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Sozialsystem in Polen

Dorota Rutkowska ist krebskrank und Frührentnerin. Ihre 360 Zloty Rente entsprechen 90 Euro, und so arbeitet sie für ein legales Zusatzeinkommen in einem kleinen Warschauer Verlag als Sekretärin. Denn die Medikamente, die sie benötigt, würden die gesamte Rente aufzehren, erzählt Frau Rutkowska

Jürgen Grünewald | 27.08.2003
    Dorota Rutkowska ist krebskrank und Frührentnerin. Ihre 360 Zloty Rente entsprechen 90 Euro, und so arbeitet sie für ein legales Zusatzeinkommen in einem kleinen Warschauer Verlag als Sekretärin. Denn die Medikamente, die sie benötigt, würden die gesamte Rente aufzehren, erzählt Frau Rutkowska

    Die onkologischen Medikamente werden übernommen. Aber der Knochenkrebs ist sehr schmerzhaft, und die normalen Schmerztabletten, die ich täglich einnehme, muss ich voll bezahlen. Dazu leide ich noch an Asthma, was nicht als chronische Krankheit gilt, und deshalb muss ich die Asthmamittel aus der eigenen Tasche bezahlen. Die sind auch noch dreimal teurer geworden.

    Die kostenlose Gesundheitsversorgung ist in Polen eine Illusion. Wer beispielsweise in der Stadt Radom, 100 Kilometer südlich von Warschau, eine bestimmten Klinik für einen gynäkologischen Eingriff aufsucht, weiß sehr wohl, wie viel er wem in einem Briefumschlag zustecken muss. So stand es im Nachrichtenmagazin "Newsweek Polska" im Juli zu lesen. Von den 750 Krankenhäusern in Polen sind etwa 600 verschuldet. Einer Warschauer Klinik hat ein Pharma-Großhändler wegen offener Rechnungen zeitweise keine Antibiotika geliefert. Zahlreiche Krankenhäuser haben Verwaltungsklagen gegen den Nationalen Gesundheitsfonds eingereicht, der den Krankenschwestern höhere Löhne bewilligt hat, ohne zu klären, ob die Arbeitgeber diese höheren Personalkosten verkraften können.

    Doch die Gewerkschaften kämpfen längst nicht mehr um höhere Löhne und Gehälter. Sie unterstützen Maßnahmen und machen selbst Vorschläge, damit das maläse Gesundheitswesen sich eines Tages vom Krankenlager erheben kann. Die polnischen Gesundheitsminister haben immer wieder Reformen entwickelt und umgesetzt, aber nichts ist dadurch in der medizinischen Versorgung des Landes besser geworden. Regierungschef Leszek Miller hat den Ressortchef bereits zweimal ausgewechselt. Einer der beiden früheren Amtsinhaber hatte sein Ministerium mit undurchsichtigen Geldgeschäften in Misskredit gebracht. Der Ex-Minister wurde aus der sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen, nachdem er auf Journalisten eingeprügelt hatte. Seit der Wende 1989 ist es augenscheinlich nicht gelungen, die schwerwiegenden Mängel im System zu beseitigen. Der Präsidenten der polnischen Ärztekammer, Konstanty Radziwill, bringt es auf den Punkt:

    Das ganze System von Anfang an bis zum Ende ist verschuldet, und nur weil die rechtlichen Regelungen im Gesundheitswesensystem keine Bankrotts voraussehen, gibt es sie nicht, denn in Wirklichkeit ist das System schon bankrott.

