Koldehoff: Die Idee hat der Chemnitzer Archäologe Leo Schmidt aufgebracht. Möglich wäre das theoretisch. Schließlich hat sich die polnische Regierung auch erfolgreich für eine Aufnahme des KZ-Geländes in Auschwitz eingesetzt, ohne dass das eine dadurch mit dem anderen verglichen werden sollte. 754 Eintragungen gibt es zur Zeit auf der Liste. Frage an Christine Merkel, die Kulturreferentin der Deutschen UNESCO-Kommission: Wäre denn überhaupt noch Platz für die Berliner Mauer? Passt sie drauf?
Merkel: Also, das Thema hat zwei Seiten: Das eine ist, dass der erste Schritt dafür eigentlich ist, dass der Berliner Senat eine Willensbildung herbeiführt, ob er sich intensiv und pfleglich mit diesem Thema befassen will oder nicht, weil das Bundesland die einzige Autorität ist, die das erste Vorschlagsrecht hat. Der zweite Aspekt ist, dass jedes Mitgliedsland, darunter auch Deutschland, der UNESCO eine so genannte Vorschlagsliste überreicht. Das wird hier in Abstimmung mit allen 16 Bundesländern gemacht und durch das Auswärtige Amt dann an die UNESCO übermittelt. Das letzte Mal hat man das 1998 gemacht mit Vorschlägen, die bis ungefähr 2012, 2013 sukzessiv abgearbeitet werden. Darunter ist auch ein Vorschlag aus Berlin zum Beispiel.
Koldehoff: So lange sind Sie auf jeden Fall jetzt erst mal beschäftigt, die bisherigen Vorschläge abzuarbeiten.
Merkel: Richtig. Insofern sind jetzt neue Ideen, wie auch die Mauer-Idee, die jetzt ins Gespräch gebracht wird, Themen, die ab 2012 überhaupt an die Reihe kämen, wenn das innenpolitisch gewünscht ist.
Koldehoff: Was hätte das alles denn eigentlich außer dem politischen Effekt, die Mauer noch einmal ins Bewusstsein zu rücken, praktisch für Auswirkungen? Gibt es Fördermittel? Gibt es Denkmalschutzmittel, die die UNESCO vergibt? Hätte das Land Berlin auch ganz praktisch was davon, wenn die Mauer auf die Liste käme?
Merkel: Die Welterbeliste ist ein bisschen eine Ehrenauszeichnung. Auch alle anderen 27 deutschen Städte, die darauf schon stehen, können keine finanziellen Zuwendungen von der UNESCO erwarten. Das ist auch nicht der Sinn dieser Liste. Der Sinn ist eine Selbstverpflichtung zur Erhaltung. Das heißt, wenn man einen solchen Antrag stellt, macht man gleichzeitig auch Aussagen, was man in den nächsten zehn Jahren tun wird, um die Kulturstätte, die Naturstätte, die Kulturlandschaft entsprechend pfleglich zu erhalten, aber sie auch dem Publikum zugänglich zu machen und solche Dinge. Das heißt, es ist wirklich im Kern eine Selbstverpflichtung, die sehr geschätzt ist, weil es sehr viel Aufmerksamkeit bringt und auch sehr viel Resonanz.
Koldehoff: Aber die Berliner Mauer ist ja noch kein historisches Bauwerk, die Auseinandersetzung noch gar nicht abgeschlossen. Würde so was denn überhaupt auf die Liste kommen können?
Merkel: Wichtig ist, dass die UNESCO-Konvention ja sechs Kriterien für Kulturgüter angibt, um die Mitgliedsstaaten zu orientieren, diese Entscheidung zu treffen: Was ist überhaupt nominierbar und was nicht? Da gibt es besonders ein Kriterium. Das ist ein sehr allgemein formuliertes Kriterium: Bauwerke, die mit Ereignissen zusammenhängen, die von außergewöhnlicher universeller Bedeutung sind. Man hat aber gesagt, das ist ein Kriterium, das man nur sehr, sehr sparsam und unter außergewöhnlichen Umständen anwenden sollte. Es gibt zwei interessante Beispiele, wo das angewandt worden ist: Südafrika hat die Gefangeneninsel Robin Island nominiert. Sie ist 1999 auf die Liste genommen worden als Symbol einer sehr harten Unterdrückung, aber auch als Symbol des menschlichen Hungers nach Freiheit und Demokratie, also auch der Überwindung dieser Lage. Auch die japanische Regierung hatte eine ähnliche Entscheidung getroffen. Man hat das Hiroshima-Friedensmahnmal nominiert. Das wurde 1996 aufgenommen. Unter Bezug auf dieses Kriterium eben auch als Symbol für unglaubliche Destruktivität und Hoffnung nach Frieden.
Koldehoff: Wer entscheidet denn dann letztlich, wenn so ein Antrag begründet vorliegt.
Merkel: Das entscheidet das Welterbe-Komitee. Darin sitzen gewählte Vertreter aller UN-Regionen. Das ist ein Gremium, das einmal im Jahr diese Anträge prüft. Da findet auch eine fachliche Begutachtung statt. Das ist ein sehr intensiver Arbeitsprozess. In der Regel geht das zwei, drei Jahre. Da werden sehr viele Aspekte beraten, geprüft. Also, das ist schon eine substanzielle Geschichte und nicht einfach mal so schnell eine Nominierung.
