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''Soziale Intelligenz'' neu im Studium Fundamentale der Universität Witten-Herdecke

    Frage: Was alles packen Sie in den Begriff "Soziale Intelligenz" rein?

    Prof. Baecker: Vor allem die Absicht, die Soziologie wieder ins Spiel zu bringen. Ich versuche auf neue Entwicklungen bei der künstlichen Intelligenzforschung zu reagieren. Dort wird zum ersten Mal das alte Bewusstseinsparadigma "Intelligenz findet nur in Gehirnen statt" verlassen, und ein Gesellschaftsparadigma, das heißt "Intelligenz setzt immer die Beiträge vieler verschiedener Leute oder Teilnehmer voraus" neu entworfen. Dieses neue Paradigma in der technischen Intelligenzforschung muss uns Soziologen extrem spannend erscheinen.

    Frage: Wie weit ist die Hirnforschung denn überhaupt? Das Phänomen "Bewusstsein" steht doch gerade erst am Anfang. In wie weit kann man darin eine Orientierung finden?

    Prof. Baecker: Die Orientierung liegt vor allem nicht darin, dass man einen Analogieschluss macht: "Wir schauen uns an wie das Internet funktioniert, und wissen dann, wie die Gesellschaft funktioniert". Allgemeine Theoriefragen müssen dazwischen geschaltet werden. Vieles in der Intelligenzforschung bei Ingenieuren läuft auf eine Kombination von Verzögerungs- und Innovationsfaktoren hinaus. Jede Intelligenz ist nur deshalb intelligent, weil sie verzögern kann, eine Nachdenkpause eingeschaltet werden kann. In einem zweiten Schritt tut man dann nicht unbedingt das, was erwartet wird. Aber man schlägt beispielsweise etwas Innovatives vor. Daraus ergibt sich ein allgemeines Theorem, und ich kann schauen, wie finde ich so etwas in Familien, in Organisationen oder in der Politik.

    Frage: Der Begriff hängt also nicht zwischen emotionaler Intelligenz und sozialer Kompetenz?

    Prof. Baecker: Damit hat es gar nichts zu tun. Es ist quasi ein drittes Feld. Man kann sagen, jemand ist sozial intelligent, wenn er im richtigen Moment eher emotional als rational reagiert.

    Frage: Dann also aber doch so etwas ähnliches wie soft skills , Teamfähigkeit beispielsweise?

    Prof. Baecker: Auf jeden Fall etwas ganz ähnliches, gleichzeitig aber auch ein hard skill , weil das Härteste, was sie über soziale Intelligenz sagen können ist, dass sie nur dann sozial intelligent agieren können, wenn der andere immer in der Position ist, vielleicht etwas mehr zu wissen als sie selbst. Sie müssen sich in die Situation des Nicht-Wissens begeben. Der Arzt, der sich an das Bett eines Patienten stellt, muss eine gewisse Zeit lang die Suggestion aufrecht erhalten, dass er nicht weiß, warum der Patient krank ist, um eine Interaktion zwischen Arzt und Patient möglich zu machen, in der er herausfinden kann, wie er dem Patienten helfen kann. Auch Manager und Hochschullehrer müssen dem anderen erst eine Chance geben, sich zu äußern, eine Meinung, eine Welt zu entfalten, die uns neu ist.

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    Antrittsvorlesung Prof.Dr.rer.soc. Dirk Baecker über "Soziale Intelligenz" am Donnerstag 09.11.2000, 18.30 Uhr, Großer Hörsaal, Campus-Gebäude der

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