"Ich komme aus Assuan, bin in Assuan geboren, habe in Assuan gearbeitet und bin nun in Dahab, um hier weiterzuarbeiten. Zuerst einmal bin ich Nubier und dann Ägypter. Wir sind Nubier. Wenn sie im Sudan jemanden fragen, bist du Sudanese oder Nubier wird er Ihnen sagen wir sind Nubier, der Sudan kam später, Ägypten kam später, denn unser Königreich existierte bereits vor Ägypten und Sudan. Also sind wir Nubier."
Rafat ist stolz auf seine Wurzeln, seine Sprache und seine Heimat Assuan. Hier leben besonders viele Nubier, rund 700.000 von insgesamt drei Millionen, die überwiegend in Südägypten wohnen. Auch im benachbarten Sudan gibt es Nubier, und die Grenze zwischen Ägypten und Sudan fühlt sich für sie immer noch eher künstlich an. Rafat hat auch viele Verwandte im Sudan, die er regelmäßig besucht. Und wenn beispielsweise eine Hochzeit gefeiert wird, dann kommen sowieso alle zusammen. Eingeladen wird aber nicht nur die Familie.
"Der Bräutigam und seine künftige Ehefrau müssen das ganze Dorf einladen. Deshalb sind sie über zwei Wochen vor der Hochzeit dort unterwegs und laden alle ein. Und dafür gehen sie wirklich von Tür zu Tür, also von Haus zu Haus."
Bevor das dreitägige Hochzeitsfest beginnt, das draußen auf der Straße und auf öffentlichen Plätzen mit viel Live-Musik und selbstgemachten Köstlichkeiten gefeiert wird, müssen sich der Bräutigam und seine künftige Gattin auf die Zeremonie ganz gezielt vorbereiten.
"Der Mann, der heiraten wird, verteilt das Henna auf seinem ganzen Körper und die künftige Ehefrau malt Tattoos, also Muster mit Henna auf ihren Körper und dafür bleibt die Frau ungefähr einen Monat in einem Raum, der mit Sandelholz beräuchert wird. Sie bleibt also in diesem gut riechenden Raum, darf nirgendwohin gehen, nichts anderes berühren und bemalt nur ihren Körper Tag für Tag, und dadurch wird die Haut immer weicher. Die Europäer benutzen das Henna nur zur Körperbemalung, aber wir benutzen es auch zur Reinigung, denn durch das Henna verschwindet auch jede Müdigkeit oder Erkältung aus dem Körper. Es ist also auch gesund für den Körper."
Seit vielen Jahren ist aber selbst bei der traditionellen nubischen Hochzeit der Einfluss der Moderne nicht mehr wegzudenken. Die Braut trägt ein weißes Kleid, der Bräutigam keine Galabia wie früher, sondern einen dunklen Anzug. Gemeinsam gehen sie dann ins Fotostudio und lassen sich so herausgeputzt mehrfach ablichten. Die Bilder schmücken dann ein Leben lang das zu Hause der frisch vermählten Eheleute. Und die Videofilme dürfen natürlich auch nicht fehlen. Stunde um Stunde wird aufgezeichnet, denn die bewegten Bilder sind später die Zeugen der schönsten Tage ihres Lebens.
Zur nubischen Kultur gehören ganz verschiedene Stammesgemeinschaften, die schon rund 3500 Jahre vor Christus entstanden sind. Nubier im engeren Sinne wurden zum ersten Mal um Christi Geburt erwähnt. Sie lebten am Nil, hatten ihre eigenen Sprachen und waren geschickt im Kunsthandwerk. Ihre Häuser sind überwiegend aus Lehm und teilweise bemalt. Ein beliebtes Motiv ist bis heute der Nil.
