Mit mäßigem Tempo fährt die Fregatte "Bayern" an der südlibanesischen Küste entlang. Die "Bayern" ist das Führungsschiff des maritimen UN-Verbandes. Seit nunmehr einem Jahr leitet Deutschland diese so genannte Maritime Task Force der UNIFIL-Blauhelm-Truppen. Fregattenkapitän Kurt Leonards ist der Erste Offizier der "Bayern".
"So, hier sind wir auf der Brücke des Schiffes ... von hier aus wird das Schiff seemännisch gefahren, die nautische Sicherheit wird sichergestellt ... was wir von hier aus machen, ist aber auch, in unserem Seegebiet die unterschiedlichen Kontakte ansprechen, wo kommst du her, wo fährst du hin ... der Hauptgefreite Simon, der hat jetzt gerade ein Schiff abgefragt ... Herr Simon, können Sie uns kurz mal sagen, mit welchem Schiff Sie gerade gesprochen haben? (Simon:) Das war mit der Antonis, das Schiff in Steuerbord ... das haben wir halt gerade abgefragt nach Namen, nächstem Hafen, letztem Hafen ... (Leonards:) Und wo kommts her, und wo fährts hin? (Simon:) Also, es kommt als letztem Hafen aus Afrika, Richard Bay, und fährt in den Libanon nach Jiyeh ...(Leonards:) Okay, alles klar. "
Die "Bayern" ist eines der größten Schiffe der deutschen Marine und von oben bis unten mit Hochtechnologie vollgestopft. In einem weiten Umkreis erkennt sie alles, was unter ihr taucht, über ihr fliegt oder auf dem Wasser schwimmt - alles, was größer als eine Cola-Dose ist. Zusammen mit griechischen, türkischen und niederländischen Schiffen kontrollieren die Deutschen die Seewege in die libanesischen Häfen; Kommandeur dieses Einsatzes im Auftrag der Vereinten Nationen ist Flottillenadmiral Christian Luther, der mit seinem Stab an Bord der "Bayern" Quartier bezogen hat.
"Es gibt ja ein System, das heute jedes Handelschiff hat - das ist eine bestimmte Nummer und eine bestimmte Kennung; dies wird über das Radar praktisch abgerufen, kann auch über das Radar identifiziert werden, und über diese Kennung wissen wir, was da kommt, was da nicht kommt. Schiffe, die dieses nicht einschalten oder nicht haben, die sind natürlich von vornherein von hohem Interesse für uns, und die werden dann nach Übereinstimmung mit den libanesischen Behörden - so sie in libanesische Häfen gehen - einer genaueren Untersuchung zugeleitet und unterzogen."
Die deutsche Nationalhymne, gespielt am 15. Oktober letzten Jahres von einer Ehrenformation im Hafen von Beirut - die Übergabe des Kommandos der Maritime Task Force an die Deutschen. Bei der Zeremonie sagte der deutsche Admiral Andreas Krause, auf Einladung der libanesischen Regierung und gemäß UN-Resolution 1701 werde man die illegale Einfuhr von Waffen unterbinden.
"Die Hauptverantwortung für die Sicherung der Grenzen hat die libanesische Armee. Ich verstehe unsere Mission als das Anbieten von Hilfe, und wir tun dies im Geiste sehr enger Zusammenarbeit. Ich freue mich sehr, dass Schiffe mehrerer Nationen in meiner Taskforce mitarbeiten. Dies zeigt dem libanesischen Volk, dass diese Nationen und die internationale Gemeinschaft sich um sie sorgen und Unterstützung geben."
Doch das Willkommen für die deutschen Marinesoldaten fiel im Libanon zunächst kühl aus. Vielen Libanesen stieß es sauer auf, dass deutsche Politiker die Entsendung der Marine nicht zuletzt als Maßnahme zum Schutz Israels begriffen. Mehrere Male hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Libanoneinsatz unter anderem mit der deutschen Verantwortung für den Staat Israel begründet - so auch in einer Internetbotschaft, in der Merkel den größeren Zusammenhang erläuterte, in welchem sie den Einsatz sah:
"Wir wollen das Existenzrecht Israels stärken, und wir wollen gleichzeitig, dass wir eine Zwei-Staaten-Lösung erreichen, damit auch das palästinensische Volk sein Leben in Wohlstand und Ruhe gestalten kann."
