Peter Knoch ist Architekt aus Leidenschaft. In Berlin hat er an der Akademie der Künste studiert, 1991 hat es ihn nach St. Petersburg gezogen. Während die Sowjetunion auseinander bricht, erlebt er die spannendste Zeit seines Lebens. Vor acht Jahren ging es dann endgültig nach Russland – dieses Mal nach Moskau. Denn dort wurde schon damals ungewöhnlich viel gebaut und es wurden, anders als in Deutschland, händeringend Architekten gesucht. Deshalb reizt Peter Knoch bis heute…
"Grundsätzlich die Dynamik, das heißt eine Stadt, die sehr optimistisch ist, nach vorne blickt und in der vieles noch möglich ist."
Moskau ist ein Kaleidoskop aus verschiedenen Stilepochen: sowjetische Avantgarde neben stalinistischem Prunkbau und nagelneuen Stahl-Glas-Fassaden.
"Die Stadt hat sich ganz erheblich verändert und als ich 2003 nach Moskau kam, um nicht nur Moskau zu besuchen sondern hier zu leben, hatte ich den Eindruck sie verändert sich jeden Monat. So schnell ist es heute nicht mehr, aber die Stadt hat auf jeden Fall Anschluss gefunden an die Gruppe großer internationaler Metropolen und muss keinen Vergleich scheuen."
Regelmäßig bietet Peter Knoch in seiner Freizeit Architekturführungen an – für andere Architekten, die Moskau zum ersten Mal besuchen, oder auch für Geschäftsleute. Heute zeigt er drei interessierten Rentnerinnen, die einige Tage in Moskau Urlaub machen, die Besonderheiten der Stadt.
"Moskau ist sehr sehr unklar, sehr schwierig zu verstehen, wenn man sich nur visuell orientiert… und das hat sehr viel mit Stadtzerstörung und Stadtumbau in der Geschichte zu tun."
Denn zwei Ereignisse haben Moskaus Stadtbild wesentlich geprägt – sie sind dafür verantwortlich, dass Russlands Hauptstadt heute so aussieht, wie sie aussieht. Erstens: Sie ist 1812 beim Russland-Feldzug Napoleons fast vollständig abgebrannt, stehen geblieben sind nur Gebäude der Aristokratie sowie der Kreml. Die meisten Gebäude in Moskau stammen also aus der Zeit nach dem großen Brand. Und das zweite Ereignis geht auf den Generalplan von Stalin aus dem Jahr 1935 zurück.
"Dieser Generalplan von 1935 hatte zum Ziel Moskau auszubauen zur Welthauptstadt des Kommunismus. Das war das Ziel, weniger ging nicht, also nicht Hauptstadt Russlands, oder Hauptstadt der Sowjetunion, sondern Welthauptstadt – ähnlich wie Berlin – und das begründet diesen Maßstab der stalinistischen Bauten."
Diese überdimensionalen Bauten prägen auch noch heute noch das Stadtbild von Moskau. Sie sind auf Postkarten verewigt und tief im Bewusstsein der Moskowiter verankert. Die sieben bekanntesten Hochhäuser im stalinistischen Zuckerbäckerstil werden augenzwinkernd die "Sieben Schwestern" genannt, darunter auch das Außenministerium und der zentrale Campus der Lomonossow-Universität. Die Gebäude sind zum Symbol geworden für eine Zeit, in der Russland Weltmacht war.
"Das sowjetische Erbe ist natürlich präsent, weil 80 Prozent der Bauten in Moskau aus der sowjetischen Phase stammen – Altes gibt es nicht viel, Neues noch nicht so viel, insofern ist es Thema."
Daneben gab es eine Phase in der 20er Jahren, als Russland an der Weltspitze der Architekturszene rangierte. Auch diese Zeit, die Zeit der "sowjetischen Avantgarde", prägt das heutige Stadtbild Moskaus. Allen voran: die Gebäude des Konstruktivisten Konstantin Melnikow.
1926 hat er den sowjetischen Pavillon für die Weltausstellung in Paris entworfen – und damit seinen Durchbruch gefeiert. Eines seiner bekanntesten Gebäude ist der Arbeiterklub Rusakow im Norden von Moskau. Früher Treffpunkt für Straßenbahnmitarbeiter, heute verfallenes Varieté-Theater – in die hellblaue Verkleidung haben sich im Laufe der Jahre tiefe Risse ihren Weg gebahnt.
