Jörg Biesler: Zwei Lehrer haben wir gerade im Beitrag über Seiteneinsteiger gehört in den Schulen Nordrhein-Westfalens, die sich Hoffnungen gemacht hatten auf eine späte Verbeamtung. Der Mangelfacherlass nämlich hatte in Aussicht gestellt, dass Seiteneinsteiger in sogenannten Mangelfächern, die aus anderen akademischen Berufen an die Schule wechseln, dann auch noch verbeamtet werden können, wenn sie älter sind 35. Am Telefon ist jetzt Günter Winands, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Schulministerium. Guten Tag!
Günter Winands: Guten Tag, hallo.
Biesler: Warum wurde der Mangelfächererlass eigentlich zurückgenommen, warum werden Seiteneinsteiger nicht mehr verbeamtet, wenn sie unter 45 sind, wie es ihnen ursprünglich versprochen wurde?
Winands: In Nordrhein-Westfalen hatten wir einen Mangelfacherlass, der aus dem Jahre 2000 stammte. Die Mangelfächer, die dort angegeben waren in dem Mangelfacherlass, sind überhaupt nicht mehr oder zur Hälfte gar nicht mehr deckungsgleich mit den Mangelbedarfen, die wir derzeit haben. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: 2000 wurde Sozialwissenschaften oder evangelische Religion als Mangelfach angesehen. Heute überhaupt kein Mangelfach mehr, während ein Mangelfach Deutsch ist. Deutsch war aber 2000 nicht als Mangelfach angesehen, sodass Sie Ungerechtigkeiten bei den Einstellungen hatten. Und der Mangelfacherlass war eben über die Jahre von der Vorgängerregierung nicht mehr angepasst worden.
Biesler: Aber hätte man nicht so etwas wie einen Bestandsschutz machen können für diejenigen, die jetzt schon angefangen hatten damit, als Seiteneinsteiger an den Schulen zu arbeiten? Im öffentlichen Dienst spielt Besitzstandswahrung ja eine große Rolle.
Winands: In den Einstellungsunterlagen steht drin, dass es unter den Voraussetzungen der beamtenrechtlichen Situation zur Zeit der Einstellung erfolgt, das heißt, es gab in dem Sinne keine Zusicherung, verbeamtet zu werden, sondern der ausdrückliche Vorbehalt in der Einstellung, [es gilt] das Beamtenrecht zum Zeitpunkt der Einstellung.
Biesler: Aber Herr Winands, das klingt sehr nach Kleingedrucktem, oder?
Winands: Nein, es ist nicht klein gedruckt. Ich muss Ihnen sagen, warum wollen wir denn in Nordrhein-Westfalen die Beamtenrechte gern von 35 einhalten? Weil nach 35 ist für den Staat die Verbeamtung um ein Erhebliches teurer, und wir müssen sehen, dass dieses Land in Nordrhein-Westfalen höchst verschuldet ist. Wir haben hier 117 Milliarden Schulden mittlerweile. Und ich sage Ihnen das mal als jemand, der Verantwortung für den Schulbereich hat. Wir tragen 13 Millionen Euro zur Bank, jeden Tag. Davon kann ich in Nordrhein-Westfalen 260 Lehrer jeden Tag neu einstellen, für ein ganzes Jahr. Und wir müssen von der Verschuldung herunter, und wir sind im Schulbereich eh schon privilegiert. Weil normalerweise dürfen Sie im gehobenen Dienst, das heißt, die Lehrämter Grundschule, Realschule, Hauptschule dürften Sie nur bis 30 einstellen. Der normale Beamte in Nordrhein-Westfalen wird nur bis zum Alter von 30 Jahren im gehobenen Dienst verbeamtet und nur im höheren Dienst bis 35. Es ist eine Privilegierung des Schulbereichs und eine Bezahlung nach früher BAT IIa oder BAT III oder jetzt TV-L ist natürlich eine Bezahlung, wobei man nicht sagen kann, dass man hier unterbezahlt wird.
Biesler: Um wie viele Lehrer geht es? Für die Motivation ist das ja wahrscheinlich dieser Lehrer keine gute Sache, wenn sie nicht verbeamtet werden, obwohl sie sich das wünschen würden. Und auch innerhalb der Schulen ist es vielleicht nicht so gut, wenn es unterschiedliche Arten von Lehrern gibt. Aber ist das nur ein ganz kleiner Teil?
