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Sound plus Vision

Berlin ist eine, wenn nicht gar die Musikhauptstadt Europas – ein Magnet für Künstler, Labels und Musiktouristen. Die Klubszene ist legendär, der Konzertkalender übervoll. Wer all das erleben will, sollte jetzt in die Hauptstadt reisen. Die Berlin Music Week inszeniert bis Sonntag (09.09.) einen regelrechten Marathon von Konzerten, Partys und Podiumsgesprächen.

Von Oliver Kranz | 06.09.2012
    Die Berliner Band "Camera" ist selten bei Konzerten in Klubs zu finden. Sie spielt auf der Straße, in U-Bahnhöfen oder bei privaten Partys – und gestern auf einem Boot, auf Einladung der Initiative Musik der Bundesregierung. Offizieller geht's nicht. Auf dem Dampfer kam trotzdem Partystimmung auf. Eingeladen waren Musiker und Musikproduzenten aus aller Herren Länder.

    "In der Berlin Music Week führen wir einen Branchenevent durch, also ein Vernetzungsformat. Wir bringen kleine Berliner Labels mit sehr innovativem Sound zusammen mit amerikanischen Music Supervisors, also mit den Leuten, die in Amerika Filme, Games usw. mit Musik besetzen. Die würden sich im realen Leben nie treffen."

    Erklärt Olaf Kretschmar von der "Berlin Music Commission", dem übergreifenden Netzwerk der Berliner Musikwirtschaft. Er hat die Bootstour mitorganisiert:

    ""Berlin hat man mehrere 1000 kleine und mittlere Unternehmen, die alle einen ganz überschaubaren Aktionsradius haben und relativ wenig vernetzt sind. Das ist das, was das Branchennetzwerk macht, die Branche neu zu organisieren, zusammenzubringen, vor allem aber in einem zweiten Schritt mit den anderen Segmenten der Kreativwirtschaft zu vernetzen: also Mode, Film, Design, Werbung, Games. Da liegen die spannenden Geschäftsmodelle der Zukunft."

    Geschäftsmodelle zu ergründen, die es Musikern ermöglichen von ihrer Arbeit zu leben, ist ein Ziel der Berlin Music Week. Doch auch fürs normale Publikum wird eine Menge geboten.

    Das Programm ist unüberblickbar. Unter dem Dach der Berlin Music Week haben sich mehrere Festivals zusammengeschlossen, die sehr verschiedene Veranstaltungen anbieten – von Wohnzimmerkonzerten bis zu großen Events auf dem Flughafengelände in Tempelhof ist alles dabei. 60 Berliner Klubs haben sich zusammengeschlossen und können Freitag und Samstag mit einem einzigen Ticket besucht werden. Damit jeder die Musik findet, die zu ihm passt, gibt es Programme im Internet.

    "Unter Clubmatcher.de haben wir vor einem Jahr eine Plattform gelauncht, auf der man als User acht verschiedene Profile auswählen kann und den passenden Klub für sich findet. Das hat zwei Vorteile: Erstens, als Besucher kann ich von über 300 Klubs in Berlin den passenden für mich finden, zum anderen hat auch der Klub nicht das Problem, dass sämtliche Junggesellenabschiede bei ihm gefeiert werden wollen, sondern dass er das Publikum bekommt, das für seinen Klub zuträglich ist.

    Lutz Leichsenring von der "Berlin Clubcommission". Neu an der diesjährigen Music Week ist, dass das Konferenzprogramm so viel Raum einnimmt. Im Zentrum steht die Frage, wie sich Künstler vermarkten können. Seit es möglich ist, Musik über das Internet zu vertreiben, ist die Macht der großen Plattenfirmen gebrochen. Doch das ist nicht für alle Künstler ein Gewinn. Die Sängerin Billie Ray Martin hielt gestern einen der ersten Vorträge:

    ""Vor ein paar Jahren war es Konsens zu glauben, dass man, wenn man MP3-Dateien seiner Musik kostenlos zur Verfügung stellt, viel Resonanz im Internet erzeugt. Diese Aufmerksamkeit sollte dafür sorgen, dass man zu Konzerten eingeladen wird, vielleicht ein Plattenvertrag bekommt und das Geld verdient, das man braucht, um weiter machen zu können. Aber diese frommen Wünsche haben sich für die meisten Musiker nicht erfüllt. Das beweisen Statistiken immer wieder."

    Daher geht heute der Trend dorthin, dass Künstler für die Downloads ihrer Musik wieder Geld verlangen. Doch der Verkauf von MP3-Dateien ist nicht die einzige mögliche Vermarktungsstrategie.

    "Es gibt heute Millionen Möglichkeiten, mit Musik Geld zu verdienen oder eben auch nicht. … Zum Beispiel, was wir in diesem Jahr in den Vordergrund stellen: Filmsoundtracks. Das ist ein Bereich, oder auch Werbung, wo extrem viel Geld mit Musik gemacht wird."

    Sagt Björn Döring, der Leiter der Berlin Music Week. Er hat auch Vertreter von Filmfirmen eingeladen. Angela Leus von Universal Pictures erklärte gestern bei einem Workshop, wie sie die Musik für die Kinotrailer auswählt:

    "Da gibt es immer erst ein Intro, dann die Darstellung der Geschichte und am Ende 10 Sekunden, in denen das Wichtigste noch mal zusammengefasst wird, bevor die Musik mit einem Knalleffekt endet."

    Einige Musiker und Produzenten durften beim Workshop von Angela Leus ihre Songs direkt vorstellen und können nun vielleicht mit einem Auftrag rechnen.

    Angela Leus: "Es war viel gute Rockmusik dabei – aber auch französischer Elektropop und Folk aus Deutschland. Jasmin vom Buddeverlag hat Songs mitgebracht, die mir alle sehr gefallen haben."

    Der Buddeverlag stellte Songs der Band "Me and My Drummer" vor, die gestern auch auf dem Partyboot spielte. Konferenz- und Konzertprogramm greifen bei der Berlin Music Week ineinander. Man kann Musik erleben, Künstler kennenlernen und wenn man will Kontakte knüpfen – ein unwiderstehliches Angebot.