft versichern, dass sie sich ein Studium hier in Deutschland leisten können. Von daher dürfte es eigentlich keine finanziellen Gründe geben, die hier für Schwierigkeiten sorgen."

    Allerdings räumt auch Andreas Archut ein, das neue Angebot sei "verbesserungsfähig". Dazu zählt, dass die Uni ein Stipendiensystem für besonders bedürftige Studierende plant, deutsche wie ausländische. Und im Herbst 2009 entscheidet der Senat ohnehin noch einmal über die Zukunft des Betreuungsbetrags - wie über die Hochschulgebühren generell. Kritiker sagen, die 150 Euro wirken abschreckend auf ausländische Studierende. Andreas Archut ist vom Gegenteil überzeugt:

    "Ich glaube, dass es ein Standortvorteil wird mittelfristig, dass an der Universität Bonn gezielt die Gruppe der ausländischen Studierenden unterstützt wird und dass der Studienerfolg hier demnächst sehr viel höher sein wird als an anderen Standorten. Und das wird dazu führen, dass mehr Ausländer hierher kommen."

    Inna Bludova ist weniger optimistisch. Und auch ihre usbekische Kommilitonin Alexandra Kovalenko meint, solange es noch kein Stipendiensystem gebe, beeinflusse die Sondergebühr die Wahl des Studienorts:

    "Die Studenten sind wie die Kunden geworden, man guckt, wo welche Angebote sind, wo es teurer ist, wo billiger, und man versucht natürlich die Angebote zu nehmen, die billiger sind. Das ist normal, das ist ja menschlich."