Im Libanon glaubt man, dass Waffen für Hisbollah vor allem über Land geschmuggelt werden. Deshalb verstanden viele Menschen nicht, wieso sich vor ihrer Küste nun eine so große internationale Streitmacht formierte. Die Zeitung As-Safir titelte: "Libanon unter ausländischer Vormundschaft". Auf einer Großkundgebung Ende September letzten Jahres in Beirut sagte Scheich Hassan Nasrallah, der Generalsekretär von Hisbollah, deutlich, was er von Merkels Äußerungen hielt - nichts.
"Sie kommen nun, um das Meer zu belagern. Wieso? Um den Libanon zu schützen? Nein. Die deutsche Kanzlerin - Gott möge sie segnen - sagte, dass die deutsche Marine eine historische Rolle wahrnehme beim Schutz des Existenzrechtes Israels."
Und auch in der Beiruter Regierung fragte man sich, ob die Deutschen womöglich etwas falsch verstanden haben. Achmed Fatfat, Minister und Vertrauter von Regierungschef Fuad Siniora:
"Die Äußerung von Frau Merkel kam nicht gut an, dass sie nämlich sagte, dass die deutsche Marine hier ist, um Israel zu schützen - nein! Die deutsche Marine ist deshalb hier, um die UN-Resolution 1701 umzusetzen, um also zu verhindern, dass Waffen auf dem Seeweg in das Land geschmuggelt werden."
Auf der Brücke der Fregatte "Bayern" vor der libanesischen Küste werden Luftballons aufgeblasen, für ein paar Minuten sieht es wie bei einem Kindergeburtstag aus. Dann gehen die Ballons ins Wasser, für eine Schießübung mit dem Maschinengewehr.
So lustig die Luftballons sein mögen - das tägliche Training, wie zum Beispiel ein Angriff Bewaffneter auf einem Speedboat abgewehrt wird, ist ernst gemeint. Obermaat Anne Rochow hat dennoch keine Angst; in der Operationszentrale der "Bayern", dem Gehirn der Fregatte, beobachtet sie die Flugbewegungen:
"Ich habe mich mit Besatzungsmitgliedern anderer Einheiten unterhalten, die schon mal hier im Libanon operiert haben, und die meinten, es wäre keine akute Bedrohung festzustellen - oder haben sie auch nicht erlebt. Es gibt zwar jetzt ganz speziell bei mir die Flieger, die halt übers Gebiet fliegen und mal gucken, was wir hier so machen, die halt aus Israel kommen, aber darin sehen wir keine akute Bedrohung."
Mehr als achttausend Mal hat der maritime Blauhelm-Verband in den vergangenen zwölf Monaten die Identität von Handelsschiffen kontrolliert, einige Dutzend Mal haben die Libanesen dann im Hafen Ladung überprüft - doch ein Waffenschmuggler fiel ihnen bislang nicht in die Hände. Seit wenigen Wochen ist nun das dritte deutsche Kontingent vor dem Libanon im Einsatz: Neben der "Bayern" eine weitere Fregatte, vier kleinere Schiffe und Boote und insgesamt knapp eintausend Marinesoldaten. Jedes zweite Schiff und zwei von drei Soldaten der maritimen Taskforce kommen damit aus Deutschland. Ihr Kommandeur Christian Luther will sich in den nächsten Monaten vor allem um eines kümmern: Um die Ausbildung der Libanesen. Luther bescheinigt ihnen, hoch motiviert und mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Doch ihre Seestreitkräfte dürften diesen Namen kaum verdienen:
"Die libanesische Marine ist eine kleine Marine, die mit Patrouillenbooten älterer Art ausgerüstet ist und auch zwei kleineren Landungsbooten, die ausschließlich alle nur in der Lage sind, im Küstenvorfeld zu operieren; es fehlt der libanesischen Marine an so Basisgrundlagen wie zum Beispiel Seekarten, wie zum Beispiel die Handhabung von Radargeräten, wie zum Beispiel das Fahren der Einheiten in etwas schlechteren Wetterlagen, das Sich-Zurechtfinden auch in Situationen, die manchmal unübersichtlich sind, navigatorisch - solche Dinge versuchen wir eben mit Ausbildungsunterstützung gemeinsam zu verbessern, um sie eben in die Lage zu bringen, hier ihre Aufgaben selbst wahrzunehmen."
Wie groß die Not ist, schildert das libanesische Regierungsmitglied Achmed Fatfat:
"Wir hatten keine richtige Marine, sondern nur acht kleine alte Schiffe, die schlecht ausgerüstet sind und kein Radar haben. Mit den Radaranlagen an Land, die die Israelis nicht zerstört haben, können wir gerade einmal sechs Seemeilen kontrollieren und dies auch nur bei gutem Wetter. Das heißt, während mindestens fünf Monaten jedes Jahr, im Winter, hatten wir noch nicht einmal die Möglichkeit, auch nur eine einzige Seemeile zu kontrollieren."
