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"Sommermärchen-Prozess"
Schweizer Bundesanwalt im Visier

Der "Sommermärchen-Prozess" in der Schweiz ist wegen Verjährung geplatzt. Dubiose Zahlungen von Millionenbeträgen können nun nicht mehr verfolgt werden. Doch Treffen von FIFA-Boss Infantino mit dem Schweizer Bundesanwalt könnten zu dessen Amtsenthebung führen.

Von Dietrich Karl Mäurer | 29.04.2020
Foto vom oberste Strafermittler der Schweiz, Michael Lauber, bei einer Pressekonferenz durch zwei Journalisten hindurch
Wie nah steht der oberste Strafermittler der Schweiz, Michael Lauber, FIFA-Chef Gianni Infantino? (picture alliance / dpa / Marcel Bier)
Er habe "im Kern ein falsches Berufsverständnis" – so schrieb bereits im März die Aufsichtsbehörde über die Schweizer Bundesanwaltschaft in ihrem im Rahmen eines Disziplinarverfahrens erstellten Untersuchungsberichts über Michael Lauber und kürzte ihm wegen erheblicher Pflichtverletzungen den Lohn.
Der oberste Schweizer Ermittler, der eigentlich die Ungereimtheiten rund um den Weltfußballverband FIFA aufklären sollte, hat offenbar den nötigen Abstand nicht gewahrt. Mit FIFA-Boss Gianni Infantino ist er zu nicht protokollierten Geheimtreffen zusammengekommen. Doch damit nicht genug: Nach sich jahrelang hinschleppenden Ermittlungen unter Leitung des Bundesanwalts platzte nun an Montag wegen Verjährung der sogenannte Sommermärchenprozess gegen ehemalige Fußballfunktionäre des DFB und der FIFA.
Sommermärchen-Prozess - Ein Skandal für die Schweizer Justiz
Der Prozess um die dubiose Vergabe der Fußball-WM 2006 ist verjährt. Der Vorgang ist für die Schweizer Justiz ein Skandal, kommentiert Matthias Friebe. Ob, und wenn ja, wie die WM gekauft wurde, bleibt nun wohl ungeklärt.
Zeitgleich veröffentlichten Medien neue brisante Details. Sie legen nahe, dass Gianni Infantino versucht hat, unerlaubten Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Auch wenn der Weltfußballverband umgehend dementierte, so ist manchem in der Schweiz der Kragen geplatzt. Der Begriff Bananenrepublik machte die Runde. Im Schweizer Fernsehen sagte der Sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Matthias Aebischer:
"Sollte der Bundesanwalt nicht von sich aus zurücktreten, dann ist klar, dann werde ich ein Amtsenthebungsverfahren unterstützen."
"Pflicht zum Amtsenthebungsverfahren"
Ein solches wurde denn nun auch tatsächlich eingereicht - vom Sprecher der parlamentarischen Gerichtskommission Lorenz Hess, von der bürgerlichen BDP:
"Wir haben mittlerweile Kenntnis vom Untersuchungsbericht. Der hat das bestätigt, was vorher nur vermutet wurde, wir haben die Verjährung des FIFA-Falls an der der Bundesanwalt Mitschuld trägt, und wir haben die Pflicht, gemäß den Richtlinien der Kommission hier von Amtes wegen ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten."
Ein Gremium der Gerichtskommission hat sich umgehend mit dem umstrittenen Bundesanwalt befasst. Was besprochen wurde, teilte man nicht mit. Ohnehin muss die Kommission Michael Lauber erst einmal vorladen, bevor entschieden wird, ob ein Amtsenthebungsverfahren tatsächlich eingeleitet wird. Das soll bei der nächsten regulären Sitzung geschehen – erklärte im Schweizer Fernsehen Kommissionspräsident Andrea Caroni von der Liberalen FDP:
"Wir werden am 13 Mai zusammenkommen. Werden dort über den Fall Bundesanwalt sprechen, mit möglichst breiter Faktenlage für uns und dann diskutieren, wie wir fortschreiten wollen."
Laubers Widerspruch abwarten
Über die Amtsenthebung selbst müsste dann das Parlament entscheiden. Doch so weit ist es noch nicht - darauf verwies der Genfer FDP-Abgeordnete Christian Lüscher, der als Fürsprecher Michael Laubers gilt:
"Natürlich ist es im Moment nicht schön für die Glaubwürdigkeit der Institutionen, aber man kann nicht einfach ein Gerichtsurteil vorwegnehmen."
Michael Lauber hat nämlich Widerspruch eingelegt gegen Aussagen des Ermittlungsberichts der Aufsichtsbehörde und die Lohnkürzung. Ob der Schweizer Bundesanwalt tatsächlich schon bald seinen Job verliert, ist also noch längst nicht ausgemacht.