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Sorge um Spitzenforschung

In einem offenen Brief an Berlins regierenden Bürgermeister haben 76 Berliner Professoren und Professorinnen mehr Geld gefordert, um die Grundfinanzierung der Universitäten zu sichern. Wenn die Millionen nicht fließen, würde auch die Spitzenforschung leiden, schreiben die Sprecher großer Drittmittelprojekte an den drei Berliner Universitäten.

Von Philip Banse |
    Vor dem Arbeitszimmer des Berliner Chemieprofessors Peter Hildebrandt geht ein Wolkenbruch nieder - düstere Wolken, Menschen flüchten ins Trockene. Unheil droht auch der Berliner Forschungslandschaft, sagt Peter Hildebrandt, wenn ab kommendem Jahr wesentlich mehr Geld fließt.

    "Auf alle Fälle würde Forschung und Lehre dramatischen Schaden erleiden. Wir wären nicht mehr in der Lage, den Forschungs- und Lehrbetrieb in dieser Weise aufrechtzuerhalten."

    Peter Hildebrandt gehört zu 76 Unterzeichnern, die einen schriftlichen Appell an die Führung der Berliner Landesregierung geschickt haben. Der Stand der Verhandlungen über die neuen Hochschulverträge erfülle sie "mit größter Sorge und beginnender Verzweiflung", schreiben die Sprecher großer Drittmittelprojekte der drei Berliner Universitäten.

    Zwischen 2010 und 2013 müsse das Land 175 Millionen Euro mehr für die Hochschulen ausgeben, als bisher geplant. Und zwar nicht für neue Labore und Investitionen, sondern lediglich für die sogenannte Grundfinanzierung, sagt TU-Professor Peter Hildebrandt. Diese 175 Millionen Euro würden allein gebraucht, um "unabwendbare Kosten" zu decken:

    "Unabwendbar bezüglich der anstehenden Mehrbelastungen durch den auslaufenden Tarifvertrag, durch mögliche Tariferhöhungen, durch steigende Energiekosten, Gebäudeinstandhaltung und so weiter und so fort. Pensionsbelastungen sollte man dazu noch erwähnen. Dieser Mehrbedarf steht jetzt ab 2010 einfach an und wir müssen damit umgehen können. Das ist etwas, was unabwendbar ist und was in anderen Bundesländern in vergleichbaren Situationen von den Ländern getragen würde."

    Wenn das Land Berlin diese 175 Millionen Euro nicht übernimmt, seien 2000 Arbeitsplätze und über 5000 Studienplätze in Gefahr. Denn wenn die Hochschulen mehr für Heizung, Renovierungen und Gehälter ausgeben, litte auch die Spitzenforschung, sagt TU-Professor Peter Hildebrandt:

    "Bei jedem größeren Verbundprojekt, was wir hier einwerben - und wir haben sehr viele eingeworben - erwartet der Finanzierungsträger auch eine entsprechende Gegenfinanzierung von Seiten der Hochschulen. Das ist nicht mehr zu schaffen. Das ist beim besten Willen nicht mehr zu leisten, wenn wir uns jetzt mit diesen finanziellen Mehrbelastungen konfrontiert sehen."

    Die Berliner Landesregierung gibt zu, dass die Universitäten mehr Geld brauchen, um ganz grundlegende Dinge zu bezahlen. Allerdings will die Politik nicht 175 Millionen zahlen, sondern nur elf Millionen. Derzeit verhandelt Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner mit den Hochschulen über den Etat ab 2010. Vor Journalisten hatte Zöllner zuletzt angedeutet, dass er das Angebot des Senats aufstocken könnte. Ob der Brief der Professoren den Wissenschaftssenator dazu bringt, 175 Millionen Euro mehr für die Unis auszugeben, wollte Zöllners Sprecher nicht sagen:

    "Über die Einzelheiten des Gesprächs kann ich hier im Radio natürlich nichts sagen. Wir haben den Einrichtungen zugesagt, dass wir in Kürze einen Vorschlag auf den Tisch legen werden. Und was in unserem Vorschlag steht, dass kann ich ihnen genauer sagen, wenn er auf dem Tisch liegt. Ich bitte sie da einfach um Verständnis."

    Den Wissenschaftssenator wähnen die Hochschulen auf ihrer Seite. Doch über den Berliner Haushalt entscheidet nicht der Wissenschaftssenator allein. Und Berlins neue Finanzsenator will eisern sparen. So richteten die Professoren ihren Brief denn auch an Berlins regierenden Bürgermeister. Doch Klaus Wowereit, SPD, wird vorerst nicht mit den Hochschulvertretern sprechen und war auch zu einem Interview nicht bereit. Aus seiner Umgebung hieß es, Klaus Wowereit wolle sich nicht in das Verhandlungspoker hereinziehen lassen.