Koldehoff: Christine Merkel, Kulturreferentin der Deutschen UNESCO-Kommission zu den Vorschlägen, die Berliner Mauer auf die Liste des Weltkulturerbes zu setzen.
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Merkel: Also, das Thema hat zwei Seiten: Das eine ist, dass der erste Schritt dafür eigentlich ist, dass der Berliner Senat eine Willensbildung herbeiführt, ob er sich intensiv und pfleglich mit diesem Thema befassen will oder nicht, weil das Bundesland die einzige Autorität ist, die das erste Vorschlagsrecht hat. Der zweite Aspekt ist, dass jedes Mitgliedsland, darunter auch Deutschland, der UNESCO eine so genannte Vorschlagsliste überreicht. Das wird hier in Abstimmung mit allen 16 Bundesländern gemacht und durch das Auswärtige Amt dann an die UNESCO übermittelt. Das letzte Mal hat man das 1998 gemacht mit Vorschlägen, die bis ungefähr 2012, 2013 sukzessiv abgearbeitet werden. Darunter ist auch ein Vorschlag aus Berlin zum Beispiel.
Koldehoff: So lange sind Sie auf jeden Fall jetzt erst mal beschäftigt, die bisherigen Vorschläge abzuarbeiten.
Merkel: Richtig. Insofern sind jetzt neue Ideen, wie auch die Mauer-Idee, die jetzt ins Gespräch gebracht wird, Themen, die ab 2012 überhaupt an die Reihe kämen, wenn das innenpolitisch gewünscht ist.
Koldehoff: Was hätte das alles denn eigentlich außer dem politischen Effekt, die Mauer noch einmal ins Bewusstsein zu rücken, praktisch für Auswirkungen? Gibt es Fördermittel? Gibt es Denkmalschutzmittel, die die UNESCO vergibt? Hätte das Land Berlin auch ganz praktisch was davon, wenn die Mauer auf die Liste käme?
Merkel: Die Welterbeliste ist ein bisschen eine Ehrenauszeichnung. Auch alle anderen 27 deutschen Städte, die darauf schon stehen, können keine finanziellen Zuwendungen von der UNESCO erwarten. Das ist auch nicht der Sinn dieser Liste. Der Sinn ist eine Selbstverpflichtung zur Erhaltung. Das heißt, wenn man einen solchen Antrag stellt, macht man gleichzeitig auch Aussagen, was man in den nächsten zehn Jahren tun wird, um die Kulturstätte, die Naturstätte, die Kulturlandschaft entsprechend pfleglich zu erhalten, aber sie auch dem Publikum zugänglich zu machen und solche Dinge. Das heißt, es ist wirklich im Kern eine Selbstverpflichtung, die sehr geschätzt ist, weil es sehr viel Aufmerksamkeit bringt und auch sehr viel Resonanz.
Koldehoff: Aber die Berliner Mauer ist ja noch kein historisches Bauwerk, die Auseinandersetzung noch gar nicht abgeschlossen. Würde so was denn überhaupt auf die Liste kommen können?
Merkel: Wichtig ist, dass die UNESCO-Konvention ja sechs Kriterien für Kulturgüter angibt, um die Mitgliedsstaaten zu orientieren, diese Entscheidung zu treffen: Was ist überhaupt nominierbar und was nicht? Da gibt es besonders ein Kriterium. Das ist ein sehr allgemein formuliertes Kriterium: Bauwerke, die mit Ereignissen zusammenhängen, die von außergewöhnlicher universeller Bedeutung sind. Man hat aber gesagt, das ist ein Kriterium, das man nur sehr, sehr sparsam und unter außergewöhnlichen Umständen anwenden sollte. Es gibt zwei interessante Beispiele, wo das angewandt worden ist: Südafrika hat die Gefangeneninsel Robin Island nominiert. Sie ist 1999 auf die Liste genommen worden als Symbol einer sehr harten Unterdrückung, aber auch als Symbol des menschlichen Hungers nach Freiheit und Demokratie, also auch der Überwindung dieser Lage. Auch die japanische Regierung hatte eine ähnliche Entscheidung getroffen. Man hat das Hiroshima-Friedensmahnmal nominiert. Das wurde 1996 aufgenommen. Unter Bezug auf dieses Kriterium eben auch als Symbol für unglaubliche Destruktivität und Hoffnung nach Frieden.
Koldehoff: Wer entscheidet denn dann letztlich, wenn so ein Antrag begründet vorliegt.
Merkel: Das entscheidet das Welterbe-Komitee. Darin sitzen gewählte Vertreter aller UN-Regionen. Das ist ein Gremium, das einmal im Jahr diese Anträge prüft. Da findet auch eine fachliche Begutachtung statt. Das ist ein sehr intensiver Arbeitsprozess. In der Regel geht das zwei, drei Jahre. Da werden sehr viele Aspekte beraten, geprüft. Also, das ist schon eine substanzielle Geschichte und nicht einfach mal so schnell eine Nominierung.
Koldehoff: Christine Merkel, Kulturreferentin der Deutschen UNESCO-Kommission zu den Vorschlägen, die Berliner Mauer auf die Liste des Weltkulturerbes zu setzen.
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