Deshalb baut Deutschland derzeit eine Kette neuer Radarstationen entlang der Küste auf und hat bereits zwei größere Patrouillenboote geliefert. Die Unterstützung der libanesischen Marine findet dabei nicht im Rahmen von UNIFIL, sondern auf bilateraler Ebene statt. Sowohl die libanesische Regierung, als auch die Bundesregierung haben das gleiche Ziel: Die Stärkung der libanesischen Souveränität. Hansjörg Haber, der deutsche Botschafter in Beirut.
"Der Libanon ist schon 1943 unabhängig geworden, aber er hat heute 30 Jahre hinter sich, die zur einen Hälfte aus Bürgerkrieg bestanden und zur anderen Hälfte mehr oder minder aus einer totalen Kontrolle Syriens über das Land. Der Libanon hat also keine ungebrochene Tradition der Souveränität, und er muss sich die erst wieder erringen. Das geht seit zwei Jahren langsam, aber stetig - so hoffen wir - bergauf. Auch an Land unterstützen die Deutschen die libanesischen Sicherheitskräfte, und auch hier steht die Sicherung der Grenze im Vordergrund. Es geht darum, vier libanesische Institutionen im Sicherheitsbereich, die bisher nicht zusammengearbeitet haben, zu einer koordinierten Zusammenarbeit zu bringen. Das sind die Streitkräfte, das ist der Zoll, das ist die Polizei, und das ist eine Einrichtung, die im Wesentlichen unserer Bundespolizei entspricht. 800 Mitarbeiter dieser Behörden arbeiten zusammen und überwachen gemeinsam die libanesische Nordgrenze durch mobile und feste Kontrollen."
Bei diesem Pilotprojekt liefern die Deutschen die Erstausstattung für den libanesischen Zoll; ein Team deutscher Bundespolizisten und Zollbeamter berät die libanesischen Kollegen und bildet sie aus. Chef des Teams ist Detlef Karioth, Leitender Polizeidirektor bei der Bundespolizei. Wie bei der seewärtigen Grenze gibt es an Land viel zu tun, sagt Karioth.
"Sie müssen berücksichtigen, dass aus der Historie heraus die Grenze des Libanons zu Syrien eigentlich über lange Zeit gar keine Grenze war. Es war nicht der Filter, den Sie eigentlich als Grenze vermuten. Und insofern ist das auch nicht erste Priorität nach dem Rückzug der Syrer gewesen, diese Grenze entsprechend zu sichern."
Verpassen die Deutschen den Libanesen nun also eine hermetisch dichte Sperre mit hohen Mauern und tiefen Gräben?
"Das ist es mit Sicherheit nicht, was wir wollen. Wir pflegen auch nicht diese Art Grenzsicherung, dass wir Zäune aufbauen, Wachtürme bauen, so genannte Intrusion Detectors und Kameraüberwachung etablieren - wir setzen mehr auf die Durchlässigkeit der Grenze bei einer doch sehr intensiven Überwachung. Sie müssen auch da immer wieder berücksichtigen, dass gerade im Nord-Bekaa-Tal, dass es dort Menschen gibt, die seit Tausenden von Jahren die Grenze überschreiten, dass Familien dort in Syrien leben, im Libanon leben, dass dort gearbeitet wird, in Syrien, im Libanon gewohnt wird; das heißt, die Bürger dort erwarten, dass sie die Grenze frei überschreiten können - was wir nicht einschränken wollen, in keinster Weise! Was wir natürlich immer wieder empfehlen, ist, die Grenze entsprechend intensiv zu überwachen - wer dort rüber geht."
Von der deutschen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, hat sich die Bundesregierung im Laufe des letzten Jahres immer mehr im Libanon engagiert; sie arbeitet nun beim Aufbau wichtiger staatlicher Einrichtungen mit. Doch: Braucht dieses Land, in dem schon so viele ausländische Mächte ihre Finger im Spiel haben, noch mehr fremde Einmischung? Ghinwa Jaloul ist Abgeordnete des Regierungslagers:
"Die Deutschen zwingen sich der libanesischen Politik nicht auf - im Gegenteil: Wir bitten ja um diese Unterstützung, und es ist genau die Unterstützung, die wir als Libanesen wollen und die vor allem diese Regierung will. Deutschland ist also nicht ein weiterer fremder Mitspieler, sondern ein weiterer Freund. Wir wollen Libanon als starkes, souveränes, unabhängiges Land aufbauen, das seine Zukunft in der Hand hat und nicht von ausländischen Mitspielern kontrolliert wird - selbst wenn die sich als unsere Brüder sehen."
