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Sonnenbrand unter Wasser

Umwelt. - Neben den schwindenden Regenwäldern spielen Meeresalgen eine wichtige Rolle als Klimakrisen-Dämpfer, denn sie wandeln das Treibhausgas Kohlendioxid wieder in Sauerstoff und Sedimente. Wie die Sonne dem wichtigen Meeresgrün zusetzt, untersuchte jetzt der Forschungssegler Aldebaran vor Mittelamerika.

Von Frank Scheikart | 12.06.2007
    Durch den globalen Klimawandel und die Veränderungen, unter denen auch das Meer leiden, kann es bei manchen Algen dazu kommen, dass sie unter Sonnenbrand leiden und damit weniger Kohlendioxid binden können und dadurch letztendlich den Klimawandel weiter anheizen. Zu diesem Schluss kommt Professor Dieter Hanelt von der Universität Hamburg:

    "Die Algen können einen Sonnenschutz entwickeln und damit die Fähigkeit, mit ultravioletter Strahlung umzugehen."

    Zusammen mit Kollegen untersuchte Professor Dieter Hanelt in der Arktis, der Antarktis, in China und Neuseeland den Einfluss von UV-Strahlung auf Algen. Sein Ergebnis: je höher die UV-Strahlung, desto mehr kommt es zu einem Absenken der Photosynthese-Rate. Allerdings stellte er bei den karibischen Algen im mittelamerikanischen Belize unerwartet fest, dass das Verhalten der Photosynthese nicht überall identisch ist auf der Welt.

    "In Gebieten jetzt hier, wo wir eine erhöhte UV-Strahlung von Natur aus haben, konnten wir feststellen, dass sogar diese gefährliche UVB-Strahlung förderlich ist, die Pflanzen am Nachmittag bei abnehmendem Lichtstress wieder sich erholen zu lassen."

    Das heißt, dass die karibischen Algen auf der einen Seite unter dem UV-Stress leiden, auf der anderen Seite jedoch auch geringe Mengen von UV-Strahlung essentiell für die Erholung vom UV-Stress sind, so Hanelt:

    "Mit ultravioletter Strahlung läuft die Erholung schneller ab als ohne ultraviolette Strahlung. Das heißt, hier ist trotz des Übels, dass die Photosyntheserate zusätzlich abgesenkt wird, ein positiver Effekt zu sehen, dass die Erholung dafür am Nachmittag umso schneller verläuft."

    Das klingt zunächst paradox, aber damit scheinen sich die Algen im Laufe der Evolution an die Lichtintensität ihres natürlichen Standortes angepasst zu haben und reagieren dementsprechend auf die Sonneneinwirkungen. Die Überdosis an UV-Strahlung bedingt durch das Ozonloch in den Polarregionen hat gravierende Auswirkungen auf die Algen: Genauso wie der Mensch leiden sie dann unter Sonnenbrand. Man erkennt das an der Verfärbungen der Pigmente, weil der Stoffwechsel der Pflanze gestört ist. Und damit hat die Wechselwirkung zwischen UV-Strahlung und den Algen im Hinblick auf den Klimawandel eine viel größere Bedeutung als bislang vermutet.

    "In Bezug auf den Klimawandel spielen die Algen eine der größten Rollen, denn sie entziehen durch ihre Photosynthese Kohlendioxid aus der Atmosphäre und binden sie in die Nahrungskette im Ozean ein. Wenn die Photosynthese-Rate durch einen Anstieg der ultravioletten Strahlung gehemmt würde, dann würde natürlich auch diese Rolle, diese Funktion abnehmen und weniger Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen werden."

    Den Beweis erbrachte Professor Dieter Hanelt mit einem Puls-Amplituden-modulierten Fluorometer, kurz PAM genannt, das die Fluoreszenz als indirektes Maß für die Photosynthese-Aktivität misst:

    "Das Experiment ist so aufgebaut, dass wir im Viertelstunden-Abstand Proben einsetzen, die dann unter diesen Filtern durch natürliche Sonneneinstrahlung bestrahlt werden. Wir nehmen dann jeweils, nach einer Stunde Bestrahlungszeit die Proben heraus und sie werden in einem so genannten Fluorometer, in dem man die Photosynthese sehr gut messen kann, gemessen, und wir können damit nachweisen, ob die Pflanzen einen Lichtstress haben."

    Der Gabeltang Dictyota aus 15 Metern Tiefe bekommt nach kurzer Zeit in der hellen Sonne an der Oberfläche bräunliche Flecken – also Sonnenbrand - weil er sonst in größerer Wassertiefe natürlicherweise vor höherer Sonneneinstrahlung geschützt ist. Die Flachwasseralge Sargassum erholt sich hingegen schnell nach der intensiven UV-Bestrahlung. Das Forschungsprojekt von Professor Dieter Hanelt macht deutlich, dass die weit reichenden Folgen des Klimawandels vor unseren Ozeanen nicht halt machen und letztendlich der Mensch selbst der Leidtragende sein wird, weil, so Hanelt...

    "...die Pflanzen weniger wachsen, also weniger Biomasse produzieren und damit eben halt das Leben auf der Erde deutlich beeinträchtigen würden. Denn die Pflanzen sind die Nahrungsgrundlage für die Fische und die Fische wiederum werden von den Menschen gegessen und wenn die Pflanzen nicht da sind, hat man auch nichts, hat der Mensch auch nichts zu essen."