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Sondermüll von der Fassade

Mit einer Fassadendämmung lassen sich Heizkosten und CO2 sparen. Was viele jedoch nicht wissen: Die verschiedenen Materialien in den Dämmverbundsystemen enthalten zahlreiche Giftstoffe. Dabei lässt sich der Sondermüll an der Hausfassade auch heute schon vermeiden.

Von Michael Engel | 24.02.2011
    Wertstoffhof der Abfallwirtschaft Region Hannover. Auf dem LKW liegen Reste aus Styropor. Es handelt sich um "Verschnittmaterial", das von einer energetischen Sanierung übrig blieb. Franziska Saniter ist die Pressesprecherin des Unternehmens:

    "Diese Stoffe sind sehr gut in die Verbrennung zu geben, das heißt also, die Verbrennungsanlagenbetreiber haben die gern, weil sie einen hohen Brennwert haben und sind dort auch unproblematisch."

    Der Abfall ist sortenrein. So lässt sich das Material problemlos verbrennen und man gewinnt noch Energie dabei. Ganz anders wird die Situation in zwanzig, dreißig Jahren sein, wenn die Lebensdauer der heute verbauten Wärmedämmverbundsysteme überschritten ist und viele Fassaden abgerissen werden müssen. Prof. Ludger Lohaus leitet das Institut für Baustoffe der Uni Hannover:

    "Na ja, sie haben zunächst einmal ein Verbundsystem. Das heißt, dort sind ja letztlich über Kleber zum Beispiel Glasgewebe und ein mineralischer Putz mit dem Dämmstoff verbunden. Und sie haben einen Mix aus organischen und anorganischen Komponenten, sodass dieser Mix sehr aufwändig zu trennen und nicht recyclingfreudig ist."

    Problematisch sind die Wärmedämmverbundsysteme noch aus einem anderen Grund. Sie enthalten Pestizide in den äußeren Schichten – besonders im Putz und im Farbanstrich. Da gedämmte Fassaden länger feucht bleiben, können sich Algen einnisten. Die Mikroorganismen erzeugen hässliche Flecken, die sich zum Leidwesen der Bauherren großflächig verteilen. Deshalb vermischen viele Hersteller die Putze und Farben mit giftigen Bioziden, um die Algenplage abzuwehren.

    "Die Anforderungen an die Farbe, Bewuchs zu vermeiden, die sind bei Wärmedämmverbundsystemen letztlich höher, weil die Temperaturen nicht so schnell in den Untergrund abfließen können. Das heißt, wenn dort die Veralgungsgefahr größer ist, wird man dort auch entsprechend mehr solche bioziden Stoffe einsetzen, als das früher der Fall war."

    Da Pestizide wasserlöslich sein müssen, um die Algen zu schädigen, werden sie mit dem Regenwasser ausgespült, gelangen in die Umwelt und gefährden so die Gesundheit von Mensch und Tier. Auch die unter dem Styropor befindlichen Baukleber enthalten Gifte, darunter Bisphenol A, eine Substanz, die zum Beispiel auf Fische wie ein Hormon wirkt. Landen die Wärmedämmverbundsysteme eines Tages im Bauschutt, entsteht für Abfallentsorgungsunternehmen ein großes Problem, so Franziska Saniter.

    "Diese Stoffe, für die haben wir in großen Mengen, also für große Anlieferungen, wie sie in zwanzig Jahren möglicherweise der Fall sind, gibt es derzeit noch gar keine Vorgaben oder Konzepte. Aber wir gehen davon aus, dass uns der Gesetzgeber dann entsprechend unterstützt."

    Das Gros aller Dämmsysteme enthält die giftigen Biozide, beklagt das Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig. Dabei ginge es auch anders. Mit Putzen, die allein aufgrund ihrer Wasser aufnehmenden Eigenschaften die Algen abwehren. Dass es funktioniert, bewiesen die Braunschweiger Wissenschaftler mit mehrjährigen Versuchen. Hersteller, die heute giftfreie Materialien anbieten, sind aber immer noch die große Ausnahme, weil die Systeme deutlich teurer sind. Die Mehrkosten liegen bei 30 Prozent. Und das scheuen viele Bauherren.