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Sozialer Videorekorder

Computer und Festplatte schubsen mit mehr Qualität und Komfort den VHS-Rekorder in den Ruhestand. Was aber, wenn der Besitzer einfach die Programmierung verschlafen hat? Dann hilft : Denn in dem Netzwerk hat vielleicht ein Nachbar die Aufnahme gemacht.

Von Mirko Smiljanic |
    Endlich läuft er mal wieder im Fernsehen: "Vom Winde verweht" mit Clark Gable und Vivian Leigh, die Südstaatenschnulze mit Tränengarantie. So etwas gehört aufgezeichnet und eingereiht in die private Filmothek. Leider nur dauert der Schinken gleich mehrere Stunden und gegen 22:00 Uhr bietet ein anderer Kanal einen anderen schicken Film, den aufzuzeichnen sich ebenfalls lohnt. Ein Zielkonflikt, den Karlsruher Informatiker mittlerweile aber geschickt lösen: Mehrere Videorekorder bilden über das Internet ein Ad-hoc-Netz und teilen sich die Arbeit. Als Technik nutzen sie das Court Overlay,…

    "Das ist ein Netzwerkprotokoll, das erstmals in den USA entwickelt wurde. Dabei ordnen sich die Geräte virtuell auch einem Ring an. Jedes Gerät hat eine eindeutige Adresse, diese Adressen können aufgereiht werden und diese Adressen formen dann einen Ring."

    Thomas Fuhrmann vom Institut für Betriebs- und Dialogsysteme an der Universität Karlsruhe. Wenn ein Rekorder zum ersten Mal das Netz betritt, meldet er sich zunächst beim Knotenrechner an,…

    "…und dieser Knoten empfiehlt dann einige andere Geräte, die sich vorher schon angemeldet haben. Er kontaktiert dann diese Geräte, um dann schrittweise seine Position auf diesem Ring zu finden."

    Der Videorekorder ist kein Gerät klassischer Bauart mit Kassette, sondern ein Festplattenrekorder auf Computerbasis. Ein handelsüblichen Linuxrechner - wobei allerdings die Netzwerk-Software nicht von den Karlsruher Informatikern geschrieben worden ist. Sie basiert vielmehr auf dem Open-Source-Projekt "Video-Disc-Rekorder".

    "Wir haben diesen Video-Disc-Rekorder erweitert um diese Vernetzungskomponente, das ist ein Plugin, was in diesen Videorekorder hinein geladen wird als Softwarestück, und dieses Softwarestück findet dann in diesem virtuellen Ring die anderen Geräte, kann sich bei den Geräten anmelden und kann über diese Ringstruktur die Daten zu den anderen Geräten weiter reichen, Anfragen an die anderen Geräte stellen, sich mit den anderen Geräten unterhalten,..."

    …und festlegen, welcher Rekorder einen zweiten Film aufnimmt, weil die eigene Kapazität erschöpft ist. Thomas Fuhrmann verweist dabei auf einen Punkt, der Videgor – so heißt das an der Uni Karlsruhe entwickelte Verfahren – von klassischen Filesharing-Systemen wie den umstrittenen Musiktauschbörsen unterscheidet.

    "Wir sorgen dafür, dass die Aufnahmen so verteilt sind, dass sie hinterher optimal im Netz verteilt sind. Wir gucken also nicht danach, die Daten überhaupt zur Verfügung zu haben, sondern möglichst nahe zur Verfügung zu haben, das heißt, bei diesen beiden Filmen schauen wir, dass, wenn viele Leute einen Film haben zum Beispiel in einem Wohnhaus, in einer Straße, in einer Gegend, dass dann zumindest dort eine Aufzeichnung gemacht wird, sodass die anderen Geräte schnell über das Netzwerk diese Daten laden können. "

    Nachhaltiger Datentransport im Internet – das hat nichts mit Ökologie zu tun, aber viel mit Bandbreite: Nach der Aufzeichnung muss "Vom Winde verweht" ja dem eigentlichen Interessenten überspielt werden.

    "Typischerweise haben wir DSL-Anschlüsse, die eine relativ hohe Bandbreite zur Verfügung stellen, aber nicht wirklich ausreichen, um richtig flüssig Video hin und her zu transportieren. Was man sich vorstellen kann und was auch immer häufiger beginnt, dass sich Wohnungen untereinander vernetzen. Also die typischen Studentenbuden heute sind durchaus schon mit Netzwerken untereinander verbunden, über ein solches Netz können die Daten deutlich schneller ausgetauscht werden."

    Lokale Netzwerke sind schnelle Netzwerke – leider aber nicht zwingend sichere. Aus diesem Grund verfügen die nachbarschaftlich agierenden Videorekorder über zwei Sicherheitstools. Jeder Teilnehmer kann bestimmen, was bei ihm aufgezeichnet werden darf.

    "Sie können also beispielsweise sagen, ich bin prinzipiell bereit, mein Gerät für Aufzeichnungen von Spielfilmen am Abend in den und den Kanälen zu betreiben, andere Sachen möchte ich nicht haben. Oder Sie sagen, das ist mir egal, wenn mein Gerät Kapazität frei hat, dann stelle ich es der Allgemeinheit zur Verfügung."