
Die Mehrheit der gen Park strömenden Senioren trägt Dauerkarten an blauen Bändchen um den Hals und einen bunten Stoffbeutel in der Hand. Man begrüßt sich, passiert gemeinsam die Kartenkontrolle und betritt den ältesten und größten kaiserlichen Garten der chinesischen Metropole.
Hinter dem prächtigen Ehrentor strahlt die "Weiße Dagoba" über den ruhigen See. Neben der Brücke auf die kleine Insel beendet eine Gruppe von neun älteren Herrschaften in heller, sportlicher Seniorenbekleidung die letzten Bewegungen eines Qi-Gong-Zyklus. Die konzentrierten Bewegungen und die entspannt lächelnden Gesichter der Beteiligten verströmen eine beinahe greifbare Ruhe. Die musikalische Untermalung liefert ein Kassettenrekorder auf der Theke eines verlassenen Verkaufsstandes im Hintergrund. Zehn Meter rechts daneben dienen die Absperrgitter des noch geschlossenen Bootsverleihs drei Damen als Trainingsstange. Ein Bein hochgestellt, klopfen sie sich zur Stimulierung der Energiezirkulation Beine, Arme und Rumpf. Die Teilnehmer der Qi Gong Gruppe entnehmen dem Taschenberg auf dem Tresen je einen roten Fächer und nehmen wieder Aufstellung.
Die Lockerheit im Handgelenk wird ein, zwei Mal geübt und schon legt sich die Konzentration wieder über jeden einzelnen. Sie scheinen keine Notiz zu nehmen von den immer zahlreicher hereinströmenden Parkbesuchern und auch nicht vom eingetroffenen Personal des Verkaufsstandes, das ungeduldig Aufsteller und Eisfähnchen um den Stand drapiert und die Theke beansprucht.
Auf dem Weg über die "Brücke des ewigen Friedens" sieht man die ersten Tretboote in See stechen und langsam füllen sich die breiten Uferwege der "Jadeinsel" mit Kinderwagen und Spaziergängern.
Zwischen einem Eisstand und einem noch geschlossenen Imbiss hat sich eine Gruppe Mittfünfziger um ein Hochbeet zum Discodancing zusammengefunden. Die Damen tragen weiße Turnschuhe, keine Kopfbedeckung und strahlen über das ganze Gesicht. Die Choreographie ist perfekt einstudiert und die schmissigen Bewegungen erinnern an die junger Mädchen. Vorbeikommende Spaziergänger fallen für einige Meter ihres Rundgangs spontan in freie Tanzimprovisationen.
Neben der sportlichen Damengruppe nutzen, völlig unberührt vom zunehmenden Trubel, ein Mann und eine Frau die rechteckigen Steinplatten der Wege auf ihre Art. Mit zum Boden gesenkten Gesichtern sind sie scheinbar eingetaucht in die Schriftzeichen, die sie mit langen Pinseln auf den mittlerweile sonnenwarmen Sandstein zeichnen. In kleinen Schritten bewegen sie sich rückwärts, schreiben, bleiben stehen, ein kurzer Blick auf die entstandene Zeile bevor die Zeichen zerrinnen und von der Sonne aufgesogen werden. Einzelne Besucher stehen daneben, ebenfalls leicht nach vorne gebeugt, die Hände auf dem Rücken verschränkt beobachten sie aufmerksam das kurzlebige Kunstereignis. Wohl dem, der es lesen kann. Die Frau taucht ihren Schaumstoffpinsel in ein mitgebrachtes Wassergefäß, nimmt einen zweiten Pinsel in die Hand, den sie ebenfalls sorgfältig wässert und beginnt schnell und konzentriert beidhändig synchron zu schreiben.
Die Tanzgruppenleiterin, eine kleine drahtige Frau in dunklen Jeans zum gestreiften T-Shirt, demonstriert den umstehenden Tänzerinnen resolut eine verpatzte Tanzbewegung.
An der Hand der Großeltern und Eltern mehren sich kleine, leicht übergewichtige Kinder mit Schmetterlingsflügeln in rosa und hellblau und ich habe den Verkaufsstand vom Eingang im Verdacht.