"Reporterin: Und finden Sie es jetzt gut in Schuss, weil vorne blättert ja auch der Putz so ein bisschen ab…"
" Im Vergleich ja, es gibt andere, die sehr viel schlimmer aussehen, es ist also immerhin einigermaßen in Stand gehalten."
Viele Schmuckstücke verfallen so wie dieser Arbeiterklub. Der Grund: In Russland gibt es immer noch wenig Bewusstsein für alte Bausubstanz. Aber: Es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel das heutige Gebäude des russischen Tourismusverbandes, früher war hier das Ministerium für Leichtindustrie untergebracht.
"Das ist das allererste sowjetische Ministerium, 1925 bis 27 – zeitgleich mit dem Bauhaus in Dessau – eine Stahl-Beton-Konstruktion, man sieht es dem Gebäude nicht mehr so richtig an… ich zeige Ihnen mal ein altes Foto… so hat das ursprünglich ausgesehen: Es hatte andere Fenster."
Die Stahlfenster wurden in den 70er Jahren durch Aluminiumfenster ausgetauscht. Ansonsten ist die Fassade der historischen Abbildung faszinierend ähnlich. Das sowjetische Erbe ist in Moskau also immer noch überall präsent. Trotzdem wirken die Gebäude in weiten Strecken bunt zusammengewürfelt, keines gleicht dem anderen, einen Masterplan wie bei Wien oder Prag sucht man vergeblich. Stattdessen begegnet einem auf Schritt und Tritt: Lenin.
Er ist auf Büsten verewigt und auf Mosaike gebannt, er thront von Sockeln und von Podesten. Lenin ist, auch 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion und 87 Jahre nach seinem Tod, immer noch omnipräsent. Sein Konterfei vermittelt den Eindruck als ob die Zeit stehen geblieben sei.
"Es ist eine Epoche, die aus Russland nicht wegzudenken ist, und die in einer gewissen Weise Bestand haben wird, die weiter wirken wird – aber sie wird weniger Emotionen auslösen, von Jahr zu Jahr."
Die Sowjetnostalgie ist fester Bestandteil der russischen Seele. Doch genauso schnell wie sie aufflammt verflüchtigt sie auch wieder, denn inzwischen regiert in Moskau das Diktat des Kapitalismus. "Höher, schneller, weiter" lautet jetzt das Motto – und wer nicht mithalten kann, dem bleibt nur die Erinnerung an die Zeit als die Begriffe "Perestroika" und "Glasnost" noch keiner kannte.
"Grundsätzlich die Dynamik, das heißt eine Stadt, die sehr optimistisch ist, nach vorne blickt und in der vieles noch möglich ist."
Moskau ist ein Kaleidoskop aus verschiedenen Stilepochen: sowjetische Avantgarde neben stalinistischem Prunkbau und nagelneuen Stahl-Glas-Fassaden.
"Die Stadt hat sich ganz erheblich verändert und als ich 2003 nach Moskau kam, um nicht nur Moskau zu besuchen sondern hier zu leben, hatte ich den Eindruck sie verändert sich jeden Monat. So schnell ist es heute nicht mehr, aber die Stadt hat auf jeden Fall Anschluss gefunden an die Gruppe großer internationaler Metropolen und muss keinen Vergleich scheuen."
Regelmäßig bietet Peter Knoch in seiner Freizeit Architekturführungen an – für andere Architekten, die Moskau zum ersten Mal besuchen, oder auch für Geschäftsleute. Heute zeigt er drei interessierten Rentnerinnen, die einige Tage in Moskau Urlaub machen, die Besonderheiten der Stadt.
"Moskau ist sehr sehr unklar, sehr schwierig zu verstehen, wenn man sich nur visuell orientiert… und das hat sehr viel mit Stadtzerstörung und Stadtumbau in der Geschichte zu tun."
Denn zwei Ereignisse haben Moskaus Stadtbild wesentlich geprägt – sie sind dafür verantwortlich, dass Russlands Hauptstadt heute so aussieht, wie sie aussieht. Erstens: Sie ist 1812 beim Russland-Feldzug Napoleons fast vollständig abgebrannt, stehen geblieben sind nur Gebäude der Aristokratie sowie der Kreml. Die meisten Gebäude in Moskau stammen also aus der Zeit nach dem großen Brand. Und das zweite Ereignis geht auf den Generalplan von Stalin aus dem Jahr 1935 zurück.
