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Sonnenanbeter im Polarkreis

Astronomie. - Im Juni, zur Zeit der Sommersonnenwende, geht die Sonne in Nordpolnähe nicht unter. Genau der richtige Ort und Zeitpunkt, um die Sonne zu beobachten, sagten sich die Forscher am Max Planck Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Dafür haben sie ein neuartiges Sonnen-Observatorium entwickelt: ein riesiges Teleskop mit Sonnenflügeln, das mit einem Heliumballon aufsteigen soll.

Von Elke Drewes | 16.04.2009
    Das Metallgerüst der Ballongondel füllt den halben Laborraum. Der riesige Teleskopspiegel wurde in schützende Alufolie gehüllt. Im staubfreien Raum am Max Planck Institut in Katlenburg-Lindau haben Techniker in weißen Schutzanzügen die Messinstrumente des Sonnenobservatoriums genau aufeinander abgestimmt. Das Teleskop soll in Nordpolnähe mit einem Heliumballon aufsteigen und aus 37 Kilometer Höhe die Sonne beobachten.

    "Der Vorteil ist, wenn man sich in diese Höhe befindet, dass man 99 Prozent der Atmosphäre unter sich hat und all die negativen Einflüsse durch Luftbewegungen, die Bilder hin und her wackeln lassen, so dass wir das ausschließen können und unsere Untersuchungen durchführen können. Ein Teleskop dieser Größe gibt es noch nicht im Weltraum und ein Transport per Satellit wäre auch zu teuer."

    Peter Barthol vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau hat mit einem internationalen Team sechs Jahre an der Entwicklung des Sonnenobservatoriums gearbeitet. Die "Sunrise" Mission kostet 30 Millionen Euro und wird anteilig finanziert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Partnern in Spanien und den USA. Zwar beobachten auch Satelliten die Sonne- aber mit kleineren und weniger präzisen Teleskopen. Mit dem Sunrise-Teleskop sei es erstmals möglich, so Peter Barthol, wie durch ein Mikroskop auf die Sonnenoberfläche zuschauen. Aus den Daten wollen die Forscher Rückschlüsse auf das Magnetfeld der Sonne ziehen.

    "Uns interessiert der Grenzbereich Sonnenoberfläche, weil dort die Wechselwirkungszone ist, wo das heiße Plasma der Sonne und das Magnetfeld miteinander interagieren. Es ist ja wie ein heißer Gasball, der Konvektionszonen hat. Stellen Sie sich vor eine heiße Tasse mit schwarzem Kaffee und sie gießen kalte Mich rein, so sieht es auch auf der Sonnenoberfläche aus."

    Heißes Plasma aus dem Sonneninnern strömt wie heißer Kaffee an die Oberfläche und mischt sich mit kühlerem Plasma zu einem Milchkaffee. Wie sich kalte und heiße Teilchen mischen, wollen die Forscher unter die Lupe nehmen. In ihren aktiven Phasen schleudert die Sonne wie ein Feuerspucker immer wieder große Mengen Energieteilchen ins All. Diese Sonneneruptionen sind durch ein Teleskop als Sonnenflecken erkennbar. Auf der Erde sind sie als Nordlichter sichtbar. Die Sonnenstürme können sogar die Stromversorgung und den Funkverkehr auf der Erde stören. Die Sonnenaktivität nimmt in einem Rhythmus von elf Jahren zu und wieder ab. Zurzeit ist die Sonne in einer Ruhephase. Und die dauert jetzt schon eins Jahr länger als erwartet.

    "Der normale Aktivitätszyklus dauert etwa elf Jahre. Aber er ist nicht genau wie ein Uhrwerk. Man kann das eher mit dem Wetter vergleichen. Die Jahreszeiten setzen etwas früher, etwas später ein. Es gibt mal einen schönen heißen Sommer, mal ist er verregnet. Ähnlichen Schwankungen ist das Wetter auf der Sonne auch unterworfen. Sie wird wahrscheinlich dieses Jahr schon aktiver und in ein, zwei Jahren werden deutlich mehr Sonnenflecken auf der Sonne sichtbar sein."

    Peter Barthols Kollege, der Physiker Bernd Inhester sucht noch nach einer genauen Erklärung für den elf Jahreszyklus der Sonnenaktivität und Schwankungen im Magnetfeld der Sonne. Auch dazu soll die Sunrise-Mission mit ihrer mikroskopisch genauen Untersuchung der Sonnenoberfläche ein Puzzle-Teil liefern. Zurzeit sind Projektleiter Peter Barthol und sein Team im nordschwedischen Kiruna und bauen dort die Einzelteile des Ballon-Observatoriums zusammen.

    "Der Ballon hat ein Fassungsvermögen von einer Million Kubikmeter, 150 Meter Durchmesser, da passt ein Jumbo-Jet locker rein oder ein Fußballfeld. Das ist natürlich eine arbeitsintensive Phase, dieses Gerät erst einmal zusammen zu bauen."

    Am 1. Juni soll das unbemannte Sonnenobservatorium "Sunrise" startklar sein. Wenn die Wetterbedingungen günstig sind, soll es von der europäischen Weltraumbasis in Kiruna abheben und fünf Tage lang neuartige Bilder von der Sonnenoberfläche aufnehmen.

    Die Vorbereitungen zum Start und wie die Landung per Fallschirm über Nordkanada gelingt, das ist in einem Internettagebuch der Forscher vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung nachzulesen.

    http://www.mps.mpg.de/projects/sunrise/scienceblog/