Die Wege füllen sich mit jungen Pärchen, Drei-Generationen-Familien mit Fotograf im Anhang und Spaziergruppen unterschiedlichster Zusammensetzung. Sie treten bereits vor dem Zerrinnen ungerührt auf die kalligraphischen Meisterleistungen zu ihren Füßen und es wird Zeit dem Mainstream zu entkommen.
Wie überall auf der Welt genügt dafür auch im Bai-Hai Park ein kurzer Abstecher über einen schmalen gewundenen Pfad, der sich über Steinstufen bergan schlängelt. Große Steine recht und links laden zum sitzen ein, durch die Bäume flutet sanft gefiltertes Licht und die Musik und das Rufen und Lachen der Erholungssuchenden wird schnell leiser. Durch eine Öffnung sieht man einige Paare, die sich auf einer vorgelagerten Terrasse am Seeufer im Paartanz drehen und zur Freude der Autorin tragen die Bäume Schildchen, die sie als "Pinus bungeana" rechts und "Euonymus fortunei", links ausweisen.
In einem kleinen, sechseckigen Pavillon, eingebettet zwischen Felsen sitzen zwei Männer auf ihren leeren Stoffbeuteln, die sie säuberlich auf der dunkelroten Brüstung ausgebreitet haben. Sie halten die zweisaitige Er-ku, die sogenannte "chinesische Violine" auf die linken Schenkel gestützt und blicken in die ausgebreiteten Notenblätter.
Beim Betreten des offenen Konzertraumes begrüßen mich die Musiker mit einem Kopfnicken und der Sänger hat ein Einsehen. Man lacht und scheint zu beratschlagen, wie man das gemeinsame Spiel weiter gestaltet, so ganz ohne Gesang. Auch ohne Sprachkenntnisse habe ich schnell das Gefühl, die Herren reden über mich, und prompt: "Hello, sing!" "Sorry, I can't", ein Lachen, ein leichter Husten zur nicht nötigen Begründung und das Konzert wird fortgesetzt.
Von hier hat man einen wunderschönen Blick über See und Park auf die Hochhäuser der Stadt und unter uns auf dem Uferweg tummelt sich mittlerweile ein nicht unerheblicher Teil ihrer 13 Mio. Bewohner.
Über den kleinen Hügel gelange ich auf fast menschenleeren Wegen, vorbei an der strahlenden Dagoba auf die andere Seite der kleinen Insel. Hier erinnert der Blick über den See mittlerweile eher an eine überfüllte Autoscooter-Bahn. Doch kein Problem für massengewöhnte Chinesen und da die Sonnendächer der meisten Tretboote exakt das gleiche strahlende Blau wie der Himmel aufweisen, gleicht das Bild einem wohl abgestimmten, friedlichen Stillleben.
Fast wieder an der Brücke aufs Festland angelangt, scheint eine Darbietung in einem großen, rechteckigen Pavillon eine beachtliche Menge an Zuschauern zu begeistern. Bis ich mich ins Zentrum des Geschehens vorgearbeitet habe, macht das 12-köpfige Mundharmonikaorchester jedoch erst einmal Pause. Die Zuschauertraube löst sich auf, man begrüßt Freunde und Bekannte und schaltet die kleinen, um den Bauch getragenen Verstärker aus. Die überwiegend männlichen Spieler tragen blaue T-Shirts mit einem Emblem, das sich auch auf der himmelblauen Fahne findet, die an eine Säule gebunden im Wind flattert. Man spricht durcheinander, raucht, tauscht Noten aus und spielt ein wenig vor sich hin.
Die Bandmitglieder nehmen wieder Aufstellung und da entdecke ich auch die zur Gruppe gehörenden Tänzerinnen und es drängt sich der Gedanke auf, es könnte sich um die Frauen der Musiker handeln. Auf jeden Fall tanzen sie, umstanden vom schmetternden Orchester, ganz reizend in Figuren, die entfernt an Square Dance erinnern.
Rundum erinnert der Platz vor der Brücke mittlerweile an eine Spielwiese für Senioren. Eine Gruppe älterer Herren mit hellen Turnschuhen übt unter Anleitung den sportlichen Zweikampf mit langen Stöcken und Schwertern aus Holz. Bunte Bälle fliegen durch die Luft und werden mittels schalenförmiger Fanggeräte scheinbar lediglich elegant in die entgegengesetzte Flugrichtung umgeleitet und Federbälle fliegen zielsicher von Fuß zu Fuß.