Winands: Zahlen sind immer schwierig zu kommunizieren. Man kann davon ausgehen, dass seinerzeit rund 3000 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst sich befanden, als der TV-L neu kam. Das heißt, davon waren aber noch nicht einmal die Hälfte Mangelfacherlass-Bewerber. Die Frage ist, ob diese Bewerber überhaupt eingestellt worden wären. Es ist ja auch nicht jeder eingestellt worden, weil er eben nicht aktuell – und nun sage ich Ihnen das Beispiel Sozialwissenschaften, dann konnten sie im Mangelfach studiert haben, es wird aber im Moment überhaupt nicht gebraucht. Das heißt, es war eine völlig falsche Erwartung, wenn sie jetzt Sozialwissenschaften hatten und glaubten, sie werden eingestellt. Diese Bewerber haben eher darunter gelitten, dass die Schulen im Moment keinen Bedarf für Sozialwissenschaften oder für Bautechnik haben. Die sind nämlich gar nicht eingestellt worden zum Teil. Also, man kann mit Zahlen schwer die Sache festhalten, weil viele der Bewerber, die älter als 35 sind, gar keine in dem Sinne Seiteneinsteiger sind, sondern man hat länger studiert oder aus anderen Gründen ist man älter geworden. Der klassische Seiteneinsteiger, das ist aber eine überschaubare Größenordnung, die ist gar nicht so groß.
Biesler: Sie haben den TV-L angesprochen, also den Tarifvertrag der Länder, der etwas geringere Entgelte vorsieht als der Bundesangestellten-Tarifvertrag, den es vorher gab, den BAT. Wie sieht das aus, gibt es da einen Ausgleich für die Seiteneinsteiger in den Mangelfächern?
Winands: Der TV-L ist ausgehandelt worden zwischen den Finanzministern der Länder und den Gewerkschaften, übrigens auch mit den Lehrergewerkschaften. Die Problematik hat – und das muss man wohl sagen – nicht die Bedeutung bei den Gesprächen geführt, auch seitens der Gewerkschaften, wie ich es mir gewünscht hätte. Das ist jetzt ein Problem, wenn man wie bei uns Seiteneinsteiger im Alter von 41 einstellt, dann ist der TV-L eigentlich nicht ausreichend. Wir haben deshalb schon im Oktober, als der TV-L noch gar nicht in Kraft war, der ist zum 1. November in Kraft getreten, vor Inkrafttreten des TV-L für Nordrhein-Westfalen erklärt: Wir nutzen den TV-L mit seinen Möglichkeiten so aus, dass hier im Regelfall jeder das Niveau des BAT IIa, also vergleichbar A 13, oder BAT III, vergleichbar A 12, bekommt. Und ich kann Ihnen jetzt sagen, dass über 90 Prozent nach meinen vorliegenden Informationen die alte BAT-Vergütung bekommen hat. Es kann nur dann nicht ganz zum alten BAT führen, wenn eigentlich jemand überhaupt nicht beruflich tätig war, also sage ich mal, ein bisschen länger studiert hat und deshalb älter geworden ist.
Günter Winands: Guten Tag, hallo.
Biesler: Warum wurde der Mangelfächererlass eigentlich zurückgenommen, warum werden Seiteneinsteiger nicht mehr verbeamtet, wenn sie unter 45 sind, wie es ihnen ursprünglich versprochen wurde?
Winands: In Nordrhein-Westfalen hatten wir einen Mangelfacherlass, der aus dem Jahre 2000 stammte. Die Mangelfächer, die dort angegeben waren in dem Mangelfacherlass, sind überhaupt nicht mehr oder zur Hälfte gar nicht mehr deckungsgleich mit den Mangelbedarfen, die wir derzeit haben. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: 2000 wurde Sozialwissenschaften oder evangelische Religion als Mangelfach angesehen. Heute überhaupt kein Mangelfach mehr, während ein Mangelfach Deutsch ist. Deutsch war aber 2000 nicht als Mangelfach angesehen, sodass Sie Ungerechtigkeiten bei den Einstellungen hatten. Und der Mangelfacherlass war eben über die Jahre von der Vorgängerregierung nicht mehr angepasst worden.
Biesler: Aber hätte man nicht so etwas wie einen Bestandsschutz machen können für diejenigen, die jetzt schon angefangen hatten damit, als Seiteneinsteiger an den Schulen zu arbeiten? Im öffentlichen Dienst spielt Besitzstandswahrung ja eine große Rolle.
Winands: In den Einstellungsunterlagen steht drin, dass es unter den Voraussetzungen der beamtenrechtlichen Situation zur Zeit der Einstellung erfolgt, das heißt, es gab in dem Sinne keine Zusicherung, verbeamtet zu werden, sondern der ausdrückliche Vorbehalt in der Einstellung, [es gilt] das Beamtenrecht zum Zeitpunkt der Einstellung.
Biesler: Aber Herr Winands, das klingt sehr nach Kleingedrucktem, oder?
