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Songs über das Übelkeitsgefühl im Magen

In einem lichtlosen Bunker eines Studentenwohnheims suchte Moddi die Inspiration für die Stücke seines neuen Albums "Set the house on Fire". Er möchte mit seiner Musik nicht mehr nur als der lockige, leicht verwirrte Junge aus Nordnorwegen wahrgenommen werden.

Moddi im Gespräch mit Christiane Rebmann | 16.03.2013
    Christiane Rebmann: Moddi, Ihr neues Album heißt "Set the house on Fire". Das klingt ziemlich aggressiv nach dem floral pazifistischen Titel Ihres letzten Albums "Floreography", der sich auf die altmodische Art, etwas mit Blumen auszudrücken, bezog.

    Moddi: "Set the house on Fire" heißt im Prinzip, dass ich das alte "Floreography"-Haus in Brand stecke und weiter ziehe in unbekannte Gefilde.

    Christiane Rebmann: Das letzte Album war doch aber sehr schön. Sie haben sich zwar danach beschwert, dass Sie nach fünf Jahren Arbeit an Ihrem Debüt unter Burnout litten und dass Sie mit dem Album und der nachfolgenden Tournee nichts verdient haben, weil die Kosten so hoch waren. Aber so schlimm kann es doch nicht gewesen sein.

    Moddi: Ich ging eine Zeitlang davon aus, dass das mein erstes und letztes Album sein würde. Ich hatte nicht vor, noch ein Album zu machen. Ich dachte: Das ist das Werk meines Lebens. Und jetzt mache ich was ganz anders, ich arbeite als Tischler oder als Journalist.

    Christiane Rebmann: Das hat dann ja doch nicht geklappt. Sie sind stattdessen für ein Jahr nach Telemark gegangen. Also in eine eher unspektakuläre Gegend in der Mitte von Norwegen. Da gibt es vor allem viel Wald. Haben Sie da wie ein Einsiedler gelebt?

    Moddi: Natürlich sollte man annehmen, dass ich ganz zurückgezogen in einer einsamen Hütte hausen würde, nur von Bären und Füchsen und hohen Bäumen umgeben. Stattdessen habe ich mich in einem fünfstöckigen Studentenwohnheim einquartiert, zusammen mit 150 anderen Studenten. Wir wohnten sehr eng aufeinander.

    Christiane Rebmann: Warum sind Sie ausgerechnet in ein Studentenwohnheim gezogen? Das klingt doch nicht gerade nach einer Umgebung, in dem man sich von einem Burnout kuriert.

    Moddi: Ich konnte mir einfach nicht leisten, mir ein Haus zu mieten oder zu kaufen. Und Studentenwohnheime sind nun mal die billigste Unterkunft in Norwegen. Zum Glück gab es im Untergeschoss eine Dusche. Da konnte ich mich immer verstecken.

    Christiane Rebmann: In der Zeit haben Sie dann ja doch wieder angefangen, Songs zu schreiben. Wo haben Sie das denn gemacht? In ihrem Studentenhochbett?

    Moddi: Die Dusche war in einem alten Bunker untergebracht und total abgeschottet vom Rest des Hauses. Dorthin konnte ich mich zurückziehen und ganz in Ruhe Musik aufnehmen. Mit meinem schrottigen, kleinen Digitalrekorder, ganz allein in der Dunkelheit. Es gab dort nämlich keine Fenster. Aber das war gut für mich, weil ich mich am besten im Dunkeln konzentriere. Da waren nur ich und meine Gitarre in der Dunkelheit. Nur manchmal hatten wir ein wenig Licht, so ein schwaches Glimmen, das von meinem Rekorder kam.

    Christiane Rebmann: Sie haben mir in unserem letzten Interview erzählt, dass sie hyperaktiv sind. Wenn Sie jetzt sagen, dass Sie sich am besten allein und im Dunkeln konzentrieren können, passt das ja auch dazu. Haben Sie jemals Ritalin genommen?

