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Sonnenstrom aus Eierschalen

Umwelttechnik. - Seit inzwischen 16 Jahren belohnt der Bundesumweltwettbewerb jugendliche Nachwuchsforscher für ihre umweltfreundlichen Entwicklungen. Zwar muten manche Ideen allzu futuristisch an, dennoch könnten sie eines Tages Realität werden - wie etwa Strom aus der Eierschale.

Von Hartmut Schade | 25.09.2006
    Die Idee ist zu ungewöhnlich. Professor Gerrit Schüürmann, Juror im Bundesumweltwettbewerb und Chemiker am Leipziger Umweltforschungszentrum, kann es nicht glauben, was er da liest: Sonnenstrom aus Eierschalen.

    "Zunächst hab ich gedacht: was ist das? Das kann ja gar nicht sein. "

    Doch der griffige Titel des Projekts von Katharina Brinkert, offenbart nur einen Teil ihrer Idee: Sie will mit einem künstlichen Molekül die Photosynthese nachahmen und wie die Pflanzen die Sonne anzapfen. Bei der Photosynthese wandeln die Pflanzen Kohlendioxid und Wasser unter Aufnahme von Licht in Sauerstoff und Zucker.

    "Nur, ich brauch ja keine Glukose, sondern ich möchte Energie gewinnen, also das heißt Elektronen aus dem System rausziehen…"

    …lacht die 18jährige Katharina Brinkert aus Marienfeld bei Bielefeld. Diese Elektronen fließen vor allem in den ersten Teilschritten der Photosynthese, sie regen die Zuckerproduktion an. Entscheidende Voraussetzung dabei ist der grüne Farbstoff Chlorophyll, der das Sonnenlicht aufnimmt:

    "Das Chlorophyll ist hauptsächlich verantwortlich in der Photosynthese für den Elektronentransfer beziehungsweise auch für die Lichtabsorption. Und dann hab ich mir gedacht, man müsste eigentlich nur ein Molekül finden, was eben so ähnlich aufgebaut ist wie das Chlorophyll, und das ist nun eben ein Porphyrin aus der Schale des Hühnereis, der braune Farbstoff ist das."

    Das aus der Eierschale gewonnene Porphyrin ist es aber nicht allein. Katharina Brinkert kombiniert es mit zwei weiteren Molekülen: Einem Carotinoid, das den Maiskörnern ihre gelbe Farbe verleiht und außerdem Pflanzenzellen vor schädlichen Lichtwirkungen schützt. Dritter im Bunde ist das Ubichinon, eine Substanz, die beim Atmen entsteht, aber auch für die Braunfärbung von Apfelstücken sorgt. Diese drei Moleküle werden miteinander verknüpft. Fällt nun Licht auf das Porphyrin, so reagiert es genau wie das Chlorophyll - es wird energetisch angeregt und sendet Elektronen aus. Diese werden vom Ubichinon aufgenommen und weitergeleitet. Das Carotinoid aus dem Mais sammelt ebenfalls Licht, soll zudem aber wie in der Pflanzenzelle das ganze System stabilisieren. Soweit der erste Schritt, den Katharina Brinkert bis jetzt zurückgelegt hat. Um aus ihrem Lichtsammelmolekül wirklich eine Solarzelle entstehen zu lassen, müssen die Elektronen aufgenommen und zu einer Elektrode geleitet werden. Hier setzt die Preisträgerin auf Familienbande. Chinone, zu deren Familie das eingesetzte Ubichinon gehört, sollen die Elektronen fangen. Wenn ihr das gelänge, hätte sie die erste vollorganische Solarzelle entwickelt. Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist: Ihre Idee, Sonnenstrom aus Eierschalen zu gewinnen, überzeugte Professor Schüürmann und die übrigen Jurymitglieder nach anfänglicher Skepsis:

    "Inwieweit das jetzt tatsächlich dann in den nächsten Jahren zu einem Energieerzeugungssystem in großem Maßstab führt, das muss man sehen. Aber das soll die Sache nicht negativ erscheinen lassen. Das ist bei jeder Erfindung so, dass man erst zunächst schaut, geht das wirklich auch technisch? Nur hier sind aus meiner Sicht alle wissenschaftlichen Vorrausetzungen gegeben, um tatsächlich Erfolg haben zu können. "

    Kommt also der Sonnenstrom von morgen wirklich aus Eierschalen und Maiskörnern? Dann könnte Katharina Brinkert von sich sagen, sie hätte das Ei des Kolumbus gefunden.