Freitag, 19. April 2024

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Sommermärchen-Gutachten
Ablenkung vom Fall Infantino?

Gianni Infantino ist unschuldig, Franz Beckenbauer ist schuldig. Zu diesen Schlüssen kommt die Chefermittlerin der FIFA-Ethikkomission in zwei Gutachten. Das Gutachten zur Sommermärchen-Affäre könne aber nur dazu dienen, vom Fall Infantino abzulenken, so SZ-Journalist Thomas Kistner.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl | 19.09.2020
Gianni Infantino schaut bei einer Pressekonferenz skeptisch.
FIFA-Boss Gianni Infantino (Zhou Junxiang/picture alliance/dpa)
Die Chefermittlerin der Fifa-Ethikkommission, Maria Claudia Rojas, hat in den vergangenen Wochen zwei Gutachten vorgelegt. Das erste Gutachten spricht Fifa-Boss Gianni Infantino von den Vorwürfen der Schweizer Bundesanwaltschaft frei, er habe bei geheimen Treffen mit FIFA-Chefermittler Michael Lauber Amtsmissbrauch betrieben. Das zweite Gutachten lüftet vermeintlich das Geheimnis um die Sommermärchen-Affäre. Demnach habe der damalige Chef des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, den Skandalfunktionäre Mohammed bin Hammam mit zehn Millionen Schweizer Franken bestochen, um einen Zuschuss für das Organisationskomitee in Höhe von 250 Millionen Franken herauszuschlagen.
Kistner: "Klingt nicht durchdacht"
Das erscheine jedoch eher absurd, sagte Thomas Kistner, Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung" im Dlf. "Warum sollte Beckenbauer einen Millionenkredit auf sein eigenes Vermögen aufgenommen haben, bloß um einem schwerreichen Geschäftsmann noch mehr Schmiergeldmillionen zuzuschanzen?" Vor allem habe Deutschland sich zum Zeitpunkt der Überweisung habe Deutschland sich den Zuschuss bereits vertraglich gesichert. Das klinge "so wie vieles in der Fifa nicht durchdacht", so Kistner.
Vielmehr sollten beide Reports ein Befreiungsschlag für Infantino sein, so Kistner. Der erste Report, in denen es um die Geheimtreffen mit Lauber ging, sollte ihn entlasten. Der zweite Report zur Sommermärchen-Affäre könne nun von dem Thema Infantino ablenken.
Konterfei Franz Beckenbauer
FIFA geht von Bestechung durch Beckenbauer aus
Seine Ermittlungen zur Sommermärchen-Affäre beendete das Komitee in aller Stille – dabei beinhaltet der an die Betroffenen geschickte Abschluss-Bericht jede Menge Zündstoff.
"Ich glaube, da hat die Fifa die Rechnung ohne den Sonderermittler gemacht", sagte Kistner. Dieser Sonderermittler ist Stefan Keller. Er war es, der ein Strafverfahren gegen Infantino einleitete. "Für Keller wird es von großer Bedeutung sein, wenn er möglichst rasch beide Reports von Rojas an sich zieht", sagte Kistner. Aus dem Report zu Infantino könne Keller erfahren, wie sauber Rojas wirklich gearbeitet habe.
Keller könnte nun alle Akten anfordern, inklusive aller Übersetzungen. Denn Rojas spreche laut Kistner weder Deutsch, noch Französisch noch Englisch. "Dann lässt sich feststellen, inwieweit Rojas das selbst geführt hat und auf welcher Dokumentengrundlage. Rojas hat den Report unterzeichnet. Dann kann man sich auf ein Bild darüber machen, wie es um hochbezahlte Arbeit dieser angeblich unabhängigen Aufpasser bestellt ist – und damit wie es um die Frage der Geschäftstreuer FIFA-intern bestellt ist."