Zwar ist es vielen Libanesen auch ein Jahr nach dem Start des deutschen Marineeinsatzes ein Rätsel, was all die Kriegsschiffe unter UN-Flagge vor der Küste sollen, wo doch Waffen nie in nennenswerter Menge über See geschmuggelt wurden - dies ist eine Frage, die aus Sicht vieler Menschen nach wie vor nicht schlüssig beantwortet wurde; doch die Deutschen bekommen für ihre Aufbauarbeit längst auch Beifall von der libanesischen Opposition: Er könne den Deutschen gar nicht genug danken, sagt zum Beispiel Ali Hamdan, außenpolitischer Sprecher der Amal-Bewegung des Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Man dürfe aber nicht nur an den Symptomen arbeiten, fügt Hamdan hinzu:
"Wir möchten, dass man mit diesen Anstrengungen an die Wurzeln der Probleme im Nahen Osten geht. Wir denken, dass diese Wurzeln die israelische Besatzung arabischer Gebiete und die Frage der Rechte der Palästinenser sind. An diesen Problemen zu arbeiten und diese Krisen zu lösen, wird Stabilität bringen - in der Region und darüber hinaus."
Hansjörg Haber, der deutsche Botschafter in Beirut, ist nicht erstaunt, dass die Opposition offenbar die gemeinsamen deutsch-libanesischen Aufbauprojekte mit trägt.
"Die Libanesen eint trotz allem ein Grundkonsens, und das ist, dass hier die verschiedenen religiösen Gruppen in Frieden miteinander leben sollen. Dazu gehört eben auch ein starker Staat, der dieses Zusammenleben gewährleisten kann, und insofern können wir unseren Beitrag, denke ich, jedem Libanesen gut verkaufen."
Haber legt jedoch Wert darauf, festzustellen, dass der größte Teil der deutschen Hilfe zivil ist.
Elf Uhr vormittags auf der Fregatte "Bayern". Die, die jetzt mit Creedence Clearwater Revival aus den Federn geholt werden, hatten in der Nacht Dienst.
"An alle Stände, hier von der Brücke, die erste Seewache wünscht der Besatzung einen schönen, guten Tag - die Fregatte "Bayern" steht zur Zeit 15 Seemeilen vor der libanesischen Küste im Patrouillengebiet auf Kurs 3-6-0. Zu den äußeren Bedingungen: Kaiserwetter mit 26,8 Grad gemessener Lufttemperatur, auch die Wassertemperatur bei angenehmen 27 Grad heute. "
Vieles an diesem Einsatz der "Bayern" ist längst Routine, aber Langeweile gibt es für die 230 Besatzungsmitglieder kaum, erst recht nicht in den wenigen Stunden, die man jeden Tag frei hat, meint der Hauptgefreite Felix Ulrich, ein Funker:
"Ich lese in letzter Zeit viel - also, nicht dass ich es vorher nicht auch schon getan hätte - aber nun besonders viel; man widmet sich dem Sport, weil man nicht von Bord kommt und nicht die Möglichkeit hat, seinen Körper fit zu halten, und somit vergeht die Zeit für einen hier an Bord viel schneller."
Seit rund drei Wochen ist die "Bayern" nun für die Vereinten Nationen im Einsatz - eigentlich nichts Besonderes - so Fregattenkapitän Jens Schwarter, der Kommandant der "Bayern":
"Das Geschäft, das wir hier vor der Küste vom Libanon betreiben, haben wir woanders auch schon betrieben. Die Unterschiede sehen wir im Seegebiet, also für die "Bayern" ist das ein technisches Problem im Moment, hier so richtig Fuß zu fassen, weil das Mittelmeer noch sehr warm ist und unsere elektronischen Anlagen sehr viel Kühlleistung brauchen, und deshalb habe ich im Moment so mein Auge da drauf, wie die Temperaturkurven in unseren Kaltwassersätzen laufen."
Will sagen: Einst für den Kalten Krieg im kühlen Nordatlantik gebaut, ist es der "Bayern" im Mittelmeer ein wenig zu warm. Kommandant Schwarter weiß derzeit nicht, wie lange das Engagement der Deutschen im Libanon noch im gegenwärtigen Umfang gebraucht wird. Er hofft, dass nicht nur das Mittelmeer, sondern vor allem die innenpolitische Krise des Landes im Herbst abkühlt - damit die bisher geleistete Aufbauarbeit nicht vergebens gewesen sein wird.
