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Sorgsamer Lieferant für Tropenfrüchte

Technik. - Logistik ist eine komplizierte Angelegenheit. Vor allem dann, wenn es um leicht verderbliche Waren geht. Wissenschaftler der Universität Bremen haben deshalb einen Container entwickelt, der mit Sensortechnik und Funkchips den Zustand beispielsweise von Obst und Gemüse überwacht und, wenn nötig, neue Reiserouten und Lieferziele findet.

Von Christoph Kersting |
    Stau auf der A2 zwischen Hannover und Dortmund, auch ein Lkw mit Südfrüchten auf der Ladefläche hängt bei 30 Grad Außentemperatur in der Blechlawine fest. Für Unternehmen kann das richtig teuer werden, wenn schnell verderbliche Lebensmittel nicht pünktlich ihr Ziel erreichen. Doch die beiden Container auf der Lkw-Ladefläche sind mit speziellen Sensoren ausgestattet, die den Zustand der Früchte laufend an eine zentrale Recheneinheit melden. Eigentlich sollte die Ladung noch bis nach Süddeutschland fahren, wegen des Staus wird kurzerhand umdisponiert und ein Lager im Ruhrgebiet angesteuert. Der Fahrer erhält eine entsprechende Meldung noch während er im Stau steht. So stellt sich Reiner Jedermann vom Bremer Institut für Mikrosensoren, -aktuatoren und –systeme IMSAS die Transport-Logistik der Zukunft vor:

    "Heute ist es so: Ein Großteil, bis zu 30 Prozent der Früchte, verdirbt vom Feld bis zum Kühlschrank des Verbrauchers. Und daran wollen wir arbeiten, dass die Warenqualität insgesamt besser wird. Es gibt bis jetzt häufig nur einen Sensor pro Container, aber dort tritt der Fall auf, dass die Ware hinten zu kalt ist, fast einfriert, während vorne an der Tür die Kühlung nicht mehr ausreicht."

    In einem Büro des Instituts haben die Bremer IMSAS-Forscher einen Modellcontainer im Maßstab eins zu acht aufgebaut, der mit 20 Funksensoren ausgestattet ist. Die melden Temperatur und Luftfeuchtigkeit an einen kleinen Bordcomputer an der Vorderseite des Containers. Dieser Rechner wiederum leitet die Informationen per WLAN oder GPS an einen Laptop weiter. Neben dem Container lagern zudem kleine mit Plastikobst befüllte Holzbehälter, auf denen RFID-Funkchips aufgeklebt sind.

    "Wir haben jetzt hier eine Kiste mit Früchten. An dieser Kiste befindet sich ein RFID-Tag. Der ist zunächst noch leer. Man muss dem Tag also sagen: Was steckt jetzt für eine Ware dahinter? Dazu wird der Tag das erste Mal im Lager eingelesen. Ich wähle jetzt die Warenart aus: Mangos als Beispiel. Diese haben eine bestimmte Standard-Haltbarkeit und eine bestimmte Temperatur, bei der es für diese Mangos kritisch wird."

    Beim Beladen des Containers werden die RFID-Funkchips dann von einem Lesegerät gescannt. Gleichzeitig startet das Überwachungsprogramm, das nun weiß: Es wurden Mangos geladen, die ein bestimmtes Transport-Klima benötigen. Verändert sich dieses Klima im Container, sendet das Programm eine Warnmeldung aus:

    "Wir können jetzt mal künstlich die Temperatur im Container erhöhen, und dann sehen wir gleich, wie hier in der Überwachung die Temperatur ausschlägt und wie sich der Abfall der Qualität dann beschleunigt."

    Eine solche Information bedeutet für Unternehmen, die Lebensmittel über weite Strecken transportieren, bares Geld. Wenn etwa beim Schiffstransport von Südamerika nach Europa Bananen im hinteren Teil eines Containers schneller reifen als erwartet, dann ist klar: Diese Früchte müssen zuerst entladen und ausgeliefert werden. Im Laufe dieses Jahres startet Reiner Jedermann mit seinem Team Praxistests mit einem Container im Echtformat, der dann per Lkw auf die Straße geschickt wird. Ende 2009 dann, so die Planung, soll ein Industriepartner des Projekts das System in seine Container einbauen. Bis dahin sollen die Bordcomputer soweit sein, dass sie eigenständig auf Veränderungen reagieren – Experten wie Reiner Jedermann und sein Kollege Andreas Tim-Giel sprechen von selbst steuernder Logistik:

    "Es ist bestimmt ein gradueller Einstieg. Also der Einstieg wird beginnen mit der Sensorik, die die Daten erfasst, und das wird sich graduell weiter entwickeln zu einer echten Selbststeuerung, also im ersten Schritt die Steuerung der Kühlanlage bis hin zu Verhandlungen mit dem Lkw, mit dem Schiff, mehr Energie zur Verfügung zu stellen, die Kühlung zu verändern, und dann später wirklich in Verhandlungsstrategien einzusteigen, dass die Ware woanders ausgeliefert wird, schneller ausgeliefert wird."