Wieder auf dem Festland, ist die Richtungsentscheidung schnell gefallen. Unter einem weitausladenden Baum sitzen Spaziergänger auf hellen Holzbänken und lauschen gebannt einer Sängerin. Lediglich zwei Kartenspieler bleiben ungerührt in ihr Spiel vertieft. Die Zuhörer folgen gebannt den Bewegungen der kleinen Dame, die wirkt, als hätte sie auch schon größere Bühnen und Zuschauerräume mit ihrer Stimme gefüllt. Man wippt im Takt mit dem Fuß und formt den offensichtlich bekannten Text tonlos mit den Lippen nach.
Die Dame verbeugt sich lächelnd nach allen Seiten, bedankt sich und wird von einer jungen, elegant gekleideten Frau in ein Gespräch über Atemtechnik verwickelt. Ihr Mann verstaut unterdessen sein Instrument, sammelt die Notenblätter in den Beutel und löst seine Frau freundlich aus der Gruppe ihrer Bewunderer. Die Zuhörer nicken sich zum Abschied zu und nur die Kartenspieler rücken einige Meter weiter in den Schatten und scheinen sich über die wiedereinkehrende Ruhe zu freuen.
Ich versuche mir eine ähnliche Spontandarbietung im Berliner Tiergarten vorzustellen. Doch dieser Versuch ist ebenso erfolglos wie kurz, weil bereits die nächste musikalische Überraschung wartet.
Zurückgesetzt von der Uferpromenade, hinter Bäumen versteckt sitzen ca. 20 Männer und Frauen auf der Balustrade eines Pavillons. Hier liegen die Stoffbeutel auf dem Boden und dienen den Notenblätter und Teegefäße als Unterlage. Wie jedes Mal lädt ein freundliches Lächeln zum Nähertreten und ich setze mich mit meinem Mikrophon neben den Eingang auf einen warmen Stein. Auch hier geht es offensichtlich nicht in erster Linie um Perfektion in Rhythmik und Intonation.
Und hätte ich kein Mikrophon dabeigehabt, hätte ich spätestens hier am Musizieren teilgenommen. Doch so freute ich mich über den perfekten Abschluss dieses musikalischen Sonntags im grünen Herzen Pekings.
Hinter dem prächtigen Ehrentor strahlt die "Weiße Dagoba" über den ruhigen See. Neben der Brücke auf die kleine Insel beendet eine Gruppe von neun älteren Herrschaften in heller, sportlicher Seniorenbekleidung die letzten Bewegungen eines Qi-Gong-Zyklus. Die konzentrierten Bewegungen und die entspannt lächelnden Gesichter der Beteiligten verströmen eine beinahe greifbare Ruhe. Die musikalische Untermalung liefert ein Kassettenrekorder auf der Theke eines verlassenen Verkaufsstandes im Hintergrund. Zehn Meter rechts daneben dienen die Absperrgitter des noch geschlossenen Bootsverleihs drei Damen als Trainingsstange. Ein Bein hochgestellt, klopfen sie sich zur Stimulierung der Energiezirkulation Beine, Arme und Rumpf. Die Teilnehmer der Qi Gong Gruppe entnehmen dem Taschenberg auf dem Tresen je einen roten Fächer und nehmen wieder Aufstellung.
Die Lockerheit im Handgelenk wird ein, zwei Mal geübt und schon legt sich die Konzentration wieder über jeden einzelnen. Sie scheinen keine Notiz zu nehmen von den immer zahlreicher hereinströmenden Parkbesuchern und auch nicht vom eingetroffenen Personal des Verkaufsstandes, das ungeduldig Aufsteller und Eisfähnchen um den Stand drapiert und die Theke beansprucht.
Auf dem Weg über die "Brücke des ewigen Friedens" sieht man die ersten Tretboote in See stechen und langsam füllen sich die breiten Uferwege der "Jadeinsel" mit Kinderwagen und Spaziergängern.
Zwischen einem Eisstand und einem noch geschlossenen Imbiss hat sich eine Gruppe Mittfünfziger um ein Hochbeet zum Discodancing zusammengefunden. Die Damen tragen weiße Turnschuhe, keine Kopfbedeckung und strahlen über das ganze Gesicht. Die Choreographie ist perfekt einstudiert und die schmissigen Bewegungen erinnern an die junger Mädchen. Vorbeikommende Spaziergänger fallen für einige Meter ihres Rundgangs spontan in freie Tanzimprovisationen.