"So, hier sind wir auf der Brücke des Schiffes ... von hier aus wird das Schiff seemännisch gefahren, die nautische Sicherheit wird sichergestellt ... was wir von hier aus machen, ist aber auch, in unserem Seegebiet die unterschiedlichen Kontakte ansprechen, wo kommst du her, wo fährst du hin ... der Hauptgefreite Simon, der hat jetzt gerade ein Schiff abgefragt ... Herr Simon, können Sie uns kurz mal sagen, mit welchem Schiff Sie gerade gesprochen haben? (Simon:) Das war mit der Antonis, das Schiff in Steuerbord ... das haben wir halt gerade abgefragt nach Namen, nächstem Hafen, letztem Hafen ... (Leonards:) Und wo kommts her, und wo fährts hin? (Simon:) Also, es kommt als letztem Hafen aus Afrika, Richard Bay, und fährt in den Libanon nach Jiyeh ...(Leonards:) Okay, alles klar. "
Die "Bayern" ist eines der größten Schiffe der deutschen Marine und von oben bis unten mit Hochtechnologie vollgestopft. In einem weiten Umkreis erkennt sie alles, was unter ihr taucht, über ihr fliegt oder auf dem Wasser schwimmt - alles, was größer als eine Cola-Dose ist. Zusammen mit griechischen, türkischen und niederländischen Schiffen kontrollieren die Deutschen die Seewege in die libanesischen Häfen; Kommandeur dieses Einsatzes im Auftrag der Vereinten Nationen ist Flottillenadmiral Christian Luther, der mit seinem Stab an Bord der "Bayern" Quartier bezogen hat.
"Es gibt ja ein System, das heute jedes Handelschiff hat - das ist eine bestimmte Nummer und eine bestimmte Kennung; dies wird über das Radar praktisch abgerufen, kann auch über das Radar identifiziert werden, und über diese Kennung wissen wir, was da kommt, was da nicht kommt. Schiffe, die dieses nicht einschalten oder nicht haben, die sind natürlich von vornherein von hohem Interesse für uns, und die werden dann nach Übereinstimmung mit den libanesischen Behörden - so sie in libanesische Häfen gehen - einer genaueren Untersuchung zugeleitet und unterzogen."
Die deutsche Nationalhymne, gespielt am 15. Oktober letzten Jahres von einer Ehrenformation im Hafen von Beirut - die Übergabe des Kommandos der Maritime Task Force an die Deutschen. Bei der Zeremonie sagte der deutsche Admiral Andreas Krause, auf Einladung der libanesischen Regierung und gemäß UN-Resolution 1701 werde man die illegale Einfuhr von Waffen unterbinden.
"Die Hauptverantwortung für die Sicherung der Grenzen hat die libanesische Armee. Ich verstehe unsere Mission als das Anbieten von Hilfe, und wir tun dies im Geiste sehr enger Zusammenarbeit. Ich freue mich sehr, dass Schiffe mehrerer Nationen in meiner Taskforce mitarbeiten. Dies zeigt dem libanesischen Volk, dass diese Nationen und die internationale Gemeinschaft sich um sie sorgen und Unterstützung geben."
Doch das Willkommen für die deutschen Marinesoldaten fiel im Libanon zunächst kühl aus. Vielen Libanesen stieß es sauer auf, dass deutsche Politiker die Entsendung der Marine nicht zuletzt als Maßnahme zum Schutz Israels begriffen. Mehrere Male hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Libanoneinsatz unter anderem mit der deutschen Verantwortung für den Staat Israel begründet - so auch in einer Internetbotschaft, in der Merkel den größeren Zusammenhang erläuterte, in welchem sie den Einsatz sah:
"Wir wollen das Existenzrecht Israels stärken, und wir wollen gleichzeitig, dass wir eine Zwei-Staaten-Lösung erreichen, damit auch das palästinensische Volk sein Leben in Wohlstand und Ruhe gestalten kann."
Im Libanon glaubt man, dass Waffen für Hisbollah vor allem über Land geschmuggelt werden. Deshalb verstanden viele Menschen nicht, wieso sich vor ihrer Küste nun eine so große internationale Streitmacht formierte. Die Zeitung As-Safir titelte: "Libanon unter ausländischer Vormundschaft". Auf einer Großkundgebung Ende September letzten Jahres in Beirut sagte Scheich Hassan Nasrallah, der Generalsekretär von Hisbollah, deutlich, was er von Merkels Äußerungen hielt - nichts.