    Für die kostenlose Behandlung und Versorgung der Bevölkerung waren bis vor kurzem regionale Krankenkassen zuständig. Sie hatten in ihren jeweiligen Wojewodschaften eine Monopolstellung und verwalteten das Geld, das für Gesundheit ausgegeben werden konnte: 6,3 Prozent des Bruttosozialproduktes im Jahr 2000. Das war ein Fünftel der deutschen Gesundheitsaufwendungen, kaum mehr als 500 Euro pro Kopf der Bevölkerung. In Deutschland waren es 2.500. Zum April 2003 entstand an Stelle der regionalen Kassen der Nationale Gesundheitsfonds, der NFZ, wie der Narodowy Fundusz Zdrowia kurz bezeichnet wird. Anderthalb Jahre hatte die Regierung daran gearbeitet, eine verlorene Zeit, wie die Opposition kritisiert. Premier Miller hatte gehofft, dass mit diesem neuen, überregionalen Partner der Kliniken und Ärzte die Unzufriedenheit nachlassen würde. Aber Ende Juli veröffentlichte die eher regierungsfreundliche Tageszeitung "Rzeczpospolita" das Ergebnis einer Umfrage, nach dem eine Mehrheit in der Bevölkerung noch immer der Meinung ist, dass sich die Lage im Gesundheitswesen nicht geändert habe. Ein Drittel gab sogar an, der NFZ habe das Gesundheitssystem weiter verschlechtert. Einer, der diese Meinung der Öffentlichkeit überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist der Mediziner Wladyslaw Pisarski. Der Arzt ist im Gesundheitsministerium in Warschau zuständig für Reformen:

    Die Reform hat den Patienten eine größere Wahl geschaffen. Vorher musste man eine Genehmigung von der eigenen Krankenkasse haben, um sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen, das einer anderen Kasse gehörte. Jetzt kann jeder Patient in jedem Ort in Polen behandelt werden. Allerdings haben nun Krankenhäuser, die einen guten Ruf haben, mehr Patienten. Jeder möchte in das beste Krankenhaus gehen. Dann muss man leider damit rechnen, dass man dort auf einen Platz wartet.

    Die öffentlichen Krankenhäuser, also die Einrichtungen, mit denen der NFZ vertraglich verbunden ist, können aber nur eine bestimmte Quote an Patienten und Eingriffen leisten. Was darüber hinausgeht, bringt sie ins Minus. Die Schuld dafür könne man dem NFZ nicht anlasten, meint der Direktor des Departements für Umstrukturierung. Noch einmal Wladyslaw Pisarski:

    Das Problem des Gesundheitswesens ist das Problem, dass ein Teil der Krankenhäuser verschuldet ist. Das muss gelöst werden.

    Schon dreimal sind die Krankenhäuser aus dem Staatshaushalt unterstützt worden, aber die Krise hat das nicht beseitigt. Wie hoch die öffentlichen Kliniken noch verschuldet sind, kann man derzeit nur schätzen. Diese Schätzungen schwanken und gehen von fünf bis sieben Mrd. Zloty aus, also rund 1,25 bis 1,75 Mrd. Euro. Die medizinischen Einrichtungen, die Gewerkschaften und auch die Patientenverbände bemängeln, dass die für ein Jahr abgeschlossenen Verträge nicht mehr nachgebessert, also dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Adam Sandauer, der Präsident des Verbands zum Schutz der Patientenrechte "Primum non nocere", berichtet:

    Weil das so ist, schöpfen die besten Krankenhäuser, in die die Patienten gehen wollen, ihre Möglichkeiten schnell aus. Mit Geld bleiben die schlechtesten Krankenhäuser. Also gehen die besten bankrott und die Patienten werden in die schlechtesten verwiesen.

    Im vergangenen Jahr hatten die Krankenkassen mit Kliniken und Arztpraxen Verträge über einen Gesamtumsatz von umgerechnet sieben Mrd. Euro ausgehandelt. Doch die Beiträge, die von den erwerbstätigen, steuerzahlenden Bürgern abgeführt wurden, summierten sich auf einen Betrag, der siebeneinhalb Prozent darunter lag. Dass die Kliniken bei ihren Ausgaben auf jeden Groschen schauen müssen, merken nicht nur Betroffene beim Arztbesuch oder bei einem Krankenhausaufenthalt. Das bekommen auch die Belegschaften von Gesundheitseinrichtungen zu spüren. In der Vergangenheit haben sie immer wieder versucht, ihre Interessen mit Streikdrohungen oder tatsächlichen Arbeitsniederlegungen durchzusetzen. Von den etwa 250.000 polnischen Krankenschwestern erhalten die überaus meisten unter 900 Zloty im Monat, also rund 225 Euro. Ein Drittel hat nicht einmal 150 Euro. Maria Jolanta Ochman ist bei der Gewerkschaft Solidarnosc für Mitarbeiter im Gesundheitswesen zuständig:

    Wir sprechen wir seit einigen Jahren kaum noch über Lohnsteigerungen. Es gibt zwar das sog. Gesetz 203, das wird in die Geschichte eingehen, denn wir haben große Schwierigkeiten, unsere Ansprüche daraus geltend zu machen. Nein, die Lage erlaubt nur noch darum kämpfen, dass die Löhne laufend ausgezahlt werden. Uns geht es darum, dass die Mitarbeiter ihre Löhne rechtzeitig bekommen.