Neben der sportlichen Damengruppe nutzen, völlig unberührt vom zunehmenden Trubel, ein Mann und eine Frau die rechteckigen Steinplatten der Wege auf ihre Art. Mit zum Boden gesenkten Gesichtern sind sie scheinbar eingetaucht in die Schriftzeichen, die sie mit langen Pinseln auf den mittlerweile sonnenwarmen Sandstein zeichnen. In kleinen Schritten bewegen sie sich rückwärts, schreiben, bleiben stehen, ein kurzer Blick auf die entstandene Zeile bevor die Zeichen zerrinnen und von der Sonne aufgesogen werden. Einzelne Besucher stehen daneben, ebenfalls leicht nach vorne gebeugt, die Hände auf dem Rücken verschränkt beobachten sie aufmerksam das kurzlebige Kunstereignis. Wohl dem, der es lesen kann. Die Frau taucht ihren Schaumstoffpinsel in ein mitgebrachtes Wassergefäß, nimmt einen zweiten Pinsel in die Hand, den sie ebenfalls sorgfältig wässert und beginnt schnell und konzentriert beidhändig synchron zu schreiben.
Die Tanzgruppenleiterin, eine kleine drahtige Frau in dunklen Jeans zum gestreiften T-Shirt, demonstriert den umstehenden Tänzerinnen resolut eine verpatzte Tanzbewegung.
An der Hand der Großeltern und Eltern mehren sich kleine, leicht übergewichtige Kinder mit Schmetterlingsflügeln in rosa und hellblau und ich habe den Verkaufsstand vom Eingang im Verdacht.
Die Wege füllen sich mit jungen Pärchen, Drei-Generationen-Familien mit Fotograf im Anhang und Spaziergruppen unterschiedlichster Zusammensetzung. Sie treten bereits vor dem Zerrinnen ungerührt auf die kalligraphischen Meisterleistungen zu ihren Füßen und es wird Zeit dem Mainstream zu entkommen.
Wie überall auf der Welt genügt dafür auch im Bai-Hai Park ein kurzer Abstecher über einen schmalen gewundenen Pfad, der sich über Steinstufen bergan schlängelt. Große Steine recht und links laden zum sitzen ein, durch die Bäume flutet sanft gefiltertes Licht und die Musik und das Rufen und Lachen der Erholungssuchenden wird schnell leiser. Durch eine Öffnung sieht man einige Paare, die sich auf einer vorgelagerten Terrasse am Seeufer im Paartanz drehen und zur Freude der Autorin tragen die Bäume Schildchen, die sie als "Pinus bungeana" rechts und "Euonymus fortunei", links ausweisen.
In einem kleinen, sechseckigen Pavillon, eingebettet zwischen Felsen sitzen zwei Männer auf ihren leeren Stoffbeuteln, die sie säuberlich auf der dunkelroten Brüstung ausgebreitet haben. Sie halten die zweisaitige Er-ku, die sogenannte "chinesische Violine" auf die linken Schenkel gestützt und blicken in die ausgebreiteten Notenblätter.
Beim Betreten des offenen Konzertraumes begrüßen mich die Musiker mit einem Kopfnicken und der Sänger hat ein Einsehen. Man lacht und scheint zu beratschlagen, wie man das gemeinsame Spiel weiter gestaltet, so ganz ohne Gesang. Auch ohne Sprachkenntnisse habe ich schnell das Gefühl, die Herren reden über mich, und prompt: "Hello, sing!" "Sorry, I can't", ein Lachen, ein leichter Husten zur nicht nötigen Begründung und das Konzert wird fortgesetzt.
Von hier hat man einen wunderschönen Blick über See und Park auf die Hochhäuser der Stadt und unter uns auf dem Uferweg tummelt sich mittlerweile ein nicht unerheblicher Teil ihrer 13 Mio. Bewohner.
