Donnerstag, 28. März 2024

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Solodebüt von Theresa Wayman
"Es geht um Selbstliebe und Selbstermächtigung"

Theresa Wayman, Sängerin und Gitarristin der Indierockband Warpaint, hat sich unter dem Pseudonym TT an ein Soloalbum gewagt. Mit 37 kann man einen Neuanfang machen, stellt sie fest, und dass Kitsch - genau wie ein schlechter Sound - seine Reize hat. "Perfektion ist nicht das Ziel", so Wayman im Dlf.

Theresa Wayman im Interview mit Christoph Reimann | 26.05.2018
    Theresa Wayman alias TT steht an einem Fenster mit geschlossener Jalousie und einer Rose im Mund
    Theresa Wayman alias TT wurde bekannt als Sängerin und Gitarristin der Band Warpaint (Delaram Pourabdi)
    Christoph Reimann: Gleich im ersten Song des neuen Albums, im Titel "Mykki", gibt es einen Sound, der sich anhört wie ein Störgeräusch, wie er manchmal entsteht, wenn man Musik in minderwertige MP3s umwandelt. Sie verwenden diesen hässlichen Klang aber als eine Ästhetik und machen daraus etwas Schönes.
    Theresa Wayman: Ich mag es, wenn sich Dinge schlecht anhören. Nicht, dass ich mich bewusst für so einen MP3-Klang entschieden hätte, aber zu clean - das mag ich generell nicht. Ich möchte, dass sich meine Musik nach Underground anhört. Perfektion ist nicht das Ziel. Denn es geht um den Ausdruck eines Gefühls. Das ist mir wichtig, wahrscheinlich tauchen deshalb auch einzelne Störelemente in meinen Songs auf.
    Reimann: Ihre Stammband Warpaint ist so gar keine Underground-Band mehr. Haben Sie denn das Gefühl, mit Ihrem Solodebüt wieder näher am Ursprung, dem Underground, zu sein?
    Warpaint auf dem Barclaycard British Summertime Festival in London.
    Die Band Warpaint mit Sängerin Wayman - das Solodebüt fühle sich für sie wie ein Neuanfang an. (imago stock&people)
    Wayman: Ja, auf gewisse Weise fühlt es sich wie ein Neuanfang an. Natürlich habe ich schon ein gewisses Publikum, auf dem ich aufbauen kann. Aber es werden sich höchstwahrscheinlich nicht so viele Leute für dieses Album interessieren wie für eine Warpaint-Platte. Ich mag es, ein bisschen feinsinniger und schräger zu sein. Aber ich glaube, es gibt durchaus ein paar Popelemente auf diesem Album. Zum Beispiel, was die Texte angeht. Da wollte ich - wie das ja in vielen Popsongs ist - sehr direkt und offen sein.
    Hass, Wut oder Liebe treiben die Leute an
    Reimann: Und das Thema ist die Liebe, oder?
    Wayman: Ahem.
    Reimann: Aber nicht nur die romantische Liebe zwischen zwei Menschen, sondern zum Beispiel auch die Liebe zwischen einer Mutter und ihrem Sohn.
    Wayman: Naja, ich glaube, das ist etwas durcheinander gegangen im Presseanschreiben. Denn auf diesem Album gibt es keinen Song, den ich speziell für meinen Sohn geschrieben habe. Es existieren zwar Songs, aber keiner davon ist auf diesem Album. Aber ich glaube, die Tatsache, dass ich Mutter bin, dass ich diese bedingungslose Liebe für jemanden spüre - das gibt mir die Möglichkeit, Menschen anders zu betrachten.
    Ich weiß zum Beispiel sehr genau, was ich von einer Beziehung erwarte. Auf dem Album gibt es ein paar Songs, die das Ende einer Beziehung thematisieren, Liebesfantasien, die Liebe zwischen Freunden. Es geht um Selbstliebe und Selbstermächtigung. Es gibt aber auch einen Song über eine flüchtige Bekanntschaft, die keine Zukunft hat, weil die beiden Liebenden nicht in derselben Stadt wohnen.
