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Solo für Buck

Seine Mutter gab ihrem Sohn mit den grün-blauen Augen den Spitznamen "Buck" – wie die wild herumtollenden Indianerjungen aus Kansas. Buck lernte rasch hintereinander Klavier und Trompete spielen - und avancierte zu einem der größten Solisten des Mainstreamjazz.

Von Karl Lippegaus | 12.11.2011
    "Die erste Platte meines Lebens machte ich mit Teddy Wilson am Klavier, für Billie Holiday, sie sang 'Why Was I Born'. Wenn Billie sang, beobachtete ich ihren Mund, und wenn ich sah, dass sie Luft holen würde, ergänzte ich mit der Trompete ihren Ausdruck."

    Der Mann war wie sein Trompetenspiel: elegant und beseelt, makellos und anschmiegsam.

    "Dies ist meine Story, die Story eines Jazzmusikers."

    So beginnt seine Autobiografie, die er 1986 veröffentlichte. Alles hatte begonnen am 12. November 1911 in Parsons, einem verschlafenen Nest im US-Bundesstaat Kansas. Wilbur Clayton war wie Amerika – und wie der Jazz: schwarzes, kreolisches, französisches und indianisches Blut floss in seinen Adern. Seine Mutter gab ihrem Sohn mit den grün-blauen Augen den Spitznamen "Buck" – wie die wild herumtollenden Indianerjungen. Buck kam aus einer musikalischen Familie und lernte rasch hintereinander Klavier und Trompete spielen.

    "Eine Trompete konnte man mit raus aufs Feld nehmen und dort ganz alleine darauf spielen. ... Eines Abends, als es die ersten Radios gab, ging ich über die Belmont Avenue in Parsons und hörte Jazzmusik aus dem Haus einer Lady. Sie hatte die Fenster geöffnet. Wie angewurzelt blieb ich stehen und hörte mir das an."

    Es war ein Sender aus einem Hotel in Kansas City – der Stadt, in der Buck Clayton mit der Count-Basie-Band berühmt werden sollte. Bis zur Begegnung Bucks mit Basie war es jedoch ein langer steiniger Weg. Der junge Buck fuhr auf Güterzügen mit den Hobos an die Westküste und strandete in Los Angeles. Er arbeitete schon damals hart, um zu überleben: in Autowerkstätten oder in Billardsälen, wo er die Spucknäpfe säubern musste. In LA erlebt er zum ersten Mal Louis Armstrong.

    "Ich hatte noch nie jemanden mit soviel Seele, soviel Ausdruck spielen gehört."

    Nicht nur im Jazz, auch beim Film war der smarte, elegante Buck Clayton gefragt. Doch bald musste er feststellen, dass er als Schwarzer kaum Chancen auf eine Karriere hatte. In den von skrupellosen Gangstern kontrollierten Jazzklubs ging es rau her, am Wochenende floss Blut.

    ""Manchmal wurde es plötzlich so still, dass man eine Maus auf Baumwolle pissen hörte."

    Diplomatisch und umsichtig zog er sich stets aus der Affäre und blieb am Leben.

    "Bandleader ist ein harter Job. Die Anderen wählten mich dafür, weil ich mit den Jungs konform ging. Ich war einzig und allein Musiker – es gab keinen anderen Weg."

    In der Zeit nach der großen Wirtschaftskrise stürzte der 23-Jährige sich mit seiner Band für zwei Jahre ins boomende Vielvölker-Gemisch von Shanghai.

    "Es waren die glücklichsten Jahre meines Lebens."

    Nach seiner Militärzeit gehörte Buck Clayton 1946 zu den ersten Stars von "Jazz at the Philharmonic", der berühmten Veranstaltungsreihe des Promoters Norman Granz, trat in der New Yorker Carnegie Hall auf und wurde einer der größten Solisten des Mainstream-Jazz. Es folgten zahlreiche Tourneen durch Europa, Südamerika, Japan und Australien. Besonders in England und Frankreich feierten die Fans den Trompeter.
    Mit 40, 50 Jahren steigerte Buck noch immer sein Können, bis er ernsthaft erkrankte.

    "Ich hatte so viele physische Probleme vor circa zwei Jahren, dass ich nichts mehr tun konnte außer zu Hause zu bleiben, abzuwarten und mich auszuruhen. Das tat ich sechs Monate lang, ich schaute den ganzen Tag fern oder ging ein Bier trinken. Aber das war ich bald leid und bewarb mich um einen Bürojob bei der Musikergewerkschaft."

    Nach etlichen Operationen lernte er mühsam wieder spielen. Doch seine grün-blauen Augen verrieten eine Trauer über eine versunkene glanzvolle Jazz-Ära. Am 8. Dezember 1991 ist Buck Clayton in New York gestorben.