    Die Gewerkschaften befinden sich demnach längst in einer völlig anderen als in ihrer traditionellen Rolle. Tragfähige Rahmenbedingungen mit zu entwickeln, hält die Gewerkschaft Solidarnosc für am dringendsten auf dem Sektor des Gesundheitswesens. Lohnkürzungen will sie aber verhindern, damit nicht der Beruf der Krankenschwester vollends unattraktiv wird. Maria Ochmann:

    Dieser besondere Beruf hat eine Mission. Sie muss die Sicherheit gewährleisten, dass der Patient unter guten Bedingungen mit guten Geräten, mit guten Medikamenten behandelt wird. Es geht um Sicherheit für das Leben des Patienten und für unseren Berufsstand.

    Schon jetzt führt die schlechte Bezahlung dazu, dass Krankenschwestern den Beruf aufgeben oder ins benachbarte Ausland abwandern. So hatten Breslauer Krankenschwestern, nachdem sie zwei Monate kein Geld bekommen hatten, im Dezember ihre Ausweise abgegeben und beim niederländischen Honorarkonsul um Asyl gebeten. Auch haben inzwischen höhere Eingangsvoraussetzungen zu einem Rückgang an Nachwuchskräften geführt. Einer geringen Erhöhung der Löhne hatte die Regierung im Jahr 2001 nach zähen Verhandlungen zugestimmt. Doch Geld dafür erhielten die Krankenhäuser deshalb nicht. Eine Klinik in Krakau hat jetzt gegen den Nationalen Gesundheitsfonds geklagt und in erster Instanz gewonnen. Der NFZ muss rückwirkend die Mehrausgaben erstatten. Nun bereiten auch andere Krankenhäuser solche Klagen vor. Auf den Staat könnten Rückforderungen in Höhe von 650 Mio. Zloty zukommen, über 160 Mio. Euro. Die Regierung versucht nun, den Krankenhäusern für ihre laufenden Ausgaben mehr Spielraum zu geben und denkt daran Obligationen auszugeben. Wladyslaw Pisarski vom Gesundheitsministerium in Warschau:

    Wir bemühen uns, über die Emission von Wertpapieren ein kurzfristiges Darlehn in ein langfristiges umzuwandeln. Wir meinen, wenn gut gewirtschaftet wird, können die Anstalten durchaus mit ihren laufenden Einnahmen die Belastungen abbauen.

    Als erstes Krankenhaus in Polen hat das Medizinische Zentrum Matki Polki in Lodz Anfang August Obligationen mit einer Laufzeit von fünf Jahren herausgegeben. Das Krankenhaus hofft, auf diese Weise 70 Prozent seiner Schulden in Höhe von umgerechnet 15 Mio. Euro loszuwerden. Die Opposition im polnischen Parlament hält davon überhaupt nichts. Wer leiht einem maroden, öffentlichen Betrieb auf Jahre Geld, ohne eine Rendite erwarten zu können? Eine Abgeordnete der Bürgerlichen Plattform bezeichnete es als absurd, dass die verschuldeten Einrichtungen die Wertpapiere herausgeben und nicht der Staat. Das sei auch ungerechet, weil es die Kliniken nicht gleichermaßen belasten würde. Der Präsident der Ärztekammer, Konstanty Radziwill, sieht die Probleme nicht auf die Gesundheitseinrichtungen selbst begrenzt:

    Dass die Krankenhäuser praktisch bankrott sind, überträgt sich auch auf alle Lieferanten. Ein Krankenhaus hat ja nicht nur medizinisches und Pflegepersonal, sondern auch die Küche, Medikamente, Elektrizität, Wasser, Sozialabgaben für die Mitarbeiter. Das steht alles unter einem großem Fragezeichen. Immer mehr Geschäftspartner der Krankenhäuser stehen vor der Pleite, und die können bankrott gehen, denn es sind ja kommerzielle Firmen.