    Reimann: Haben Sie Recherchen unternommen für dieses Album, zum Beispiel die "Fragmente einer Sprache der Liebe" von Roland Barthes gelesen, oder handelt es sich ganz um persönliche Erfahrungen?
    Wayman: Persönliche Erfahrungen.
    Reimann: Das Album heißt "LoveLaws". Gibt es denn so etwas wie die Gesetze der Liebe? Haben Sie etwas gelernt von der intensiven Beschäftigung mit der Liebe?
    Wayman: Ja.
    Reimann: Was?
    Wayman: Zuerst einmal habe ich festgestellt, dass ich eine romantische Seite an mir habe, mit der ich lange nicht zurechtkam. Ich hatte das Gefühl, nur wieder eines dieser Frauen-Klischees zu erfüllen, nämlich vom Märchenprinzen zu träumen. Ich dachte, ich müsste unbedingt unabhängiger sein. Tatsächlich war ich das aber nie. Dieser Hang zur Romantik gehört schon sehr lange zu mir. Schließlich habe ich entschieden, diese Seite an mir anzunehmen und über dieses Thema zu schreiben.
    Bei Warpaint habe ich eigentlich nie über die Liebe geschrieben. Aber nachdem ich das nun gemacht habe, kann ich meine Gefühle besser verstehen und fühle mich - paradoxerweise - nicht mehr so abhängig, nicht mehr so kontrolliert von ihnen. Und was ich sonst noch gelernt habe? Die Liebe ist das Gesetz, das uns alle zusammenhält. Sie ist es, die uns antreibt, und als Spezies. Im Moment gibt es so viel Hass und Wut und Angst - auch das treibt die Leute an. Und das Gegenteil davon ist die Liebe.
    Liebe zu kitschigen Songs
    Reimann: Wer über die Liebe schreibt, läuft auch immer Gefahr, banal oder kitschig zu klingen. Auf Ihre Musik trifft das aber gar nicht zu. Die ist die meiste Zeit ziemlich cool und Sie klingen manchmal sogar ein wenig distanziert. Der letzte Song auf dem Album zum Beispiel, "Too Sweet", hat eine sehr schönen, romantischen Text. Aber mit der Musik durchbrechen Sie die Lieblichkeit. Ist das bewusst so angelegt? Denken Sie über so etwas nach?
    Wayman: Ich glaube, es geht mir immer um eine natürlich Balance. Manchmal, wenn mir eine Textzeile unangenehm war, hatte ich schon das Gefühl, etwas anderes dagegen setzen zu müssen. Und es gab auf jeden Fall Momente, in denen mich die Texte regelrecht angeekelt haben. Da dachte ich mir: Meine Güte, halt bloß die Klappe. Etwa wenn ich darüber singe, jemandem in die Augen zu schauen. Es passiert so schnell, dass man rührselig oder kitschig klingt. Ich habe mein Bestes versucht, den Kitsch so gut es geht zu vermeiden. Aber es gibt gleichzeitig auch so viele kitschige Songs, die ich liebe.
    Reimann: Zum Beispiel? Nennen Sie einen!
    Wayman: Ich wusste, dass da kommt. Ich denke da zum Beispiel an Songs von Al Green... (singt auf Englisch ein paar Zeilen aus "Let’s Stay Together") Das ist nicht besonders tiefgründig, aber gleichzeitig steckt ja doch eine Menge drin. Der Text ist so einfach: "Mit allem, was du machen willst, bin ich einverstanden." Das ist noch nicht mal besonders kitschig.
    Es gibt ja viele Songs, die dieselbe Aussage haben. Und die Musik dahinter verstärkt, was der Sänger oder die Sängerin fühlt. Und diese einfachen Worte zu jemandem zu sagen, diese Gefühle überhaupt erst zu haben, ist unglaublich. Manchmal muss man sich davon verabschieden, besonders clever rüberkommen zu wollen. Manchmal muss man einfach sehr direkt sein ...
    Reimann: Aufrichtig sein.
    Wayman: Ja, und vielleicht ist das dann ein bisschen kitschig. Manchmal fühlt es sich kitschig an, ich liebe dich zu sagen. Aber es ist wichtig, dass man es tut.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.