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Soziale Netzwerke
Facebook ist "out", Snapchat ist "in"

Vor allem in den USA rennen Facebook die Nutzer davon. Insbesondere Teenager verlassen das soziale Netzwerk und wechseln zum Beispiel zu "Snapchat". Das ist ein Dienst nur für Smartphones, der die Privatsphäre angeblich besser schützt. Ein Gespräch mit dem Internet-Experten Marcus Schuler.

Marcus Schuler im Gespräch mit Manfred Kloiber | 18.01.2014
    Manfred Kloiber: Marcus Schuler, was genau ist Snapchat und was unterscheidet den Dienst von Netzwerken wie Facebook?
    Marcus Schuler: Snapchat gibt es nur auf den zwei gängigen Smartphone-Systemen. Die App ist sehr unprätentiös. Man kann Freunden Fotos, Videos oder Texte schicken. Der Clou: Als Nutzer kann man einstellen, nach wie vielen Sekunden die gesendete Nachricht sowohl auf dem eigenen Telefon als auch beim Empfänger gelöscht werden soll. Die maximale Anzeigedauer beträgt zehn Sekunden.
    Kloiber: Lässt sich das Löschen umgehen, in dem man beispielsweise einen Screen Shot der Nachricht macht?
    Schuler: Um eine Nachricht anzusehen, muss der Nutzer seinen Finger auf das Display drücken. So ist es nicht möglich, einen sogenannten Screen Shot des Bildschirminhalts zu machen. Natürlich lässt sich das aber umgehen, in dem man mit einem zweiten Gerät einfach rechtzeitig ein Foto schießt. Angeblich lässt sich in den tiefen des Android-Betriebssystems ein Foto oder Video wiederherstellen - geringes Wissen vorausgesetzt. Anleitungen dazu kursieren im Web. Ob Nachrichten tatsächlich sofort von den Snapchat-Servern gelöscht werden, wissen wir nicht. Das Unternehmen sagt, es bewahrt einzig sogenannte Log-Dateien auf. Und nur eine nicht abgeholte Nachricht werde 30 Tage lang gespeichert und dann gelöscht. Erst im Dezember ist man übrigens negativ in die Schlagzeilen geraten: Weil eine Datenbank offenbar nur schlampig gesichert war, konnten Hacker die Telefonnummern von 4.6 Millionen Snapchat Usern veröffentlichen.
    Kloiber: Wer steckt hinter Snapchat?
    Schuler: Zwei ehemalige Stanford Studenten, Evan Spiegel, 23 und Robert Murphy haben Snapchat im September 2011 gestartet. Nicht etwas aus dem Silicon Valley wie man annehmen möchte, sondern aus Los Angeles, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Wie verrückt der schnelle Aufstieg ist, zeigen auch die jüngsten Bewertungen: auf knapp 4 Milliarden Dollar wird das Unternehmen taxiert, obwohl es keinerlei Einnahmen verzeichnet. Zuletzt hat angeblich Google für genau diese Summe versucht, Snapchat zu übernehmen. Mit-Gründer Spiegel lehnte das Angebot ab. Bereits ein Jahr zuvor soll Facebook-Chef Mark Zuckerberg drei Milliarden Dollar geboten haben. Wieviele Nutzer Snapchat tatsächlich hat, verrät das Unternehmen nicht. Nur so viel: 80 Prozent der Nutzer kommen derzeit aus den USA. Und: mehr als 350 Millionen Bilder, Videos und Texte werden darüber pro Tag ausgetauscht.
    Kloiber: Was macht den besonderen Reiz, gerade für jüngere Menschen an dem Dienst aus?
    Schuler: Das finde ich, ist das eigentlich spannende an der Entwicklung, die eventuell auch eine langfristige Auswirkung haben könnte: Jugendliche, so zeigen Studien und Marktforschungsdaten aus den USA und Europa, sind offenbar genervt, von der Offenheit und dem geringen Grad an Privatsphäre bei Facebook. Auch, dass einmal eingegebene Daten immer da sind. Stichwort digitales Vergessen. So soll der Anteil der Jugendlichen bei Facebook im Alter zwischen 13 und 17 in den vergangenen drei Jahren um rund 25 Prozent zurückgegangen sein. Facebook sei uncool. Nichts sei schlimmer, so eine Jugend-Studie in acht EU-Ländern, wenn man eine Freundschaftsanfrage via Facebook von den eigenen Eltern erhalte. Gerade deshalb sind Dienste wie eben Snapchat oder die Messaging App What App so extrem beliebt. Hier das ephemäre Snapchat und dort das persönliche Daten aufsaugende Facebook, das übrigens wird immer älter wird: In der Gruppe der über 55jährigen ist Facebook in den USA in den vergangenen drei Jahren um 80 % gewachsen.