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Sommerzeit - Lernzeit

Wer das Schuljahr wegen schlechter Noten nicht wiederholen will, muss sich in den Sommerferien auf die Nachpüfung vorbereiten. Das kostet Durchhaltevermögen und Geld.

Von Bärbel Wegener |
    "Die Nachprüfung muss ich in Differentialrechnung machen. Da muss man Nullpunkte bestimmen, Extrempunkte, Wendepunkte und Ableitungen einer Funktion."

    Am Wendepunkt - da steht Jenni Dworko - das sieht sie ein. Aber am Nullpunkt noch lange nicht. Die schlanke 17-Jährige hockt zu Hause auf ihrem Himmelbett und übt - wohldosiert - Mathe.

    "Also jeden Tag lern' ich nicht, das würde mir ja viel zu viel Stress machen. Ich lern so dreimal die Woche ungefähr; mal mehr, mal weniger, je nachdem, ob ich Nachhilfe hab', dann so zwei Stunden, aber immer morgens, damit ich den Rest vom Tag halt frei hab'!"

    Sogar zwei Wochen Schülerjob im Restaurant und eine Woche Urlaub hat sich Jenni in den Ferien gegönnt, hat aber immerhin ihr Mathebuch mit zum Badesee genommen.

    "Ja, auf der Wiese. Ja, man liegt ja eh nur rum, hab ich gedacht; kann man auch was lernen."

    Jennis Mutter blickt zweifelnd, Olga Rempel traut der Coolness ihrer schönen Tochter nicht ganz.

    "Das macht mir schon Sorge. Ja, ich träum' glaub' ich schon davon. Aber ich hoffe, du schaffst das."

    "Ist ja meine Schuld."

    "Ja, stimmt auch, mehr deine Schuld."

    Jenni braucht eine kleine Auszeit am Klavier. Bis zur "Elf" hatte sie das Gymnasium gut gepackt, dann wechselten die Lehrer in Mathe und Bio, und Jenni kassierte prompt eine Fünf in jedem Fach.

    "In Bio hätte ich auch was machen können, stimmt schon. Aber war ich auch zu faul."

    Mathe war noch nie ihr Fall und deshalb zahlt ihre Mutter die 150 Euro für die Ferien-Nachhilfe.

    "Was ist P?"

    "P ist das, was vorm X steht. Aber was jetzt?"

    "Einsetzen was du kannst!"

    "Hab nur ein Q!""

    "Fällt der Groschen?"

    "Ja."

    Kim ist Mathestudent, nur ein paar Jahre älter als Jenni und findet die richtigen Worte für sie.

    "Schon viel gelernt bei ihm?"

    "Ja, ich fühl' mich schon viel sicherer."

    Einzelunterricht in der "Schülerhilfe" ist ganz anders als Schule.

    "Lehrer - die erklären es so mit vielen Fachwörtern, deshalb versteh' ich's auch nicht."

    "Bloß nicht so kompliziert machen. Wenn man schon Schwierigkeiten hat, was soll man noch so 'ne schwere Sprache benutzen."
    Jenni nimmt's locker und schiebt zu Hause erstmal eine Runde Computerspiel ein - von Prüfungsangst keine Spur. Schon bei der Führerscheinprüfung hat sie ihre Mutter verblüfft.

    "Ich hab' sie da hingebracht, oje, hast du alle Fragen, und sie saß da, Mama, das schaff ich schon, Mensch, das wird schon, beruhige dich. Mama voll im Stress und Jenny ohne einen Fehler alles geschafft!"

    Loben und Motivieren - das macht ihre Mutter jeden Tag, mit Blick auf die Nachprüfung hat Olga Rempel aber noch eine Geheimwaffe in petto.

    "Eine Strafe hab' ich mir ausgedacht."

    "Echt?"

    "Ja, sie wird im Dezember 18. Da sollte eigentlich eine dicke Party sein. Und ich hab' gesagt: 'Wenn die Prüfung aber nicht bestanden wird, gibt es keine Party. Es gibt keinen Cent für eine Party, nichts, null!' "

    Das findet Jenni jetzt wirklich albern, hat sie doch längst verstanden, dass es um ihr eigenes Leben geht. Eine Drei peilt sie für die Nachprüfung an, dann muss sie nicht mehr in die mündliche. Und wenn's doch nicht klappt?

    "Oh ja, das wär' nicht so gut. Da wäre ich auch traurig, ganz schön viel Zeit dann verschwendet."

    "Und Geld!"