    Moddi: Musik ist ein guter Ersatz für Ritalin. Ich habe nie Medikamente gebraucht. Ich finde meine Therapie in der Natur und im Leben. Ich spiele Gitarre oder Akkordeon, laufe durch den Wald oder gehe schwimmen. So kann ich mich abreagieren.

    Christiane Rebmann: Melden sich eigentlich Fans bei Ihnen, die unter demselben Problem leiden?

    Moddi: Da ich ja eher melancholische Songs singe, nehmen auch viele melancholische Menschen Kontakt zu mir auf. Sie brauchen keine Therapie oder Medikamente, sondern intensiven Kontakt zu Menschen. Sie brauchen Freunde und die Familie. Sie brauchen es, dass sie gebraucht werden.

    Christiane Rebmann: Die neuen Songs klingen moderner als die alten, ein wenig erdiger, nicht so schwebend.

    Moddi: Ich hatte so die Nase voll von diesem Image, das ich ja selbst mit konstruiert hatte: der lockige, leicht verwirrte Junge aus dem Fischerdorf in Nordnorwegen. Das bin ich auch, aber es gibt auch diese andere Seite von mir. Den Akademiker mit Uniabschluss, den guten Partner und zuverlässigen Freund. Deshalb habe ich versucht, die neuen Songs so wenig wie möglich nach Moddi klingen zu lassen.

    Christiane Rebmann: In den Texten beschreiben Sie offensichtlich Ihre Befindlichkeit. Dabei sind Sie ja nicht gerade zimperlich. In "Soon you'll be somebody else" berichten Sie von einer Begegnung, die Ihnen auf den Magen schlägt, und verwenden dabei Sätze wie: "Ich könnte kotzen".

    Moddi: Es geht um dieses eklige Gefühl, das dich überkommt, wenn du jemanden triffst, den du lange nicht mehr gesehen hast und feststellst, dass ihr beide überhaupt nichts mehr gemeinsam habt. Dass ihr euch nichts mehr zu sagen habt. Ich bekomme in so einer Situation ein Übelkeitsgefühl im Magen. Und dann muss ich dieses Gefühl runterschlucken, damit ich mich nicht übergeben muss. Aus Soziologensicht könnte man sagen, dass mein voriges Album "Floreography" mein marxistisches Album war. Damals dachte ich, ich hätte die Antworten auf alle Probleme gefunden. In "Rubbles" sang ich, dass die Ölmultis Norwegen gefälligst in Ruhe lassen sollen. "Magpie" war ein idealistischer Song, mit dem ich mich gegen die Rechten wendete. Ich habe den Text geschrieben, als ich noch Teil der sozialistischen Bewegung war.

    Christiane Rebmann: So ganz unpolitisch sind Ihre neuen Songs aber auch nicht. Den Song "Let the spider run alive" haben Sie als Ihren George-Orwell-Song bezeichnet. Worum geht es da?

    Moddi: Wir haben seit Neuestem dieses Gesetz in Norwegen, das der Regierung erlaubt, den Internet- und Handyverkehr zu verfolgen und für ein halbes Jahr zu speichern. Das kann ja okay sein, solange die Kontrolle über die Daten in den richtigen Händen liegt. Aber wehe, sie fallen einer diktatorischen Regierung in die Hände. Die Spinne ist unsere Regierung, die nicht in der Lage ist, die Konsequenzen ihrer Handlungen zu sehen.

    Christiane Rebmann: Der Song "The architect" klingt, als wäre er in einem Kindergarten aufgenommen.

    Moddi: "The architect" ist der verspielteste Song auf diesem Album. Wir gingen wie an ein Hiphop-Projekt heran. Wir nahmen einzelne Loops auf. Und die setzten wir dann zusammen. Um die Verspieltheit zu unterstreichen, ging ich zum Kindergarten am Ort und nahm die Stimmen der Kinder dort auf. Sie haben es gar nicht gemerkt, weil ich nur meinen kleinen Rekorder dabei hatte. Aber in Norwegen sind die Gesetze ziemlich streng, was solche Dinge betrifft. Deshalb musste ich unendlich viele Formulare ausfüllen, bevor ich die Erlaubnis bekam, die Aufnahme zu verwenden.