"Dieser Generalplan von 1935 hatte zum Ziel Moskau auszubauen zur Welthauptstadt des Kommunismus. Das war das Ziel, weniger ging nicht, also nicht Hauptstadt Russlands, oder Hauptstadt der Sowjetunion, sondern Welthauptstadt – ähnlich wie Berlin – und das begründet diesen Maßstab der stalinistischen Bauten."
Diese überdimensionalen Bauten prägen auch noch heute noch das Stadtbild von Moskau. Sie sind auf Postkarten verewigt und tief im Bewusstsein der Moskowiter verankert. Die sieben bekanntesten Hochhäuser im stalinistischen Zuckerbäckerstil werden augenzwinkernd die "Sieben Schwestern" genannt, darunter auch das Außenministerium und der zentrale Campus der Lomonossow-Universität. Die Gebäude sind zum Symbol geworden für eine Zeit, in der Russland Weltmacht war.
"Das sowjetische Erbe ist natürlich präsent, weil 80 Prozent der Bauten in Moskau aus der sowjetischen Phase stammen – Altes gibt es nicht viel, Neues noch nicht so viel, insofern ist es Thema."
Daneben gab es eine Phase in der 20er Jahren, als Russland an der Weltspitze der Architekturszene rangierte. Auch diese Zeit, die Zeit der "sowjetischen Avantgarde", prägt das heutige Stadtbild Moskaus. Allen voran: die Gebäude des Konstruktivisten Konstantin Melnikow.
1926 hat er den sowjetischen Pavillon für die Weltausstellung in Paris entworfen – und damit seinen Durchbruch gefeiert. Eines seiner bekanntesten Gebäude ist der Arbeiterklub Rusakow im Norden von Moskau. Früher Treffpunkt für Straßenbahnmitarbeiter, heute verfallenes Varieté-Theater – in die hellblaue Verkleidung haben sich im Laufe der Jahre tiefe Risse ihren Weg gebahnt.
"Reporterin: Und finden Sie es jetzt gut in Schuss, weil vorne blättert ja auch der Putz so ein bisschen ab…"
" Im Vergleich ja, es gibt andere, die sehr viel schlimmer aussehen, es ist also immerhin einigermaßen in Stand gehalten."
Viele Schmuckstücke verfallen so wie dieser Arbeiterklub. Der Grund: In Russland gibt es immer noch wenig Bewusstsein für alte Bausubstanz. Aber: Es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel das heutige Gebäude des russischen Tourismusverbandes, früher war hier das Ministerium für Leichtindustrie untergebracht.
"Das ist das allererste sowjetische Ministerium, 1925 bis 27 – zeitgleich mit dem Bauhaus in Dessau – eine Stahl-Beton-Konstruktion, man sieht es dem Gebäude nicht mehr so richtig an… ich zeige Ihnen mal ein altes Foto… so hat das ursprünglich ausgesehen: Es hatte andere Fenster."
Die Stahlfenster wurden in den 70er Jahren durch Aluminiumfenster ausgetauscht. Ansonsten ist die Fassade der historischen Abbildung faszinierend ähnlich. Das sowjetische Erbe ist in Moskau also immer noch überall präsent. Trotzdem wirken die Gebäude in weiten Strecken bunt zusammengewürfelt, keines gleicht dem anderen, einen Masterplan wie bei Wien oder Prag sucht man vergeblich. Stattdessen begegnet einem auf Schritt und Tritt: Lenin.
Er ist auf Büsten verewigt und auf Mosaike gebannt, er thront von Sockeln und von Podesten. Lenin ist, auch 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion und 87 Jahre nach seinem Tod, immer noch omnipräsent. Sein Konterfei vermittelt den Eindruck als ob die Zeit stehen geblieben sei.
"Es ist eine Epoche, die aus Russland nicht wegzudenken ist, und die in einer gewissen Weise Bestand haben wird, die weiter wirken wird – aber sie wird weniger Emotionen auslösen, von Jahr zu Jahr."
Die Sowjetnostalgie ist fester Bestandteil der russischen Seele. Doch genauso schnell wie sie aufflammt verflüchtigt sie auch wieder, denn inzwischen regiert in Moskau das Diktat des Kapitalismus. "Höher, schneller, weiter" lautet jetzt das Motto – und wer nicht mithalten kann, dem bleibt nur die Erinnerung an die Zeit als die Begriffe "Perestroika" und "Glasnost" noch keiner kannte.