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Sonnenenergie

Fast fährt man vorbei an dem ersten Solar-Motel der Welt. Das blaue Doppelhaus im Neubaugebiet Belsen der schwäbischen Gemeinde Mössingen sieht aus wie ein ganz normales Haus, gar nicht wie etwas besonderes, wie man es nach den vollmundigen Ankündigungen vermutet. Kinderfahrräder und -spielzeug vor der Tür.

von Susanne Lettenbauer |
    Das 1. Solar-Motel der Welt ist im rechten Teil des Doppelhauses. Die stattliche 6,4 kW Solar-Strom-Anlage auf dem Dach ist etwa 64 Quadratmeter groß. Im linken Haus wohnt der skeptische Nachbar, der schon mal wettert gegen die Elektrotankstelle von nebenan - da könnte ja jeder kommen. Genau. Das will Jürger Werner, der Inhaber des ungewöhnlichen Solar-Motels:
    Zum einen können die Leute also zu mir kommen, die so ein E-Auto haben, können bei mir übernachten, können es kostenlos aufladen. Ich habe auf meinem Dach eine Solarstromanlage drauf, die den Strom liefert. Zusätzlich können natürlich auch Leute kommen, die keine solche Fahrzeuge haben. Dann hat man die Möglichkeit zum Beispiel entweder ein Elektrofahrzeug zu nehmen oder ich kann auch meinen VW-Bus zur Verfügung stellen, der mit Pflanzenöl fährt, also auch mit Sonnenergie.

    Rund 19% Auslastung konnte das Solar-Motel im vergangenen Jahr verzeichnen auch ohne jegliche Förderung von irgendeiner offiziellen Stelle. Wenn es so weitergeht, plant Jürgen Werner schon die Erweiterung seines Angebots von einem Zimmer auf 4. Gut 10 Personen hätten dann gleichzeitig die Möglichkeit von den im Preis von 35 Euro pro Person und Nacht inbegriffenen Leistungen des Motels Gebrauch zu machen. Denn die Zögerlichen unter seinen Gästen mit einem PKW mit Verbrennungsmotor müssen ihr Fahrzeug abstellen und den Autoschlüssel für die Zeit des Aufenthalts an der Rezeption abgeben. Die anderen kommen vorzugsweise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und werden gleich am Bahnhof mit einem der umweltfreundlichen Fahrzeuge abgeholt. Einmal angekommen im familiären Solar-Motel kann man sich entscheiden - entweder für ein Fahrrad, für ein E-Mobil, Ein- oder Zweisitzer, für den Sonnenblumen-VW-Bus oder einen Elektroroller:

    Ich fahre jetzt hier in Mössingen los, man hat ja mit diesen Fahrzeugen eine Reichweite von 40 Kilometer am Stück, kann also von Mössingen aus zur Sommerrodelbahn hochfahren, dort ist dann auch in Kooperation eine Solartankstelle, wo man in der Zwischenzeit wieder aufladen kann, dann kann man weiterfahren z.B. nach Bollerdingen, kann dort am Rathaus wieder aufladen oder kann nach Bahlingen fahren. Es gibt also überall Auflademöglichkeiten, wo man die Fahrzeuge aufladen kann.

    Mit dem angejahrten Erstling Jürgen Werners, dem stolze 12 Jahre alten Elektroauto, fing er als Informatikstudent an. Wenig später kamen die 50er Elektroroller von Peugeot dazu, die er noch immer in Tübingen am Bahnhof vermietet. Doch die Studenten interessieren sich nicht allzu sehr dafür.
    Auf Solarstrom schwor Jürgen Werner schon bevor die staatlichen Zuschüsse die Solaranlagen interessant machten. Auch seine Anteile an 2 Wasserkraftanlagen in Norddeutschland und mehreren Windkraftanlagen deutschlandweit, die ihm weiteren umweltfreundlichen Strom garantieren, zeichnete er vor über 6 Jahren. So speist der Motelinhaber jährlich insgesamt über 100.000 kWh Strom aus Sonnenenergie ins öffentliche Stromnetz ein.
    In seinem Heimatort wird der jetzt selbständige Diplomingenieur für Technische Informatik Software-Entwicklung nur langsam akzeptiert, aber darüber sieht er hinweg - seine Klientel wohnt sowieso über ganz Deutschland verstreut.

    Mössingen hat sich ein bisschen als Blumenstadt positioniert und da hab ich mir gedacht, das wäre eine gute Kombination, da noch die Sonne mit rein zu bringen. Das ist ein ganz schönes Wortspiel zwischen Blumenstadt, Sonnenstadt, oder eben Sonnenblumenstadt. Und Sonnenblumen haben ja auch wieder Öl, das man zum als Treibstoff nutzen kann, das man für den VW-Bus nutzen kann zum Fahren.

    Wer mit Hilfe der Sonne einmal abheben möchte, den nimmt Jürgen Werner mit zum ebenfalls 1. Solar-Flugplatz Deutschlands. Auf den Höhen der Schwäbischen Alb ist der Flugplatz Farrenberg. Derzeit hat dieser zwar noch keinen Stromanschluss, die gesamte Stromversorgung soll aber in naher Zukunft nur mit Sonnenenergie erzeugt werden. Dann kann hier wird das 1. eigenstartfähige Segelflugzeug der Welt, mit Elektroantrieb und Musterzulassung, mit Solar-Strom aufgetankt werden und anschließend fast geräuschlos starten. Die 1. Solar-Tankstelle der Welt für Flugzeuge steht dort bereits, eingeweiht im Juli 2002.