Winands: Nein, es ist nicht klein gedruckt. Ich muss Ihnen sagen, warum wollen wir denn in Nordrhein-Westfalen die Beamtenrechte gern von 35 einhalten? Weil nach 35 ist für den Staat die Verbeamtung um ein Erhebliches teurer, und wir müssen sehen, dass dieses Land in Nordrhein-Westfalen höchst verschuldet ist. Wir haben hier 117 Milliarden Schulden mittlerweile. Und ich sage Ihnen das mal als jemand, der Verantwortung für den Schulbereich hat. Wir tragen 13 Millionen Euro zur Bank, jeden Tag. Davon kann ich in Nordrhein-Westfalen 260 Lehrer jeden Tag neu einstellen, für ein ganzes Jahr. Und wir müssen von der Verschuldung herunter, und wir sind im Schulbereich eh schon privilegiert. Weil normalerweise dürfen Sie im gehobenen Dienst, das heißt, die Lehrämter Grundschule, Realschule, Hauptschule dürften Sie nur bis 30 einstellen. Der normale Beamte in Nordrhein-Westfalen wird nur bis zum Alter von 30 Jahren im gehobenen Dienst verbeamtet und nur im höheren Dienst bis 35. Es ist eine Privilegierung des Schulbereichs und eine Bezahlung nach früher BAT IIa oder BAT III oder jetzt TV-L ist natürlich eine Bezahlung, wobei man nicht sagen kann, dass man hier unterbezahlt wird.
Biesler: Um wie viele Lehrer geht es? Für die Motivation ist das ja wahrscheinlich dieser Lehrer keine gute Sache, wenn sie nicht verbeamtet werden, obwohl sie sich das wünschen würden. Und auch innerhalb der Schulen ist es vielleicht nicht so gut, wenn es unterschiedliche Arten von Lehrern gibt. Aber ist das nur ein ganz kleiner Teil?
Winands: Zahlen sind immer schwierig zu kommunizieren. Man kann davon ausgehen, dass seinerzeit rund 3000 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst sich befanden, als der TV-L neu kam. Das heißt, davon waren aber noch nicht einmal die Hälfte Mangelfacherlass-Bewerber. Die Frage ist, ob diese Bewerber überhaupt eingestellt worden wären. Es ist ja auch nicht jeder eingestellt worden, weil er eben nicht aktuell – und nun sage ich Ihnen das Beispiel Sozialwissenschaften, dann konnten sie im Mangelfach studiert haben, es wird aber im Moment überhaupt nicht gebraucht. Das heißt, es war eine völlig falsche Erwartung, wenn sie jetzt Sozialwissenschaften hatten und glaubten, sie werden eingestellt. Diese Bewerber haben eher darunter gelitten, dass die Schulen im Moment keinen Bedarf für Sozialwissenschaften oder für Bautechnik haben. Die sind nämlich gar nicht eingestellt worden zum Teil. Also, man kann mit Zahlen schwer die Sache festhalten, weil viele der Bewerber, die älter als 35 sind, gar keine in dem Sinne Seiteneinsteiger sind, sondern man hat länger studiert oder aus anderen Gründen ist man älter geworden. Der klassische Seiteneinsteiger, das ist aber eine überschaubare Größenordnung, die ist gar nicht so groß.
Biesler: Sie haben den TV-L angesprochen, also den Tarifvertrag der Länder, der etwas geringere Entgelte vorsieht als der Bundesangestellten-Tarifvertrag, den es vorher gab, den BAT. Wie sieht das aus, gibt es da einen Ausgleich für die Seiteneinsteiger in den Mangelfächern?
Winands: Der TV-L ist ausgehandelt worden zwischen den Finanzministern der Länder und den Gewerkschaften, übrigens auch mit den Lehrergewerkschaften. Die Problematik hat – und das muss man wohl sagen – nicht die Bedeutung bei den Gesprächen geführt, auch seitens der Gewerkschaften, wie ich es mir gewünscht hätte. Das ist jetzt ein Problem, wenn man wie bei uns Seiteneinsteiger im Alter von 41 einstellt, dann ist der TV-L eigentlich nicht ausreichend. Wir haben deshalb schon im Oktober, als der TV-L noch gar nicht in Kraft war, der ist zum 1. November in Kraft getreten, vor Inkrafttreten des TV-L für Nordrhein-Westfalen erklärt: Wir nutzen den TV-L mit seinen Möglichkeiten so aus, dass hier im Regelfall jeder das Niveau des BAT IIa, also vergleichbar A 13, oder BAT III, vergleichbar A 12, bekommt. Und ich kann Ihnen jetzt sagen, dass über 90 Prozent nach meinen vorliegenden Informationen die alte BAT-Vergütung bekommen hat. Es kann nur dann nicht ganz zum alten BAT führen, wenn eigentlich jemand überhaupt nicht beruflich tätig war, also sage ich mal, ein bisschen länger studiert hat und deshalb älter geworden ist.