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Sonnenausbruch im Labor

Astronomie. - Satellitenbilder zeigen, dass auf der Sonnenoberfläche viel los ist. Um diese Prozesse genauer verstehen zu können, baut eine Wissenschaftlergruppe ein Laborexperiment. Es soll helfen, magnetische Vorgänge auf der Sonnenoberfläche besser zu verstehen.

Von Jan Lublinski | 09.12.2011
    Mitten in der Beton-Architektur der Universität Bochum, hat eine kleine Physikergruppe in den vergangenen Jahren ein neuartiges Experiment aufgebaut. Es nennt sich Flarelab-Projekt und soll dabei helfen, Ausbrüche auf der Sonne besser zu verstehen. Im Kern besteht es aus einer großen, silbergrauen Tonne: einem Vakuumgefäß, groß wie ein Lastwagenreifen. Drumherum: Kabel, Spiegel, Linsen, eine Mischung aus alten und brandneuen Messgeräten. Im Inneren dieser Tonne: eine starke Gasentladung. Dabei entsteht ein Lichtbogen, eine Art runder Blitz. Jan Tenfelde.

    "Da bildet sich ein Stromkanal und dadurch, dass da Strom fließt, bildet sich ein Plasma, das wir dann untersuchen."

    Das Plasma, ein Gas aus geladenen Teilchen, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit bogenförmigen Ausbrüchen, die sich auf der Sonne ereignen. Diese Bögen stehen wie runde Brücken auf der Sonnenoberfläche und werden größer. Manche Bögen erheben sich soweit über der Sonne, dass sie zerbersten müssen, und es kommt zu einem sogenannten koronalen Massenauswurf. Dabei werden geladene Gasteilchen von starken Magnetfeldern aus der Sonne herausgeschleudert.
    Die Bochumer Physiker interessieren sich hier für einen Spezialfall: für einen Bogen – im Fachjargon Protuberanz genannt - der sich ausdehnt, der dann aber doch nicht genug Energie enthält, um zu explodieren.

    "Sowas ist beobachtet worden, sowas ist durch ein spezielles Modell ziemlich detailgenau nachgebildet worden. Durch ein Rechenmodell. Und wir versuchen dieses Rechenmodell wieder in ein Labormodell umzusetzen, um damit jetzt einzelne Aspekte dieser Art von Protuberanzen genauer untersuchen zu können."

    Henning Soltwisch, der Leiter des Flarelab-Projektes. Er und seine Mitarbeiter versuchen, die Dynamik der solaren Bögen in ihrer runden Experimentierkammer grob vereinfacht nachzustellen. Dabei sind drei Elemente wichtig: ein bogenförmiges Magnetfeld, ein Gas und eine Gas-Entladung. Das bogenförmige Magnetfeld erzeugen die Forscher mit einem gekrümmten Stromkabel. Das Gas aus Wasserstoff leitet Philipp Kempkes über ein Ventil in die Kammer.

    "Das ist ein elektromagnetisches Ventil. Da ist so ein kleiner Metalldeckel drin und darunter sitzt eine Spule. Die Spule kriegt nen kleinen Strompuls und dann wird in dem Metalldeckel ein Gegenstrom induziert, das haut es einmal hoch und dann hat man so für Millisekunden einmal kurz das Ventil geöffnet und das strömt das Gas durch die Leitungen in die Kammer."

    Damit es in diesem Gas zu einer Entladung kommt, erzeugen die Physiker einen gewaltigen Strom. Vier Kondensatoren groß wie Milchkannen dienen dabei als Speicher für die elektrische Ladung. Sie stammen von einem Hersteller, der sonst Elektroloks ausstattet.

    Auf den ersten Fotos, die die Physiker von den Entladungen gemacht haben, ist ein Lichtbogen zu sehen, der ein wenig anwächst und sich dabei vergrößert und verdreht. Ganz ähnlich wie die Bögen auf der Sonne.

    Bei diesem Experiment geht es nun aber nicht darum, exakt die Bedingungen herzustellen, wie sie auf der Sonne herrschen. Dafür ist es dort oben viel zu heiß, und die Magnetfelder viel zu groß. Aber es könnte mit dem Bochumer Flarelab-Projekt in Zukunft möglich werden, ein physikalisches Modell der Sonnenoberfläche zu prüfen. Philipp Kempkes.

    "Dieses Modell, auf das wir uns beziehen, ist ja ein theoretisches Konstrukt, ist also keine Simulation oder irgendeine Form von Messung. Da hat sich jemand hingesetzt und gesagt: so und so sieht das auf der Sonne, wenn ich Magnetfelder und Ströme in einer bestimmten Form zusammenbringe, kann ich das auf der Sonne einigermaßen beschreiben. Und dann haben sich Leute hingesetzt und haben Simulationen gemacht, die ganz gut beschrieben haben, was auf der Sonne passiert ist. Wenn wir jetzt sagen können, OK, wir sehen, dass das Experiment das ergibt, was das Modell und die Simulationen vorhersagen, dann kann man zumindest eine Aussage darüber machen, dass das Modell gut funktioniert – oder eben auch nicht. Und da denke ich schon, dass man der Natur ein bisschen was abgerungen hat."

    Der Natur abgerungen hätte man dann ein etwas genaueres Verständnis der gewaltigen und komplizierten Explosionen auf der Oberfläche der Sonne.

    Programmhinweis:
    Sonntag, 11. Dezember 2011: Wissenschaft im Brennpunkt: Feuer-Kreis - Über die unbekannten Seiten unserer Sonne