"Sie kommen nun, um das Meer zu belagern. Wieso? Um den Libanon zu schützen? Nein. Die deutsche Kanzlerin - Gott möge sie segnen - sagte, dass die deutsche Marine eine historische Rolle wahrnehme beim Schutz des Existenzrechtes Israels."
Und auch in der Beiruter Regierung fragte man sich, ob die Deutschen womöglich etwas falsch verstanden haben. Achmed Fatfat, Minister und Vertrauter von Regierungschef Fuad Siniora:
"Die Äußerung von Frau Merkel kam nicht gut an, dass sie nämlich sagte, dass die deutsche Marine hier ist, um Israel zu schützen - nein! Die deutsche Marine ist deshalb hier, um die UN-Resolution 1701 umzusetzen, um also zu verhindern, dass Waffen auf dem Seeweg in das Land geschmuggelt werden."
Auf der Brücke der Fregatte "Bayern" vor der libanesischen Küste werden Luftballons aufgeblasen, für ein paar Minuten sieht es wie bei einem Kindergeburtstag aus. Dann gehen die Ballons ins Wasser, für eine Schießübung mit dem Maschinengewehr.
So lustig die Luftballons sein mögen - das tägliche Training, wie zum Beispiel ein Angriff Bewaffneter auf einem Speedboat abgewehrt wird, ist ernst gemeint. Obermaat Anne Rochow hat dennoch keine Angst; in der Operationszentrale der "Bayern", dem Gehirn der Fregatte, beobachtet sie die Flugbewegungen:
"Ich habe mich mit Besatzungsmitgliedern anderer Einheiten unterhalten, die schon mal hier im Libanon operiert haben, und die meinten, es wäre keine akute Bedrohung festzustellen - oder haben sie auch nicht erlebt. Es gibt zwar jetzt ganz speziell bei mir die Flieger, die halt übers Gebiet fliegen und mal gucken, was wir hier so machen, die halt aus Israel kommen, aber darin sehen wir keine akute Bedrohung."
Mehr als achttausend Mal hat der maritime Blauhelm-Verband in den vergangenen zwölf Monaten die Identität von Handelsschiffen kontrolliert, einige Dutzend Mal haben die Libanesen dann im Hafen Ladung überprüft - doch ein Waffenschmuggler fiel ihnen bislang nicht in die Hände. Seit wenigen Wochen ist nun das dritte deutsche Kontingent vor dem Libanon im Einsatz: Neben der "Bayern" eine weitere Fregatte, vier kleinere Schiffe und Boote und insgesamt knapp eintausend Marinesoldaten. Jedes zweite Schiff und zwei von drei Soldaten der maritimen Taskforce kommen damit aus Deutschland. Ihr Kommandeur Christian Luther will sich in den nächsten Monaten vor allem um eines kümmern: Um die Ausbildung der Libanesen. Luther bescheinigt ihnen, hoch motiviert und mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Doch ihre Seestreitkräfte dürften diesen Namen kaum verdienen:
"Die libanesische Marine ist eine kleine Marine, die mit Patrouillenbooten älterer Art ausgerüstet ist und auch zwei kleineren Landungsbooten, die ausschließlich alle nur in der Lage sind, im Küstenvorfeld zu operieren; es fehlt der libanesischen Marine an so Basisgrundlagen wie zum Beispiel Seekarten, wie zum Beispiel die Handhabung von Radargeräten, wie zum Beispiel das Fahren der Einheiten in etwas schlechteren Wetterlagen, das Sich-Zurechtfinden auch in Situationen, die manchmal unübersichtlich sind, navigatorisch - solche Dinge versuchen wir eben mit Ausbildungsunterstützung gemeinsam zu verbessern, um sie eben in die Lage zu bringen, hier ihre Aufgaben selbst wahrzunehmen."
Wie groß die Not ist, schildert das libanesische Regierungsmitglied Achmed Fatfat:
"Wir hatten keine richtige Marine, sondern nur acht kleine alte Schiffe, die schlecht ausgerüstet sind und kein Radar haben. Mit den Radaranlagen an Land, die die Israelis nicht zerstört haben, können wir gerade einmal sechs Seemeilen kontrollieren und dies auch nur bei gutem Wetter. Das heißt, während mindestens fünf Monaten jedes Jahr, im Winter, hatten wir noch nicht einmal die Möglichkeit, auch nur eine einzige Seemeile zu kontrollieren."
