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Sonnleitner gibt den USA Schuld an Scheitern der Welthandelsrunde

Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, hat die USA für das Scheitern der Welthandelsgespräche verantwortlich gemacht. Die Vereinigten Staaten hätten sich in den Gesprächen verweigert und keine ernsthaften Verhandlungen geführt, sagte Sonnleitner. Unter dem Scheitern der Gespräche litten nun die Entwicklungsländer.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Doha, die Hauptstadt von Katar. Dort begann 2001 ein sehr ehrgeiziges Projekt. Die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO wurde auch nach der Stadt benannt. Freie Märkte für alle, Liberalisierung des Handels, Abbau von Zöllen und Subventionen, Millionen von Menschen aus der Armut helfen. Fünf Jahre wurde dann verhandelt, gefeilscht, geredet und die Euphorie war dann ziemlich schnell vorbei, denn es kam nichts dabei heraus. Seit gestern ist die Doha-Runde praktisch tot. Ein letzter Versuch von den sechs wichtigsten Ländern, das Ganze noch zu retten, ist gescheitert. Und nun ist das Ganze erst mal auf Eis gelegt. Viele sind enttäuscht. Manche sprechen von einer richtigen Katastrophe. Nur die Globalisierungsgegner freuen sich jetzt und vielleicht auch die Bauern, auch in der EU, denn die Subventionen bleiben und die hohen Einfuhrzölle für die anderen auch, so dass die Märkte praktisch dicht bleiben und keiner herein kommt.

    Fragen wir den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner. Schönen guten Morgen!

    Gerd Sonnleitner: Einen schönen guten Morgen!

    Thoma: Sind Sie zufrieden?

    Sonnleitner: Nein, wir sind sehr stark enttäuscht, und für uns ist der gestrige Tag auch ein schwarzer Tag. Wir haben von der europäischen Landwirtschaft sehr, sehr viele Vorleistungen erbracht, um insgesamt den Welthandel zu forcieren, um insgesamt - die Doha-Runde ist ja eigentlich genannt die Entwicklungsrunde - , dass echt den Entwicklungsländern geholfen wird. Wir haben auch hier sehr viele Vorleistungen gebracht, und jetzt ist alles gescheitert. Das ist bitter.

    Thoma: Welche Vorleistungen haben Sie denn genau gebracht?

    Sonnleitner: Wir haben die Agrarreform gemacht 2003, das heißt sehr starke Preissenkungen, die Ausgleichszahlungen von der Produktion entkoppelt. Wir haben versprochen, die Exportsubventionen bis 2013 ganz abzubauen. Die Zuckerrüben wurden reformiert mit Preissenkungen um die 40 Prozent, und wir haben ein Abkommen mit den 50 ärmsten Entwicklungsländern gemacht, dass sie quoten- und zollfrei zu uns nach Europa reinliefern dürfen. All dies haben andere Industrieländer nicht gemacht, und besonders bedauerlich ist, dass die Weltmacht USA, die ja auch eine Führungsrolle zu spielen hat, im Grunde sich verweigert hat und keine ernsthaften Verhandlungen geführt hat.

    Thoma: Aber die haben ja wohl gesagt, wir sind bereit, Zugeständnisse zu machen, aber vorher muss die EU die Agrarzölle weiter abbauen noch einmal um ein paar Prozent. Warum haben wir das nicht gemacht?

    Sonnleitner: Es wurde insgesamt von uns auch schon angeboten, dass die Agrarzölle um 50 Prozent gesenkt werden. Auch hier war ein großzügiges Angebot der EU vorhanden, aber die Amerikaner haben ja selbst überhaupt keine Vorleistungen und keine Zugeständnisse gebracht. Deswegen ist das Scheitern so bitter, weil darunter die Entwicklungsländer leiden. Die Amerikaner machen nicht die Zugeständnisse den Entwicklungsländern gegenüber, wie wir es in Europa machen. Jetzt wird weltweit wahrscheinlich wieder ausgewichen auf bilaterale Verträge. Und das ist insgesamt sowohl für die Landwirtschaft wie auch für die gesamte Wirtschaft schlechter.

    Thoma: Aber man hatte schon den Eindruck, es ginge eigentlich nur darum, dass jetzt einer mal nachgibt, damit dann alle nachgeben und es wäre schon alles klar.

    Sonnleitner: Das ist der Eindruck. Nur wenn man die Fakten sieht - und das haben alle Verhandlungsteilnehmer gesagt -, dann hat Europa riesige Vorleistungen gemacht und all dies, was gefordert worden ist, bereits vollzogen, während sich andere Länder überhaupt nicht bemüht haben. Wenn Sie die Stellungnahme des BDI, des Bundes der Deutschen Industrie lesen: Es gibt in Deutschland keinen Keil zwischen Agrar- und Industrieinteressen, weil die echten Verhandlungsführer auch aus der Industrie gesehen haben, dass wenn Deutschland und Europa noch mehr Vorleistungen erbringen, dies wird nicht honoriert, und wir würden uns in unserer Wirtschaftskraft schwächen.

    Thoma: Aber trotzdem, Herr Sonnleitner. Ich habe schon noch in den Ohren klingeln, dass in der ganzen EU alle immer gesagt haben, wenn ihr jetzt noch weiter nachgebt bei der Welthandelsrunde, dann ist es eine Katastrophe für die Bauern auch in Deutschland, also noch weiter dürfen die Subventionen nicht runtergefahren werden. Jetzt tun sie so, als hätten sie das so alles gar nicht gewollt oder?

