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Soulful, funky, sexy

Bei den Berliner Jazztagen 1976 warfen die Zuschauer noch Obst auf die Bühne. Doch auch das Berliner Publikum musste irgendwann anerkennen: Der Bandleader, Keyboarder und Produzent George Duke ist zwischen Fusion, Pop, R&B und Smooth Jazz zur Legende geworden. Ein Nachruf.

Von Karsten Mützelfeldt | 07.08.2013
    "Dukey Stick", einer der erfolgreichsten Titel von George Duke. Der Text war streckenweise so eindeutig, dass eine Zensur im puritanischen Amerika kaum verwundert hätte. Auch im aufgeklärten Deutschland braucht es etwas Zeit, bis der sinnenfrohe Funk akzeptiert wird. Bei den Berliner Jazztagen 1976 schüttelt die Jazz-Polizei entsetzt den Kopf:

    "Sie hassten uns! Sie warfen mit Äpfeln und Orangen nach uns, mit allem, was sie auf dem Boden finden konnten! Wir hatten gerade eineinhalb Stücke gespielt, schon mussten wir uns ducken, weil uns die Äpfel um die Ohren flogen! Sie buhten uns aus! Als wir schließlich von der Bühne kamen, sagte ich nur, hierhin werde ich nie zurückkehren! Zehn Jahre später bin ich dann doch mit Dianne Reeves nach Berlin zurückgekehrt und die Show wurde sehr wohlwollend angenommen! "

    Der Erfolg von Alben wie Reach For It oder Don’t Let Go haben ihn auf den Geschmack gebracht. Duke wechselt endgültig von der Fusion-Musik zu Funk und R&B – und zu einem überwiegend schwarzen Publikum. Parallel beginnt er ein zweites Standbein aufzubauen – und eine zweite Karriere: die eines Produzenten. Und jeder schwarze Vokalist, der etwas auf sich hält, verpflichtet ihn: ob Al Jarreau, Jeffrey Osborne, Gladys Knight oder Anita Baker. Duke versucht – mit wechselndem Erfolg – dem entgegenzuwirken, was er "Mikrowellen-Musik" nennt: aalglatte, seelenlose Industrienorm.

    "Die Musik ist einfach nur nett, und das ist ein Teil des Problems: Alles wurde homogenisiert und ich meine damit nicht, dass schwarze Musiker nur noch wie weiße klingen - ich meine damit, dass die Musik immer verwässerter geworden ist und die Individualität verloren gegangen ist."

    "Der einzige Weg, dies ist zu ändern, ist, wenn die Künstler 'nein!' sagen! Sie müssen damit aufhören, Musik nur für Radioformate zu machen - das Radio kommt erst viel später! Die Musik muss an erster Stelle stehen! All dies könnte aufhören, wenn Musiker genug Mumm haben und sagen, 'wisst Ihr was? Da mach ich nicht mit!' Aber sie werden es nicht tun!"

    In den letzten beiden Dekaden pendelt George Duke permanent zwischen der Rolle des Bandleaders, Keyboarders und Produzenten. Zwischen Fusion, Pop, R&B und Smooth Jazz: selten kantig, dafür elegant und makellos produziert, vor allem aber mit seinem unverkennbaren Klavierspiel – soulful, funky, sexy. Wenn "feeling" ein musikalisches Prädikat ist, dann hat es George Duke geradezu verkörpert: Ein Garant für Produkte, die auch noch in ihren kommerziellen Momenten seine und die Seele seiner Lehrmeister durchschimmern ließen…*

    "Es gibt einen Bruch zwischen unserer Generation und der jüngeren. Die meisten Musiker, die jetzt in der Szene auftauchen, haben nicht mit älteren Musikern gespielt. Als ich jung war, wollte ich unbedingt mit Cannonball Adderley und Miles Davis arbeiten, nicht nur ihre Musik sampeln, was es damals ohnehin noch nicht gab! Ich wollte an ihrer Seite zu spielen lernen!

    Musik war damals ein Medium der Künstler, und wir junge arbeiteten mit den älteren zusammen: Für mich war es ungeheuer wichtig, wenn Miles meine Schulter berührte und sagte, warum versuchst Du nicht das einmal? Oder Cannonball oder Frank Zappa - sie konnten uns direkt Informationen an uns weitergeben. Da die heutigen jungen Musiker nicht in den Bands der Älteren aufgewachsen sind, haben sie diese Möglichkeit nie bekommen! Und heute ist Musik nicht mehr ein Medium der Künstler, sondern ein Medium der Produzenten!"