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Sotschi
Olympia und die Umweltschäden

Olympische Winterspiele sind immer mit großen Eingriffen in die Natur verbunden: Stadien müssen gebaut werden, Pisten für Skirennen, Straßen und Bahnverbindungen. Sotschi macht da keine Ausnahme. Teile der Wettkämpfe finden im Nationalpark statt - Grund für große Skepsis von Seiten der Umweltschützer.

Von Gesine Dornblüth | 27.01.2014
    "Wir beginnen mit der feierlichen Verleihung des in der Geschichte Russlands ersten Preises für einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung "Der Zukunft entgegen" und für grünes Bauen."
    Eine Gala in einem Festsaal in Sotschi. Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele verleiht Preise für nachhaltige Entwicklung und grünes Bauen. Man ist unter sich: Ausgezeichnet werden vor allem die Partner der Spiele, staatliche russische Großkonzerne ebenso wie internationale, und auch die Stadt- und die Gebietsverwaltung.
    Umweltstrategie: "Spielen im Einklang mit der Natur"
    Die Preisverleihung gehört zur Umweltstrategie des Organisationskomitees. Darin ist von "Spielen im Einklang mit der Natur" die Rede. Ziel sei es, die einzigartige Natur rund um Sotschi zu erhalten. Bei den Olympiabauten wurden neue Technologien verwendet: Sonnenkollektoren, Regenwasseraufbereitung zum Beispiel. Sotschi hat jetzt Kläranlagen und entsorgt sein Abwasser nicht mehr wie früher im Meer. Jean-Claude Killy, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, betritt die Bühne.
    "Von Anfang an hat das Organisationkomitee Sotschi 2014 große Bereitschaft gezeigt, Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit in Russland durchzusetzen. Ich ermutige jeden Preisträger, weiter an Nachhaltigkeit und grünen Standards in Russland zu arbeiten - auch nach den Olympischen Spielen."
    Die russische Bahn, RSchD, wird gleich mehrfach ausgezeichnet, unter anderem für die neu errichtete Bahnstrecke zwischen Adler und Krasnaja Poljana.
    Umweltschützer: Flusslauf verändert und Artenvielfalt zerstört
    In den Ohren von Umweltschützern klingt das wie Hohn. Die Bahnlinie und die parallel verlaufende neue Straße zwischen der Küste und den alpinen Wettkampfstätten wurden entlang des Flusses Mzymta gebaut. Der Fluss sei nachhaltig geschädigt worden, meint Wladimir Kimajew von der Ökowache, einem Netzwerk von Umweltaktivisten im Nordkaukasus.
    "Für die Bahnstrecke und die Straße wurde der Flusslauf verändert und die Artenvielfalt zerstört. Ganze Kolonien von Buchsbaum und Flügelnuss wurden vernichtet."
    Die Mzymta galt immer als Inbegriff der unberührten Natur. Jetzt ist der Fluss vollständig urbanisiert. Das wirkt sich schon jetzt auf die Grundwasserreserven aus. Die Hälfte der Stadt Sotschi bezieht ihr Grundwasser aus der Mzymta. Das ist ein großes Problem. Zumal die Stadt ständig wächst.
    Zwar hätten die Organisatoren von Olympia die Bauunternehmen auf Druck von Umweltschützern verpflichtet, Maßnahmen zur Renaturierung der Mzymta zu ergreifen. Bisher sei aber nichts geschehen, meint Kimajew.
    Illegalen Müllkippen in den Wäldern
    In den Augen der Umweltschützer wiegen die Innovationen, die die Olympischen Spiele im Bereich grüner Technologien gebracht haben, die entstandenen Schäden an der Natur in keiner Weise auf. Kimajew verweist auf die illegalen Müllkippen mit Bauschutt in den Wäldern des Nationalparks. Auch hätten sich die jahrelangen Bauarbeiten negativ auf die Tierwelt ausgewirkt.
    Immerhin haben die Umweltschützer in einer frühen Phase erreicht, dass die Bobbahn, die ursprünglich in einem streng geschützten Naturreservat gebaut werden sollte, in ein ökologisch weniger wertvolles Gebiet verlegt wurde. Darauf ließ sich Präsident Putin nach einem persönlichen Gespräch mit Umweltschützern ein. Doch Kompromisse blieben die Ausnahme. Die Aktivisten der Ökowache sind vielmehr Druck ausgesetzt, werden immer wieder festgenommen. Dem Anführer der Organisation, Suren Gasarjan, wird versuchter Mord vorgeworfen.
    Justiz geht gegen gegen Umweltschützer vor
    Er soll einen Wachmann bedroht haben. Gasarjan hat sich ins Ausland abgesetzt. Ein weiterer Aktivist, Jewgenij Witischko, wurde zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt, weil er den Zaun der Residenz des Gouverneurs beschädigt haben soll. Das Urteil ist noch nicht in Kraft, die zweite Instanz soll noch während der Olympischen Spiele entscheiden, am 22. Februar. Die Vorwürfe gegen Gasarjan und Witischko seien lächerlich, sagt Kimajew. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben das Vorgehen der Justiz gegen die Umweltschützer verurteilt.
    "Sie hassen uns. Die Machthaber zeigen bei jeder Gelegenheit, dass sie wissen, was wir tun. Auch meine Wohnung wurde letztes Jahr durchsucht. Und zwar in meiner Abwesenheit. Natürlich habe ich Angst. Sie können mir Drogen unterschieben oder Waffen. Man muss mit allem rechnen."
    Naturschutzgesetze für Olympia geändert
    In Moskau sorgt sich unterdessen Michail Krejndlin, Forstexperte von Greenpeace, darum, dass das Beispiel Sotschi Schule macht und dass auch in anderen russischen Regionen bisher noch unberührte Natur dem Tourismus weichen muss. Krejndlin weist daraufhin, dass speziell für die Olympischen Spiele Naturschutzgesetze verändert wurden. Vormals war es in Russland verboten, sportliche Großveranstaltungen in einem Nationalpark abzuhalten. Das wurde speziell für Olympia geändert. Vor wenigen Wochen hat die Duma zudem ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, streng geschützte Naturreservate, in denen überhaupt nicht gebaut werden darf, herabzustufen.
    "Wenn jetzt jemand einen Sportkomplex oder ein Skiresort in einem Naturreservat bauen will und genügend Lobby-Möglichkeiten hat, kann er erreichen, dass das Gebiet in einen Nationalpark umgewandelt wird. Dort kann er dann bauen, was er will. Wir beobachten seit acht Jahren eine systematische Schwächung des gesetzlichen Naturschutzes. Ohne die Olympischen Spiele wäre das nicht passiert."