Über den kleinen Hügel gelange ich auf fast menschenleeren Wegen, vorbei an der strahlenden Dagoba auf die andere Seite der kleinen Insel. Hier erinnert der Blick über den See mittlerweile eher an eine überfüllte Autoscooter-Bahn. Doch kein Problem für massengewöhnte Chinesen und da die Sonnendächer der meisten Tretboote exakt das gleiche strahlende Blau wie der Himmel aufweisen, gleicht das Bild einem wohl abgestimmten, friedlichen Stillleben.
Fast wieder an der Brücke aufs Festland angelangt, scheint eine Darbietung in einem großen, rechteckigen Pavillon eine beachtliche Menge an Zuschauern zu begeistern. Bis ich mich ins Zentrum des Geschehens vorgearbeitet habe, macht das 12-köpfige Mundharmonikaorchester jedoch erst einmal Pause. Die Zuschauertraube löst sich auf, man begrüßt Freunde und Bekannte und schaltet die kleinen, um den Bauch getragenen Verstärker aus. Die überwiegend männlichen Spieler tragen blaue T-Shirts mit einem Emblem, das sich auch auf der himmelblauen Fahne findet, die an eine Säule gebunden im Wind flattert. Man spricht durcheinander, raucht, tauscht Noten aus und spielt ein wenig vor sich hin.
Die Bandmitglieder nehmen wieder Aufstellung und da entdecke ich auch die zur Gruppe gehörenden Tänzerinnen und es drängt sich der Gedanke auf, es könnte sich um die Frauen der Musiker handeln. Auf jeden Fall tanzen sie, umstanden vom schmetternden Orchester, ganz reizend in Figuren, die entfernt an Square Dance erinnern.
Rundum erinnert der Platz vor der Brücke mittlerweile an eine Spielwiese für Senioren. Eine Gruppe älterer Herren mit hellen Turnschuhen übt unter Anleitung den sportlichen Zweikampf mit langen Stöcken und Schwertern aus Holz. Bunte Bälle fliegen durch die Luft und werden mittels schalenförmiger Fanggeräte scheinbar lediglich elegant in die entgegengesetzte Flugrichtung umgeleitet und Federbälle fliegen zielsicher von Fuß zu Fuß.
Wieder auf dem Festland, ist die Richtungsentscheidung schnell gefallen. Unter einem weitausladenden Baum sitzen Spaziergänger auf hellen Holzbänken und lauschen gebannt einer Sängerin. Lediglich zwei Kartenspieler bleiben ungerührt in ihr Spiel vertieft. Die Zuhörer folgen gebannt den Bewegungen der kleinen Dame, die wirkt, als hätte sie auch schon größere Bühnen und Zuschauerräume mit ihrer Stimme gefüllt. Man wippt im Takt mit dem Fuß und formt den offensichtlich bekannten Text tonlos mit den Lippen nach.
Die Dame verbeugt sich lächelnd nach allen Seiten, bedankt sich und wird von einer jungen, elegant gekleideten Frau in ein Gespräch über Atemtechnik verwickelt. Ihr Mann verstaut unterdessen sein Instrument, sammelt die Notenblätter in den Beutel und löst seine Frau freundlich aus der Gruppe ihrer Bewunderer. Die Zuhörer nicken sich zum Abschied zu und nur die Kartenspieler rücken einige Meter weiter in den Schatten und scheinen sich über die wiedereinkehrende Ruhe zu freuen.
Ich versuche mir eine ähnliche Spontandarbietung im Berliner Tiergarten vorzustellen. Doch dieser Versuch ist ebenso erfolglos wie kurz, weil bereits die nächste musikalische Überraschung wartet.
Zurückgesetzt von der Uferpromenade, hinter Bäumen versteckt sitzen ca. 20 Männer und Frauen auf der Balustrade eines Pavillons. Hier liegen die Stoffbeutel auf dem Boden und dienen den Notenblätter und Teegefäße als Unterlage. Wie jedes Mal lädt ein freundliches Lächeln zum Nähertreten und ich setze mich mit meinem Mikrophon neben den Eingang auf einen warmen Stein. Auch hier geht es offensichtlich nicht in erster Linie um Perfektion in Rhythmik und Intonation.
Und hätte ich kein Mikrophon dabeigehabt, hätte ich spätestens hier am Musizieren teilgenommen. Doch so freute ich mich über den perfekten Abschluss dieses musikalischen Sonntags im grünen Herzen Pekings.