    Neben den öffentlichen Einrichtungen, die jeden Bürger in Polen behandeln, gibt es längst auch einen privaten Gesundheitsmarkt. Viele Ärzte sind an den Verträgen mit dem Nationalen Gesundheitsfonds nicht im mindesten interessiert. Eine große Zahl privater Kliniken arbeitet mit Gewinn. Und nicht wenige Ärzte und Krankenschwestern wechseln nach Dienstschluss im öffentlichen Krankenhaus die Kleidung und verdienen privat dazu. Die Ärztekammer nennt diesen florierenden und rein marktwirtschaftlich arbeitenden Bereich eine "normale, kommerzielle Begegnung" von Angebot und Nachfrage. Kammerpräsident Konstanty Radziwill:

    Das heißt, Patienten wollen sich behandeln lassen, Ärzte und andere Mitarbeiter behandeln sie und dort gibt es einen normalen Geldfluss, obwohl nicht ganz den europäischen Standards entsprechend, denn das Geld kommt direkt "aus der Tasche" und wird durch keine Versicherung gedeckt, aber alles ist völlig legal.

    Bereits eine Million Polen ziehen Nutzen aus einem Abonnement über medizinische Leistungen privater Anbieter. Medicover war das erste Unternehmen dieser Art in Polen. Der Firmengründer hatte in Kenia einen Luftrettungsdienst für Touristen und ausländische Geschäftsleute aufgebaut. Seine Gesundheitsabos fanden Abnehmer in einem Land, in dem eine vernünftige medizinische Behandlung offenbar nur nach Schmiergeldzahlungen zu haben war. Medicover hat in Polen mittlerweile etwa zehn Konkurrenten auf den Plan gerufen, die zwischen 3.000 und 100.000 Mitglieder zählen. Häufig bieten solvente Firmen ihren Mitarbeitern und Familien solche Abos als Teil der betrieblichen Sozialleistung. Für einen Pauschalpreis von monatlich 20 bis 400 Zloty sind festgelegte Leistungen bei Vertragsärzten und -kliniken zu haben. Wer solch ein Abonnement über ärztliche Dienstleistungen erwirbt, zahlt im Grunde für seine medizinische Versorgung doppelt. Denn als Arbeitnehmer führt er bereits acht Prozent seines Einkommens an den Nationalen Gesundheitsfonds ab. Die privaten Zusatzausgaben kann er nicht einmal von der Steuer absetzen. Doch auch in das öffentliche Gesundheitswesen fließt noch privates Geld. Denn kostenlos ist nur, was notwendig ist. Mit einem Informationsblatt warnt die Gewerkschaft Solidarnosc die Patienten, das Land sei wieder zu einer reglementierten medizinischen Versorgung zurückgekehrt. Über deine Gesundheit und deine Heilbehandlung, so warnt sie, entscheide ein Beamter des NFZ, und zwar nach den vorhandenen finanziellen Mitteln". Adam Sandauer vom Patientenschutzverband "Primum non nocere":

    Es gibt einen breiten Fluss mit privatem Geld. Damit werden nämlich Medikamente und private Arztbesuche bezahlt und es steckt in den Briefumschlägen für die meist ekelhafte, also illegale Bezahlung von Ärzten durch Patienten.

    Nach einer Analyse der früheren Regierung Buzek zahlen die Menschen auf einen Zloty im öffentlichen System zusätzliche 90 Groschen aus der eigenen Tasche. Damit wurde die Korruption nicht umfasst, das waren nur die Kosten der Medikamente und der privaten Ärzte.

    Von Korruption kann aus Sicht der Ärztekammer keine Rede sein. Bestechung, um eine schnellere oder bessere Behandlung zu erwirken, könne wohl vorkommen, räumt Präsident Konstanty Radziwill ein. Aber ...

