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Sorbische Tageszeitung wankt

In Brandenburg und Sachsen lebt ein kleines Volk: die Sorben. Die Minderheit trägt traditionelle Trachten, pflegt eine eigene Sprache und hat auch eine eigene Tageszeitung. Serbske Nowiny erscheint seit 140 Jahren. Doch nun ist das Blatt aus der Lausitz in seiner Existenz bedroht.

Von Ralf Geissler |
    Wenn Benedikt Dyrlich und Alfons Wicaz ihre Zeitung planen, verstehen die meisten Deutschen kein Wort. Die beiden Journalisten gehören zu einem kleinen Völkchen in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz: den Sorben. Für diese Minderheit geben sie täglich die Serbske Nowiny heraus. Seit fast neun Jahren ist Benedikt Dyrlich Chefredakteur:

    Also wir sind eine der kleinsten Tageszeitungen Europas. Wir sind auch unter den europäischen autochthonen Minderheitenzeitungen eine der kleinsten Zeitungen. Wir haben eine Abonnentenzahl von 2000.

    Trotz kleiner Auflage: In zwei Gemeinden der Lausitz ist Serbske Nowiny Marktführer. In den vergangenen fünf Jahren hat Dyrlich die Zahl der Abos sogar um zwanzig Prozent steigern können.

    Wir sind in der guten Situation, dass die obersorbische Sprache immer wieder von jüngeren Menschen gelernt wird und auch weitergegeben wird.

    Die Sorben sind ein traditionsbewusstes Völkchen. Etwa 60.000 leben von ihnen noch in Sachsen und Brandenburg. Zwar kämpfen auch sie gegen Abwanderung. Doch bislang konnte sich ihre Kultur behaupten. Am Wochenende gehen viele noch in Tracht zur Kirche. Veronika Malik trägt ihre sorbische Kleidung sogar noch täglich. Sie betreibt ein sorbisches Restaurant in Bautzen. Im Zeitungsständer steht an prominentester Stelle die Serbske Nowiny:

    Serbske Nowine ist auch ein Stück Kindheit. Ich habe das erlebt - bei uns in der Familie waren wir drei Generationen - wie meine Eltern und Großeltern schon Serbske Nowine gelesen haben. Und wir haben von Montag bis Freitag jeden Tag abonniert und gelesen.

    Ob das Blatt allerdings auch künftig in gewohnter Qualität geliefert wird, ist offen. Serbske Nowiny lebt zu 90 Prozent von staatlichen Fördergeldern. Doch die Bundesregierung muss sparen. Bislang zahlte sie jährlich 8 Millionen Euro. Davon wurde nicht nur die Zeitung unterstützt, sondern auch ein sorbisches Theater, ein Musik-Ensemble und kleinere Kultureinrichtungen.

    Dyrlich:
    Nächstes Jahr soll zum ersten mal eine drastische Kürzung dieser Anteile stattfinden. Wir bedauern das sehr, weil man diese Hauruckaktion in einer Art und Weise macht, die nicht ganz so ist, wie wir uns das vorgestellt haben: Dass man miteinander erst mal spricht und dann noch mal wirklich durchgeht, was wirklich an Bedarf da ist.

    Dyrlich spricht von einer halben Million Euro, die für sorbische Kulturarbeit wegfallen soll. Die Bundesregierung will noch keine konkreten Zahlen nennen. Sie bestätigt aber, dass gekürzt werden wird. In ihrer Existenz-Angst hat sich die Redaktion der Serbske Nowiny an den Deutschen Journalistenverband in Sachsen gewandt. Dort zeigt Geschäftsführer Michael Hiller Verständnis für die Sorgen des kleinen Blattes:

    Sie sind jetzt schon in einer Situation, wo die Arbeit kaum zu schaffen ist. Das ist ganz klar. Man muss eine Tageszeitung von vorn bis hinten in einer Sprache produzieren, die von den Agenturen nicht angeboten wird. Alles muss zumindest noch mal übersetzt werden, eine Tätigkeit, die die Redakteure zusätzlich machen müssen.

    Hiller hält die Zeitung für wichtig, weil sie einen sprachhistorischen Auftrag erfüllt. Die Redaktion hält das Sorbische lebendig und auf dem aktuellsten Stand. Nahezu täglich müssen sich die Journalisten sorbische Wörter einfallen lassen: Wie übersetzt man zum Beispiel EU-Kommission, Kopfpauschale oder Familienlastenausgleich?

    Familienlastenausgleich heißt auf Sorbisch. Wie haben wir das damals übersetzt? Narunanje socialnych cezow würde ich jetzt schnell sagen.

    Chefredakteur Dyrlich will um seine Fördergelder kämpfen. Auf keinen Fall dürfe Serbske Nowiny zu einem billigen Vereins- oder Anzeigenblättchen werden. Schließlich gelte es nicht nur ein sorbisches Qualitätsblatt zu bewahren, sondern auch eine der letzten Abendzeitungen Deutschlands. Täglich 17 Uhr landet Serbske Nowiny bei den Abonnenten im Briefkasten. Stolz sagt Dyrlich: Was bis zum Mittag in der Welt passiert ist, das erfahren unsere Leser noch bevor sie 20 Uhr die Tagesschau gucken.