Der Fluss ist die Lebensader der Menschen und an seinem Ufer werden immer noch Neugeborene kurz ins Wasser getaucht – das Geburtsritual. In einigen Häusern flechten auch noch heute Frauen bunt bemalte Palmenwedel zu Taschen oder schmieden Schmuckstücke, die dann an Besucher verkauft werden. Damit wollen sie ihre Traditionen lebendig halten. Wenngleich sich das alltägliche Leben in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert hat.
"Seit den 60er-Jahren hat sich unser traditionelles Leben ein bisschen geändert. Wir wollen nämlich eine gute Ausbildung, auch für unsere Frauen. Deshalb arbeiten viele Frauen bei der Regierung, als Lehrerinnen, als Ärztinnen oder als Ingenieurinnen. Natürlich fände ich es schöner, wenn meine Frau zu Hause bleiben kann, aber das ist inzwischen ökonomisch nicht mehr möglich. Also gehen die Frauen auch arbeiten, denn sonst könnten wir nicht leben."
Inzwischen gibt es auch Kindergärten, sodass die Frauen nach einigen Monaten Babypause wieder ein paar Stunden arbeiten können. Und das Verhältnis zu den Ägyptern ist etwas entspannter geworden. Das war nach der Zwangumsiedlung, die 1960 durch den Neubau des Assuan-Staudamms in die Wege geleitet wurde, nicht immer so.
"Vierzig Dörfer wurden im Laufe der Jahre zwischen Assuan, Abu Simbel und Kom Ombo umgesiedelt. Das hat die Gemeinschaft natürlich beeinflusst und teilweise zerstört. Am Anfang lebten sie in einer Gemeinschaft sehr nah zusammen. Aber wenn einige in ein Dorf und andere in ein anderes Dorf umziehen müssen und dann unter ägyptischen Menschen bzw. arabischen Menschen leben müssen, das hat natürlich Auswirkungen auf ihr Leben."
Bis heute streiten sie sich hin und wieder über ihre Rechte, wenn es beispielsweise darum geht, wem welches Land gehört. Und die meisten Nubier fühlen sich immer noch mehr zum afrikanischen Kontinent hingezogen als zum Nahen Osten, auch wenn sie einen ägyptischen Pass haben. Ihr größter Unterschied zu Ägyptern:
"Die Farbe, wir sind dunkler. Natürlich gibt es noch viele andere Unterschiede zwischen uns und den Ägyptern. Zum Beispiel, wenn ich arbeite und ein Kollege sagt mir etwas, was mich aufregt oder beleidigt, kann ich sofort den Ort verlassen. Denn ich gebe immer mein Bestes. Es interessiert mich dann nicht, ob das dem Chef gefällt oder nicht, denn der Kollege muss aufpassen, was er mir gegenüber sagt."
Respekt im täglichen Umgang – das ist ganz wichtig, sagt Rafat weiter, denn die Nubier seien sehr stolz. Auch auf ihre Sprache, die trotz Veränderungen über die Jahrhunderte, ihre Identität geprägt hat.
"Wir sorgen uns wirklich um die junge Generation, die jungen Leute sprechen die nubische Sprache nicht mehr. Unsere Sprache ist eine gesprochene, aber keine geschriebene Sprache. Und in den Medien wird natürlich arabisch gesprochen, deshalb sprechen sie auch untereinander arabisch. In den meisten Dörfern spricht die junge Generation also kein nubisch mehr."
Die Jugendlichen verstehen zwar meistens, wenn sich beispielsweise ihre Eltern auf nubisch unterhalten, aber sie antworten auf Arabisch, wenn die Mutter sie auf nubisch etwas fragt. Außerdem scheuen sich die Familien mit ihren Kindern zu viel nubisch zu reden, da sie wissen, dass ihr Nachwuchs in der Schule damit nicht weiterkommt.
"Unsere Schulen gehören ja dem Staat, deshalb sind dort Lehrer, die arabisch sprechen und alles auf Arabisch erklären. Also müssen die Kinder auch arabisch lernen, damit sie den Lehrer auch verstehen und sich mit ihm unterhalten können. Deshalb lernen die Kinder in erster Linie zu Hause arabisch."