Deshalb baut Deutschland derzeit eine Kette neuer Radarstationen entlang der Küste auf und hat bereits zwei größere Patrouillenboote geliefert. Die Unterstützung der libanesischen Marine findet dabei nicht im Rahmen von UNIFIL, sondern auf bilateraler Ebene statt. Sowohl die libanesische Regierung, als auch die Bundesregierung haben das gleiche Ziel: Die Stärkung der libanesischen Souveränität. Hansjörg Haber, der deutsche Botschafter in Beirut.
"Der Libanon ist schon 1943 unabhängig geworden, aber er hat heute 30 Jahre hinter sich, die zur einen Hälfte aus Bürgerkrieg bestanden und zur anderen Hälfte mehr oder minder aus einer totalen Kontrolle Syriens über das Land. Der Libanon hat also keine ungebrochene Tradition der Souveränität, und er muss sich die erst wieder erringen. Das geht seit zwei Jahren langsam, aber stetig - so hoffen wir - bergauf. Auch an Land unterstützen die Deutschen die libanesischen Sicherheitskräfte, und auch hier steht die Sicherung der Grenze im Vordergrund. Es geht darum, vier libanesische Institutionen im Sicherheitsbereich, die bisher nicht zusammengearbeitet haben, zu einer koordinierten Zusammenarbeit zu bringen. Das sind die Streitkräfte, das ist der Zoll, das ist die Polizei, und das ist eine Einrichtung, die im Wesentlichen unserer Bundespolizei entspricht. 800 Mitarbeiter dieser Behörden arbeiten zusammen und überwachen gemeinsam die libanesische Nordgrenze durch mobile und feste Kontrollen."
Bei diesem Pilotprojekt liefern die Deutschen die Erstausstattung für den libanesischen Zoll; ein Team deutscher Bundespolizisten und Zollbeamter berät die libanesischen Kollegen und bildet sie aus. Chef des Teams ist Detlef Karioth, Leitender Polizeidirektor bei der Bundespolizei. Wie bei der seewärtigen Grenze gibt es an Land viel zu tun, sagt Karioth.
"Sie müssen berücksichtigen, dass aus der Historie heraus die Grenze des Libanons zu Syrien eigentlich über lange Zeit gar keine Grenze war. Es war nicht der Filter, den Sie eigentlich als Grenze vermuten. Und insofern ist das auch nicht erste Priorität nach dem Rückzug der Syrer gewesen, diese Grenze entsprechend zu sichern."
Verpassen die Deutschen den Libanesen nun also eine hermetisch dichte Sperre mit hohen Mauern und tiefen Gräben?
"Das ist es mit Sicherheit nicht, was wir wollen. Wir pflegen auch nicht diese Art Grenzsicherung, dass wir Zäune aufbauen, Wachtürme bauen, so genannte Intrusion Detectors und Kameraüberwachung etablieren - wir setzen mehr auf die Durchlässigkeit der Grenze bei einer doch sehr intensiven Überwachung. Sie müssen auch da immer wieder berücksichtigen, dass gerade im Nord-Bekaa-Tal, dass es dort Menschen gibt, die seit Tausenden von Jahren die Grenze überschreiten, dass Familien dort in Syrien leben, im Libanon leben, dass dort gearbeitet wird, in Syrien, im Libanon gewohnt wird; das heißt, die Bürger dort erwarten, dass sie die Grenze frei überschreiten können - was wir nicht einschränken wollen, in keinster Weise! Was wir natürlich immer wieder empfehlen, ist, die Grenze entsprechend intensiv zu überwachen - wer dort rüber geht."
Von der deutschen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, hat sich die Bundesregierung im Laufe des letzten Jahres immer mehr im Libanon engagiert; sie arbeitet nun beim Aufbau wichtiger staatlicher Einrichtungen mit. Doch: Braucht dieses Land, in dem schon so viele ausländische Mächte ihre Finger im Spiel haben, noch mehr fremde Einmischung? Ghinwa Jaloul ist Abgeordnete des Regierungslagers:
"Die Deutschen zwingen sich der libanesischen Politik nicht auf - im Gegenteil: Wir bitten ja um diese Unterstützung, und es ist genau die Unterstützung, die wir als Libanesen wollen und die vor allem diese Regierung will. Deutschland ist also nicht ein weiterer fremder Mitspieler, sondern ein weiterer Freund. Wir wollen Libanon als starkes, souveränes, unabhängiges Land aufbauen, das seine Zukunft in der Hand hat und nicht von ausländischen Mitspielern kontrolliert wird - selbst wenn die sich als unsere Brüder sehen."
