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Somba und Kouri auf Eis

Biologie. - Das Verschwinden vieler einheimischer Haustierrassen in Afrika halten viele Entwicklungsexperten für einen gefährlichen Trend. Doch wie verändert sich die Zusammensetzung der Herden wirklich? Und wie könnte man gegensteuern? Diesen Fragen geht ein von Europa, vor allem Frankreich gefördertes Institut in Burkina Faso nach.

von Grit Kienzlen |
    Sie heißen Ndama, Kouri, Lagoon Rind, Zebu Azawak oder Zebu Bororo. Die Rinderrassen Westafrikas beeindrucken durch ihre Namen mindestens genauso wie durch ihre Erscheinung. Es gibt große und kleine Rassen, solche mit riesigen geschwungenen Hörnern oder mit kurzen gekrümmten. Sie sind schneeweiß, braun oder schwarz mit hohen Höckern oder ohne. Desire Bellemsaga vom westafrikanischen Agrar-Forschungsinstitut CIRDES in Burkina Faso hat nun die erste Bestandsaufnahme der Rinder in sieben Ländern Westafrikas vorgenommen.
    So haben wir 13 lokale Rassen in dieser Zone identifizieren können und neun exotische Rassen, das heißt Rassen, die aus Europa eingeführt wurden. Und dann haben wir natürlich noch Kreuzungen zwischen all diesen Rassen. Das eigentliche Problem ist im Moment, dass unsere Rassen im Verschwinden begriffen sind, weil die Züchter sich in Europa oder Amerika Samen von Zuchtbullen besorgen und damit Kreuzungen mit den lokalen Rassen vornehmen. Am Ende wird es nur noch Mischlingsrinder geben und wir werden nicht mehr wissen, was unsere eigentlichen Rassen waren.

    Desire Bellemsaga hat bei seiner Inventarisierung nicht nur die charakteristischen äußerlichen Merkmale der Tiere festgestellt, sondern auch die Eigenschaften notiert, die ihnen ihre Halter zuschreiben; hat ihr Blut untersucht und schließlich gar Mikrosatelliten-DNA analysiert, das heißt er hat jetzt einen typischen genetischen Fingerabdruck jeder Rasse. Bei diesen Arbeiten hat der junge afrikanische Forscher auch bemerkt, dass das Pabli Rind aus Benin mittlerweile verschwunden ist. Somba, Kouri und Lagoon Rind sind vom Aussterben bedroht, während sich die verschiedenen Zebu-Rassen ausbreiten.

    Als diese Rassen müssen gut studiert und ihre besonderen Eigenschaften identifiziert werden, damit man sie vor der genetischen Invasion von außen retten kann. Ich muss aber hinzufügen, dass am Schmelztiegel unserer Rassen nicht nur die Tiere aus Europa Schuld sind. Unsere Züchter haben auch selbst Praktiken, die sich unheilvoll auf die Erhaltung der reinen Rassen auswirken.

    Dabei denkt Bellemsaga vor allem an Zuchtpraktiken in den Gegenden, wo die Schlafkrankheit, Trypansomosis verbreitet ist. Die ursprünglichen Rassen dieser Region sind klein, aber widerstandsfähig gegen die von Tsetse-Fliegen übertragenen Parasiten. Die Züchter neigen nun dazu, größere aber empfindlichere Zebu-Rassen einzukreuzen in der Hoffung dabei die Widerstandskraft gegen die Schlafkrankheit aus den eigenen Rassen zu erhalten. Doch dadurch verschwinden diese widerstandsfähigen Tiere in ihrer reinrassigen Form. Prof. John Gibson vom Internationalen Züchtungsforschungsinstitut in Nairobi möchte gerne alle Nutztierrassen von Afrika erfassen, bevor immer mehr dieses Schicksal trifft. Doch was nutzt Wissen über eine verschwundene Rasse?

    Die Informationen über eine ausgestorbene Zuchtform sind offensichtlich nicht nur von historischem sondern auch von praktischem Interesse. Einerseits würden wir hoffen - und das hat sich schon öfter gezeigt - dass allein der Prozess der Dokumentation Aufmerksamkeit richtet auf den Wert von etwas, die Nutztierrassen in diesem Fall. Das verbessert die Chancen dass jemand Maßnahmen zum Schutz ergreift.

    John Gibson stellt sich eine internationale Initiative für ein Nutztierrassen-Register vor, das dann alle Staaten Afrikas nutzen könnten. Allerdings ist er Realist genug, um sich auf diese Hoffnung nicht zu verlassen. Deshalb regt er an, erneut darüber nachzudenken, Gewebe, Eizellen und Spermien der verschwindenden Rassen tief zu gefrieren um so zumindest die genetische Information der Tiere zu erhalten. Vor 12 Jahren hatte sich die internationale Gemeinschaft geeinigt, dass so ein Unterfangen zu teuer wäre und das wieder auftauen und wieder beleben einer Rasse utopisch. Aber der britischstämmige Züchtungsforscher aus Nairobi meint:
    Jetzt ist die Zeit gekommen, diese Frage wieder aufzugreifen, denn in den vergangenen 12 Jahren gab es große technische Fortschritte beim Chryo-konservieren von Gewebe und Keimzellen. Die Kosten sind damit herunter gegangen, während die Bedrohung der genetischen Ressourcen von Nutztieren zum Teil dramatisch zugenommen hat.

    Für den kommenden Sommer plant Gibson eine internationale Konferenz mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO dazu.