    Sonnleitner: Wir haben ja die Subventionen alle schon umgestellt. Wir haben riesige Preissenkungen hinter uns. Wir haben nach wie vor Stilllegungen, das heißt starke Produktionseinschränkungen. Und noch einmal, ich wiederhole mich: Die anderen Länder haben sich überhaupt noch keinen Millimeter bewegt. Das ist der große Unterschied. Sie haben nur immer von Europa Zusätzliches und noch mehr Zusätzliches gefordert, und Europa ist ja ein G25. Das heißt 25 Länder gehören dazu. Wenn hier mit dem Kahlschlag der Landwirtschaft begonnen wird, dann haben wir ein Problem, in Polen zum Beispiel, in Griechenland, in Portugal oder Finnland und Schweden, in den schwierigeren Gebieten. Dann setzt eine Migration ein. Man muss ja alles überdenken.

    Thoma: Bei den Amerikanern gibt es Freude darüber, dass man hart geblieben ist. Sogar im Senat war das wohl in Washington der Fall, ganz öffentlich Beifall, dafür, dass man hart geblieben ist. Gibt es vielleicht auch eine Lösung, sich mit den Schwellenländern jetzt alleine zu einigen, dass man da wenigstens die Subventionen und die Zölle herunterfährt?

    Sonnleitner: Darum habe ich das angedeutet. Jetzt wird es bilaterale Verträge geben, aber die sind natürlich für die Industrie, für die Wirtschaft, für die Landwirtschaft schwieriger zu gestalten, weil wir dann mit einem Bündel von Handelsabkommen rechnen müssen, mit unterschiedlichen Handelsabkommen, die dann nicht mehr so transparent und klar sind. Aber wir wollen den Handel und den Austausch, und das hat ja auch gezeigt, dass die europäische Landwirtschaft den zoll- und quotenfreien Zugang von Nahrungsmitteln für die 50 ärmsten Entwicklungsländer mitgetragen hat.

    Thoma: Aber auch da gab es Schwierigkeiten, weil ja die Entwicklungsländer und die Schwellenländer zum Teil mit ihren Zöllen vor allem auf die Industriegüter nicht heruntergehen wollten.

    Sonnleitner: Da ist besonders Brasilien zu nennen. Brasilien hat bei den industriellen Produkten keine Zugeständnisse gemacht. Es wollte aber nur Zugeständnisse im Agrarbereich von uns, von Europa. Brasilien ist im Agrarbereich kein Schwellenland. Das ist ein hoch technisiertes entwickeltes Land im Agrarsektor, unwahrscheinlich konkurrenzfähig, betreibt aber - und das wird leider bei den Standards der WTO-Verhandlungen nicht berücksichtigt - Raubbau am Regenwald, am Buschland und auch im sozialen Bereich mit Menschen. Auch dies muss auf den Tisch.

    Thoma: Da haben Sie aber auch gesagt, das was aus Brasilien bei uns auf den Tisch kommt, an Lebensmitteln jedenfalls, das entspricht nicht den Vorschriften, was Gesundheit, Verbraucherschutz und auch den normalen Anbau angeht, den landwirtschaftlichen guten.

    Sonnleitner: Nein. Da werden alle Standards, die wir einhalten - und wir haben strenge Standards und zu denen stehen wir: Umwelt, Tierschutz, Verbraucherschutz - in Brasilien nicht eingehalten. In Brasilien wird nach wie vor noch Regenwald in riesigem Ausmaß gerodet, nur um unsere Märkte zu beschicken. Dann wird in Brasilien der Regenwald kaputt gemacht und die Natur, und bei uns werden die Bauern ökonomisch kaputt gemacht, die unter hohen Standards und damit Auflagen und Kosten produzieren.

    Thoma: Aber deutsche Produkte, auch Lebensmittel, würden Sie schon gerne auch nach Brasilien bringen. Machen Sie das schon?

    Sonnleitner: Nein. Brasilien ist so ein starkes Agrarland. Die wollen nur eines: Export, Export und nochmals Export. Da kommt fast nichts hinein in Brasilien.

    Thoma: Also: die WTO-Runde ist gescheitert. Ein Wort vielleicht noch zu den Ernteausfällen hier in Deutschland durch die große Hitze, momentan ein riesiges Thema. Sie wollen da auch Beihilfen von der EU haben. Was ist da genau geplant, und wie groß sind die Ausfälle?

    Sonnleitner: Wir haben sehr große Ausfälle. Sie werden von Tag zu Tag größer. Bei der Wintergerste, bei der ersten Getreideart, wo wir gestartet sind, da war es noch nicht so schlimm, aber jetzt durch die extreme Hitze kommt Frühreife bei Weizen zum Beispiel, bei Roggen und bei Raps. Deswegen schlechte Qualitäten, starke Mindererträge und weil auch das Futter für die Rinder, zum Beispiel Mais oder Gras, richtiggehend verdorrt, haben wir die EU gebeten, dass wir auf den Flächen, die aus der Produktion genommen worden sind durch die Stilllegung, Futter ansäen dürfen für die Rinder.

    Thoma: Und das wird in dieser Woche noch geklärt?

    Sonnleitner: Ja.

    Thoma: Dankeschön, Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, im Deutschlandfunk-Interview. Schönen Tag noch.

    Sonnleitner: Danke sehr. Auf Wiederhören.