Zwar ist es vielen Libanesen auch ein Jahr nach dem Start des deutschen Marineeinsatzes ein Rätsel, was all die Kriegsschiffe unter UN-Flagge vor der Küste sollen, wo doch Waffen nie in nennenswerter Menge über See geschmuggelt wurden - dies ist eine Frage, die aus Sicht vieler Menschen nach wie vor nicht schlüssig beantwortet wurde; doch die Deutschen bekommen für ihre Aufbauarbeit längst auch Beifall von der libanesischen Opposition: Er könne den Deutschen gar nicht genug danken, sagt zum Beispiel Ali Hamdan, außenpolitischer Sprecher der Amal-Bewegung des Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Man dürfe aber nicht nur an den Symptomen arbeiten, fügt Hamdan hinzu:
"Wir möchten, dass man mit diesen Anstrengungen an die Wurzeln der Probleme im Nahen Osten geht. Wir denken, dass diese Wurzeln die israelische Besatzung arabischer Gebiete und die Frage der Rechte der Palästinenser sind. An diesen Problemen zu arbeiten und diese Krisen zu lösen, wird Stabilität bringen - in der Region und darüber hinaus."
Hansjörg Haber, der deutsche Botschafter in Beirut, ist nicht erstaunt, dass die Opposition offenbar die gemeinsamen deutsch-libanesischen Aufbauprojekte mit trägt.
"Die Libanesen eint trotz allem ein Grundkonsens, und das ist, dass hier die verschiedenen religiösen Gruppen in Frieden miteinander leben sollen. Dazu gehört eben auch ein starker Staat, der dieses Zusammenleben gewährleisten kann, und insofern können wir unseren Beitrag, denke ich, jedem Libanesen gut verkaufen."
Haber legt jedoch Wert darauf, festzustellen, dass der größte Teil der deutschen Hilfe zivil ist.
Elf Uhr vormittags auf der Fregatte "Bayern". Die, die jetzt mit Creedence Clearwater Revival aus den Federn geholt werden, hatten in der Nacht Dienst.
"An alle Stände, hier von der Brücke, die erste Seewache wünscht der Besatzung einen schönen, guten Tag - die Fregatte "Bayern" steht zur Zeit 15 Seemeilen vor der libanesischen Küste im Patrouillengebiet auf Kurs 3-6-0. Zu den äußeren Bedingungen: Kaiserwetter mit 26,8 Grad gemessener Lufttemperatur, auch die Wassertemperatur bei angenehmen 27 Grad heute. "
Vieles an diesem Einsatz der "Bayern" ist längst Routine, aber Langeweile gibt es für die 230 Besatzungsmitglieder kaum, erst recht nicht in den wenigen Stunden, die man jeden Tag frei hat, meint der Hauptgefreite Felix Ulrich, ein Funker:
"Ich lese in letzter Zeit viel - also, nicht dass ich es vorher nicht auch schon getan hätte - aber nun besonders viel; man widmet sich dem Sport, weil man nicht von Bord kommt und nicht die Möglichkeit hat, seinen Körper fit zu halten, und somit vergeht die Zeit für einen hier an Bord viel schneller."
Seit rund drei Wochen ist die "Bayern" nun für die Vereinten Nationen im Einsatz - eigentlich nichts Besonderes - so Fregattenkapitän Jens Schwarter, der Kommandant der "Bayern":
"Das Geschäft, das wir hier vor der Küste vom Libanon betreiben, haben wir woanders auch schon betrieben. Die Unterschiede sehen wir im Seegebiet, also für die "Bayern" ist das ein technisches Problem im Moment, hier so richtig Fuß zu fassen, weil das Mittelmeer noch sehr warm ist und unsere elektronischen Anlagen sehr viel Kühlleistung brauchen, und deshalb habe ich im Moment so mein Auge da drauf, wie die Temperaturkurven in unseren Kaltwassersätzen laufen."
Will sagen: Einst für den Kalten Krieg im kühlen Nordatlantik gebaut, ist es der "Bayern" im Mittelmeer ein wenig zu warm. Kommandant Schwarter weiß derzeit nicht, wie lange das Engagement der Deutschen im Libanon noch im gegenwärtigen Umfang gebraucht wird. Er hofft, dass nicht nur das Mittelmeer, sondern vor allem die innenpolitische Krise des Landes im Herbst abkühlt - damit die bisher geleistete Aufbauarbeit nicht vergebens gewesen sein wird.