Archiv

Sophie Ellis Bextor
Mit "Wanderlust" neu orientiert

Vor 14 Jahren hatte Sophie Ellis Bextor mit dem DJ "Spiller" den ersten großen Discohit "Groovejet". Dann startete die britische Sängerin eine erfolgreiche Solokarriere. In ihrem fünften Album "Wanderlust" überrascht sie nun mit einer reifer klingenden Mischung aus Folk und Pop.

Von Christiane Rebmann |
    Die britische Sängerin Sophie Ellis Bextor mit schulterfreiem Glitzerkleid und Mikrofon bei einem Auftritt 2007 in London.
    Sophie Ellis Bextor, inzwischen mit Mitte 30, ist dem Discopop entwachsen. (picture-alliance/ dpa / Yiu Mok)
    Das in Großbritannien derzeit sehr populäre Wort "Wanderlust" wählte Sophie Ellis Bextor als Titel ihres neuen Werkes, weil sie das Reisen im Allgemeinen liebt. Im Besonderen bezieht sich der Titel auf die vielen Tourneen durch Osteuropa, vor allem durch Russland, wo sie sehr populär ist. "Ich mochte die Atmosphäre dort und dieses Theatralische, das die Menschen in der Region teilweise haben", sagt Sophie Ellis Bextor. "Ich habe mich hier vor allem von den romantischen Klischees inspirieren lassen, von den Märchen und den Bildern von verschneiten Winterlandschaften."
    Ihre Aufenthalte dort seien immer ausgesprochen kurzweilig gewesen, erzählt sie. "Unter anderem wurde ich eingeladen, im Kreml zu singen. Ich trug eine Aeroflot Uniform. Russischer geht's nicht, es sei denn, man holt sich einen russischen Pass. Die Uniform ist umwerfend, im 60er Jahre Stil. Sie würde gut in die TV Serie 'Madmen' passen. Sie ist rotorange, sehr eng anliegend, mit weißem Kragen und weißen Manschetten und einem netten Hütchen. Ich habe sie danach noch zu einer Kostümparty getragen."
    Als die britische Künstlerin an dem neuen Werk arbeitete, hatte sich die Lage in Russland noch nicht so zugespitzt. "Es ist ein merkwürdiges Timing, dass ich gerade jetzt mit diesem Album komme, wo die politische Situation in Russland so schwierig ist. Ich habe sehr viele schwule Fans. Die schwule Gemeinde dort hat meine uneingeschränkte Unterstützung."
    "Ich bin der Wolf"
    Sie selbst pflegt eine heterosexuelle Beziehung, die sie im Song "The Deer and the wolf" selbstironisch analysiert. "Mein Ehemann Richard ist ein sehr ausgeglichener Mensch. Ich könnte nicht mit jemandem zusammen sein, der auch so ein Hitzkopf ist wie ich. Weil Richard so ruhig ist, streiten wir uns fast nie. Ich schimpfe langatmig über all das, was mich aufregt. Bis ich völlig erschöpft bin. Er sitzt nur da und sagt: 'Ah ja, mhm, Du hast recht.' Ich streite mich also nur mit mir selbst. Und er wartet, bis ich meinen Dampf abgelassen habe. Ich bin eindeutig der Wolf, wenn ich mit Richard zusammen bin."
    Für die dreifache Mutter ist ihre Musik zwar wichtig, aber sie kommt immer erst an zweiter Stelle - nach ihrer Familie. Nach den Studioarbeiten kochte sie abends für alle, auch die Kollegen. Die Musik lässt sich e' nicht aus ihrem Leben heraushalten. Ihr Ehemann Richard Jones ist der Bassist der Band The Feeling. Beide wissen also, was es heißt, im Showbusiness zu arbeiten. Bextor selbst hat inzwischen gelernt, sich die negativen Auswirkungen vom Hals zu halten. Sie sucht nicht die Öffentlichkeit und kann deshalb unbehelligt in London mit der U-Bahn fahren.
    Bittersüße Melancholie
    Die negativen Erfahrungen aus der Anfangszeit verarbeitete sie im Walzer "Love is a camera", einem Märchen über eine Hexe, die Menschen fängt, indem sie Fotos von ihnen macht. "In diesem Song", erzählt sie, "bin ich hinter Glas gefangen. Ich bin eines ihrer Opfer. Ich beobachte, wie die anderen hilflosen Menschen an ihre Tür kommen und denken: Sie wird mich nur fotografieren. Und als nächstes hängen sie schwarzweiß an ihrer Wand, für immer gefangen. Nicht gerade ein Happy End."
    Ein wenig düster ist auch einer der schönsten Songs auf "Wanderlust": "Until the stars collide". Für den Songtext ließ sie sich von einer US Dichterin inspirieren. "Ich habe mich eingehend mit Emily Dickinson beschäftigt, als ich zur Schule ging. Sie wissen ja, wie das ist, wenn man in der Oberstufe ist, mit 17, 18. Alles was man liest, kommt einem unglaublich wichtig und inhaltsschwanger vor. Vor allem, wenn es ein bisschen gruselig und düster ist. Damals habe ich die Gedichte von Emily Dickinson geliebt. 'Ich konnt nicht halten für den Tod' zum Beispiel. Sie war besessen vom Tod. Und mein Album hat auch eine morbide Seite."
    Diese morbide Seite zeigt sich allerdings nur in wenigen Songs. Eine bittersüße Melancholie überwiegt. Mit "Wanderlust" hat sich Sophie Ellis Bextor erfolgreich neu orientiert - in Richtung anspruchsvollere Popmusik.