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Sozialdemokratischer Kriegsgegner

Entschieden zog der Sozialdemokrat Karl Liebknecht gegen Militär und Militarismus zu Felde. Wer so wortgewaltig Säulen des wilhelminischen Kaiserreichs angriff, musste damit rechnen, ebenso entschieden auch mit Mitteln politischer Justiz bekämpft zu werden.

Von Anselm Weidner | 12.10.2007
    "Erst die Sozialisten abschießen, köpfen, unschädlich machen - wenn nötig per Blutbad - und dann Krieg nach außen. Aber nicht vorher und nicht a tempo."

    Kaiser Wilhelm II. in einer Silvesterbotschaft 1905 an seinen damaligen Kanzler von Buelow.

    "Der Militarismus wirkt international als Gefährdung des Völkerfriedens und national als Bollwerk und Sturmbock gegen den 'inneren Feind', das kämpfende Proletariat. So wie sich die Macht des Staates in gewissem Sinne gegenüber den wirtschaftlichen Kräften verselbständigt, so verselbständigt sich der Militarismus und wird zur besonderen Stütze des Kapitalismus","

    hatte der Rechtsanwalt und Berliner sozialdemokratische Stadtverordnete Karl Liebknecht auf dem Bremer SPD-Parteitag von 1904 gewarnt und gemahnt: Sozialdemokraten müssen, wollen sie glaubwürdig sein, gegen kapitalistische Ausbeutung sowie Krieg und Militarismus als zwei Seiten derselben Medaille gleichermaßen kämpfen. So warb Liebknecht auf Parteiversammlungen, in seinen Schriften und vor allem in proletarischen Jugendorganisationen unablässig für eine eigene Agitation gegen den Militarismus.

    ""Die proletarische Jugend muss von Klassenbewusstsein und von Hass gegen den Militarismus systematisch durchglüht werden. Der jugendliche Enthusiasmus wird die Herzen einer solchen Agitation begeistert entgegenschlagen lassen. Die proletarische Jugend gehört der Sozialdemokratie, dem sozialdemokratischen Antimilitarismus. Sie wird und muss [...] gewonnen werden. Wer die Jugend hat, hat die Armee","

    heißt es am Ende der Anfang Februar 1907 erschienenen Schrift Karl Liebknechts "Militarismus und Antimilitarismus". Darin hatte er unter anderem eine parlamentarische Entscheidung über Krieg oder Frieden und das Verbot des Einsatzes von Militär im Inneren des Deutschen Reiches gefordert.

    Jetzt war für den Kaiser und die Reichsregierung das Maß voll. Am 17. April 1907 beantragte der preußische Kriegsminister Karl von Einem beim Kaiserlichen Oberreichsanwalt Olshausen, gegen Karl Liebknecht wegen Vorbereitung zum Hochverrat Anklage zu erheben.

    Am 9. Oktober Punkt neun Uhr beginnt der Prozess vor dem Reichsgericht in Leipzig. Der Sitzungssaal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Was er denn unter Klassenjustiz verstehe, wird Liebknecht von einem der 15 Reichsrichter in roten Roben gefragt.

    ""Wir sprechen von einer Klassenjustiz gegenüber der Sozialdemokratie, insofern es schlechterdings ausgeschlossen ist, dass Sozialdemokraten Richter sind und es sich der Sozialdemokrat gefallen lassen muss, von den erbittertsten Feinden seiner Partei abgeurteilt zu werden."

    An jedem der vier Prozesstage sind die Zeitungen voll vom Hochverratsprozess in Leipzig. Liebknecht ist er eine hochwillkommene Bühne für seinen antimilitaristischen Kampf. Am 12. Oktober 1907 wird er des Hochverrats für schuldig befunden und zu anderthalb Jahren Festungshaft verurteilt.

    Neben Rosa Luxemburg wurde Karl Liebknecht mit diesem Prozess unter Berliner Arbeitern und in der Parteilinken zum populärsten sozialdemokratischen Politiker. Die sozialdemokratische Führung hat fortan ein Problem mit weitreichenden Folgen: Sie will Liebknechts Popularität nutzen, andererseits lehnen Parteileitung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion mehrheitlich dessen konsequenten Antimilitarismus ab. Er wird aus der Partei ausgeschlossen, weil er mit 19 Genossen im Reichstag gegen die Verlängerung der Kriegskredite und damit gegen die Mehrheit der SPD-Fraktion gestimmt hatte, auch gegen Gustav Noske, den späteren SPD-Volksbeauftragten für Heer und Marine.

    Uwe Soukup, Autor mehrerer Bücher über die SPD, den Ersten Weltkrieg und die Revolution von 1919, verweist auf eine erstaunliche Koinzidenz:

    "Im April 1907, im gleichen Monat, in dem die Anklage formuliert wird gegen Liebknecht, die dann zum Hochverratsprozess führte, hat Gustav Noske seine Jungfernrede im Reichstag gehalten, und die war die programmatische Erklärung der SPD für die Politik, die sie im kommenden Krieg machen wird, und das hieß nichts weiter als diesen Krieg mitmachen. Also: Wir sind keine vaterlandslosen Gesellen mehr. Und von diesem Augenblick an, vom April 1907 bis zum Januar 1919, rasten praktisch die beiden Züge aufeinander zu, Noske in dem einen und Liebknecht in dem anderen. Und Verlierer ist Liebknecht."

    Er wird am 15. Januar 1919 mit Wissen und Duldung seines früheren Parteigenossen, des Volksbeauftragten Gustav Noske, ermordet. Und Verliererin ist auch die Sozialdemokratische Partei, die sich in SPD, USPD und KPD aufspaltet.