Nubisch als zweite Fremdsprache in der Schule, davon träumen zwar viele Nubier, aber glauben selbst in Post Mubarak Zeiten nicht an einen solchen Vorstoß des Staates.
Rafat ist stolz auf seine Wurzeln, seine Sprache und seine Heimat Assuan. Hier leben besonders viele Nubier, rund 700.000 von insgesamt drei Millionen, die überwiegend in Südägypten wohnen. Auch im benachbarten Sudan gibt es Nubier, und die Grenze zwischen Ägypten und Sudan fühlt sich für sie immer noch eher künstlich an. Rafat hat auch viele Verwandte im Sudan, die er regelmäßig besucht. Und wenn beispielsweise eine Hochzeit gefeiert wird, dann kommen sowieso alle zusammen. Eingeladen wird aber nicht nur die Familie.
"Der Bräutigam und seine künftige Ehefrau müssen das ganze Dorf einladen. Deshalb sind sie über zwei Wochen vor der Hochzeit dort unterwegs und laden alle ein. Und dafür gehen sie wirklich von Tür zu Tür, also von Haus zu Haus."
Bevor das dreitägige Hochzeitsfest beginnt, das draußen auf der Straße und auf öffentlichen Plätzen mit viel Live-Musik und selbstgemachten Köstlichkeiten gefeiert wird, müssen sich der Bräutigam und seine künftige Gattin auf die Zeremonie ganz gezielt vorbereiten.
"Der Mann, der heiraten wird, verteilt das Henna auf seinem ganzen Körper und die künftige Ehefrau malt Tattoos, also Muster mit Henna auf ihren Körper und dafür bleibt die Frau ungefähr einen Monat in einem Raum, der mit Sandelholz beräuchert wird. Sie bleibt also in diesem gut riechenden Raum, darf nirgendwohin gehen, nichts anderes berühren und bemalt nur ihren Körper Tag für Tag, und dadurch wird die Haut immer weicher. Die Europäer benutzen das Henna nur zur Körperbemalung, aber wir benutzen es auch zur Reinigung, denn durch das Henna verschwindet auch jede Müdigkeit oder Erkältung aus dem Körper. Es ist also auch gesund für den Körper."
Seit vielen Jahren ist aber selbst bei der traditionellen nubischen Hochzeit der Einfluss der Moderne nicht mehr wegzudenken. Die Braut trägt ein weißes Kleid, der Bräutigam keine Galabia wie früher, sondern einen dunklen Anzug. Gemeinsam gehen sie dann ins Fotostudio und lassen sich so herausgeputzt mehrfach ablichten. Die Bilder schmücken dann ein Leben lang das zu Hause der frisch vermählten Eheleute. Und die Videofilme dürfen natürlich auch nicht fehlen. Stunde um Stunde wird aufgezeichnet, denn die bewegten Bilder sind später die Zeugen der schönsten Tage ihres Lebens.
Zur nubischen Kultur gehören ganz verschiedene Stammesgemeinschaften, die schon rund 3500 Jahre vor Christus entstanden sind. Nubier im engeren Sinne wurden zum ersten Mal um Christi Geburt erwähnt. Sie lebten am Nil, hatten ihre eigenen Sprachen und waren geschickt im Kunsthandwerk. Ihre Häuser sind überwiegend aus Lehm und teilweise bemalt. Ein beliebtes Motiv ist bis heute der Nil.
Der Fluss ist die Lebensader der Menschen und an seinem Ufer werden immer noch Neugeborene kurz ins Wasser getaucht – das Geburtsritual. In einigen Häusern flechten auch noch heute Frauen bunt bemalte Palmenwedel zu Taschen oder schmieden Schmuckstücke, die dann an Besucher verkauft werden. Damit wollen sie ihre Traditionen lebendig halten. Wenngleich sich das alltägliche Leben in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert hat.
