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Soulpop von Lylit
Hits sind ihr zu langweilig

Noch ein Musiktalent aus Österreich: Lylit erschafft mit ihrem Klavier und einer Stimme, die sämtliche Gospel-Register beherrscht, große Songs. Den Vertrag beim Soullabel Motown empfand sie schnell als einengend. Denn ohne Breaks und Brechungen langweilt sie sich.

Von Paul Lohberger | 12.03.2020
Lylit singt auf der Bühne
Die österreichische Sängerin "Lylit" (imago stock&people )
"'Leilitt' – also nicht 'Lilitt', so wie es oft angenommen wird. Obwohls ursprünglich Lylit war, nur in Amerika durchs Ypsilon haben alle zu mir 'Leilitt' gesagt, und deswegen ist es seither 'Leilitt'."
Lylit steht schon fast 20 Jahre auf der Bühne. Als Eva Klampfer sang sie mit 15 in einer Rockband, ab ihrem 20. Lebensjahr verdiente sie Geld mit Musik. Nicht mit Coverversionen, sie sang immer eigenes Material. 2012 unterschrieb sie einen Vertrag beim ehemaligen Motown-Boss Kedar Massenburg. Trotzdem ist "Inward Outward" Lylits erstes eigenes Album. Massenburg musste nämlich seine Firma neu ordnen, das führte zu einer Zwangspause. Und das geplante Album erschien nie.
"Da kamen immer nur EPs raus, das heißt, es ist theoretisch mein erstes Album, aber geschrieben hab ich sicher schon vier. Das erste, das jetzt endlich veröffentlicht wurde."
In die Toskana zurückgezogen
Dafür gründete Lylit ihr eigenes Label und fuhr mit ihrem Produzenten und Schlagzeuger in die Toskana, um vorhandene Songs einzuspielen. Die Landschaft inspirierte völlig neues Material, das sie mit einfacher Technik aufnahmen.
"Der Grundstock eines jeden Songs ist bei uns immer Stimme, Klavier und Beat, und das haben wir sofort in der Toskana aufgenommen. Das wurde auch nur mehr ein bisschen verfeinert, aber der Grundstock war immer schon da."
Eigentlich wollten sie später alles überarbeiten, doch meist war die einfache, erste Variante nicht zu übertreffen. Oft filigrane Beats kontrastieren Lylits kraftvolle Präsenz. Dieser Sound bestimmt das ganze Album.
"Mir kommt vor, je älter ich wird, desto weniger wichtig ist mir die Perfektion und desto wichtiger wird mir der Vibe und die spezielle Stimmung, in der man ist, wen man grade den Song schreibt."
"Grundstock aus Stimme, Klavier und Beat"
Die schnell eingespielten ersten Versionen sind keineswegs simpel. Wer beim Zuhören die Muster von Popsongs zu erkennen glaubt, den überrascht Lylit im nächsten Moment.
"Dieses Schablonen-Schreiben, man richtet sich nach gewissen Gesetzen, die die Popmusik vorgibt, das find ich irrsinnig öd. Und das ist es, was mich so irrsinnig abtörnt am Gros der Popmusik momentan, dass alles so gleich klingt, weil jeder versucht, sofort zu einem Chorus zu kommen, weil wir haben keine Zeit, es muss sofort catchy sein – es sind lauter so Dinge, die mich überhaupt nimmer interessieren. Und ich find, wenn ich für wen anderen schreib, dann kann das ganz spannend sein, aber ich für mich will ich wirklich was fühlen, und wenn ich das will, darf ich nicht zu sehr an die Regeln denken."
Die frühere Conchita, die sich heute einfach Wurst nennt und auch andere Künstlerinnen, die Lylit als Songschreiberin engagieren, bekommen Soul-Pop und kraftvolle Clubhits. Dynamisch und optimistisch wirkt die Musikerin auch, wenn man ihr gegenübersteht. Doch ihre eigenen Texte sind grüblerisch und hintersinnig. In "What If" heißt es beispielsweise: "Ich dachte, wir hätten ein Muster, wo ich immer die falschen Dinge sage".
Pop und Kunst-Appeal verbinden sich
"Ich glaub, das ist ein Teil von mir, den man nicht sieht. Schon als Kind hab ich nur so philosophische Bücher gelesen und immer gegrübelt, und hab immer allein am Klavier gesessen und wollt einfach nur spielen, und wollt immer die Wahrheit ergründen, also für mich - ich bin ein totaler Zweifler und ein totaler Grübler. Und ich glaub, das kommt in meiner Musik stärker raus als in meinem Umgang mit dem Außen."
Aus dem musikalischen Erbe von Jazz und Soul schaffen Acts wie Adele großartige Popsongs.
"Ich hab jetzt grundsätzlich nichts gegen Gradaus-Popmusik, aber es kommt halt nicht aus mir raus, wenn ich wirklich loslass."
Lylit geht ein paar Schritte weiter, und wie einst bei Björk verbinden sich dann Pop und Kunst-Appeal in einer Nummer über ihre persönlichen Erfahrungen. In "Call Me Bad" könnte es um eine Beziehung gehen, aber auch um das große Musikgeschäft. Lylit hat rebelliert und ist ihren eigenen Weg gegangen. Und Lylit schafft es, die Kraft und Schönheit solcher Wendungen in ihren Songs rüberzubringen: Sich nicht mit falscher Harmonie abfinden, sondern nachdenken und mutig neue Töne anschlagen.