    ... wenn es so ist, dass der dankbare Patient etwas seinem Arzt gibt, dann ist es in der polnischen Gesellschaft dermaßen verwurzelt, dass es an sich, wie ich glaube, nicht schlecht ist. Hier braucht man einfach viel Vorsicht, guten Geschmack, Sensibilität. Das aber nenne ich keine Korruption. Korruption ist natürlich absolut und eindeutig zu verurteilen.

    Dankbarkeit als ein kulturbedingter Brauch, Geschenke für den Arzt, der sich besonders gut gekümmert hat: Der Kammerpräsident meint, dies sei nicht unmittelbar mit der Lage im polnischen Gesundheitswesen verbunden, das stecke in der slawischen Kultur. Patientenrechte-Wahrer Adam Sandauer zitiert dazu einen Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei:

    Der sagte einmal, um die Ärzte brauchen wir uns nicht zu kümmern, sie werden sich schon zu helfen wissen. Das gilt leider irgendwie bis heute, und ein großer Teil der Ärzte fischt in diesem trüben Wasser sehr dicke Fische.

    Nun wird aber auch ganz offiziell über die Abkehr vom kostenlosen öffentlichen Gesundheitswesen als Ausweg aus der desolaten Lage nachgedacht. Die Regierung beabsichtigt, die Leistungen zu katalogisieren und die Bürger mit einer Zusatzversicherung zur Kasse bitten. Bis Ende September will Gesundheitsminister Leszek Sikorski einen Vorschlag auf den Kabinettstisch legen. Damit würde die fast 60 Jahre alte Tradition einer kompletten, kostenlosen Versorgung in Polen de facto beendet. Dann könnten erstmals private Krankenversicherungsgesellschaften den polnischen Markt erobern. Bislang wird die Zahl der Kunden, die eine Police besitzen, auf etwa 2.000 geschätzt. Auch die polnische Ärztekammer schlägt eine Beteiligung der Patienten in Form eines Selbstbehaltes vor. Ärzte-Präsident Radziwill:

    Erstens kann man das System des sogenannten Copayments einführen, das heißt ein Teil der Kosten für eine gewährte Dienstleistung trägt der öffentliche Versicherer, einen Teil zahlt der Patient, was wir jetzt bei den Medikamenten haben. Die andere Möglichkeit ist, dass man einige Kategorien aus der öffentlichen Versicherung ausschließt, z.B. Sanatorien, Zahnärzte. Man legt also grundsätzliche Dienstleistungen fest. Das was über den Standard geht, wäre privat zu zahlen und dagegen könnte man sich versichern.

    Regierungschef Leszek Miller hat unlängst auch angeregt, die Krankenhäuser noch stärker nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen. Von einer Privatisierung wird offiziell nicht gesprochen, doch die ins Auge gefassten Schritte bewegen sich in diese Richtung. Wladyslaw Pisarski vom Gesundheitsministerium in Warschau:

    Wir streben an, dass die öffentlichen Anstalten zu Gesellschaften des Handelsrechtes werden.

    Das ist keine Privatisierung. Das ist eine Kommunalisierung. Das heißt, die Selbstverwaltung wird weiter der Hauptteilhaber oder der einzige Teilhaber daran sein.

    Die Krankenhäuser sollen zu Gesellschaften umgewandelt werden, deren Anteile zu 85 Prozent in öffentlicher Hand bleiben. Die übrigen 15 Prozent könnten die Angestellten übernehmen, sagte Gesundheitsminister Sikorski und scheint damit einen akzeptablen Vorschlag gemacht zu haben. Er bedeutet keine grundlegende Umkehr der Eigentumsverhältnisse, ermöglicht aber doch bereits einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Effizienzorientierte Einrichtungen und Wahlmöglichkeiten je nach Geldbeutel, so sähe es künftig aus. Die Vorschläge legalisieren die bestehende Zwei-Klassen-Medizin, die einer der führenden Mediziner jedoch nicht für verwerflich hält: Prof. Zbigniew Religa vom kardiologischen Institut in Anin bei Warschau:

    Aus tiefer Überzeugung möchte ich gleiche Behandlung für alle. Aber diejenigen, die Geld haben und einen besseren Standard haben wollen, also ein besseres Bett, besseres Zimmer, Fernseher, die sollen dafür zahlen, denn wir brauchen Geld für die Behandlung der Polen.