"Seit den 60er-Jahren hat sich unser traditionelles Leben ein bisschen geändert. Wir wollen nämlich eine gute Ausbildung, auch für unsere Frauen. Deshalb arbeiten viele Frauen bei der Regierung, als Lehrerinnen, als Ärztinnen oder als Ingenieurinnen. Natürlich fände ich es schöner, wenn meine Frau zu Hause bleiben kann, aber das ist inzwischen ökonomisch nicht mehr möglich. Also gehen die Frauen auch arbeiten, denn sonst könnten wir nicht leben."
Inzwischen gibt es auch Kindergärten, sodass die Frauen nach einigen Monaten Babypause wieder ein paar Stunden arbeiten können. Und das Verhältnis zu den Ägyptern ist etwas entspannter geworden. Das war nach der Zwangumsiedlung, die 1960 durch den Neubau des Assuan-Staudamms in die Wege geleitet wurde, nicht immer so.
"Vierzig Dörfer wurden im Laufe der Jahre zwischen Assuan, Abu Simbel und Kom Ombo umgesiedelt. Das hat die Gemeinschaft natürlich beeinflusst und teilweise zerstört. Am Anfang lebten sie in einer Gemeinschaft sehr nah zusammen. Aber wenn einige in ein Dorf und andere in ein anderes Dorf umziehen müssen und dann unter ägyptischen Menschen bzw. arabischen Menschen leben müssen, das hat natürlich Auswirkungen auf ihr Leben."
Bis heute streiten sie sich hin und wieder über ihre Rechte, wenn es beispielsweise darum geht, wem welches Land gehört. Und die meisten Nubier fühlen sich immer noch mehr zum afrikanischen Kontinent hingezogen als zum Nahen Osten, auch wenn sie einen ägyptischen Pass haben. Ihr größter Unterschied zu Ägyptern:
"Die Farbe, wir sind dunkler. Natürlich gibt es noch viele andere Unterschiede zwischen uns und den Ägyptern. Zum Beispiel, wenn ich arbeite und ein Kollege sagt mir etwas, was mich aufregt oder beleidigt, kann ich sofort den Ort verlassen. Denn ich gebe immer mein Bestes. Es interessiert mich dann nicht, ob das dem Chef gefällt oder nicht, denn der Kollege muss aufpassen, was er mir gegenüber sagt."
Respekt im täglichen Umgang – das ist ganz wichtig, sagt Rafat weiter, denn die Nubier seien sehr stolz. Auch auf ihre Sprache, die trotz Veränderungen über die Jahrhunderte, ihre Identität geprägt hat.
"Wir sorgen uns wirklich um die junge Generation, die jungen Leute sprechen die nubische Sprache nicht mehr. Unsere Sprache ist eine gesprochene, aber keine geschriebene Sprache. Und in den Medien wird natürlich arabisch gesprochen, deshalb sprechen sie auch untereinander arabisch. In den meisten Dörfern spricht die junge Generation also kein nubisch mehr."
Die Jugendlichen verstehen zwar meistens, wenn sich beispielsweise ihre Eltern auf nubisch unterhalten, aber sie antworten auf Arabisch, wenn die Mutter sie auf nubisch etwas fragt. Außerdem scheuen sich die Familien mit ihren Kindern zu viel nubisch zu reden, da sie wissen, dass ihr Nachwuchs in der Schule damit nicht weiterkommt.
"Unsere Schulen gehören ja dem Staat, deshalb sind dort Lehrer, die arabisch sprechen und alles auf Arabisch erklären. Also müssen die Kinder auch arabisch lernen, damit sie den Lehrer auch verstehen und sich mit ihm unterhalten können. Deshalb lernen die Kinder in erster Linie zu Hause arabisch."
Nubisch als zweite Fremdsprache in der Schule, davon träumen zwar viele Nubier, aber glauben selbst in Post Mubarak Zeiten nicht an einen solchen Vorstoß des Staates.