Klimapolitik
Soziologe sieht neuen gesellschaftlichen Konsens gegen Veränderungen

Auf der UNO-Klimakonferenz werden fast 200 Staaten darüber verhandeln, wie die Erderwärmung eingedämmt werden kann. Bundeskanzler Merz sagte in Belém, Klimamaßnahmen erforderten gesellschaftliche Akzeptanz. Der Soziologe Dennis Eversberg von der Universität Frankfurt sieht jedoch einen neuen allgemeinen gesellschaftlichen Konsens gegen Veränderungen.

    Schilder an einer Straße in Mecklenburg-Vorpommern mit durchgestrichenen Piktogrammen von Windrädern und der Aufschrift "Es reicht".
    In Utzedel in Mecklenburg-Vorpommern haben Anwohner aus Protest gegen Windräder Schilder an die Straße gestellt. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur / IMAGO / dts Nachrichtenagentur)
    Eversberg forscht zu Interessensunterschieden bei der ökologischen Transformation. Er sagte im Deutschlandfunk, dabei gehe es auch um die Frage, ob das eigene Lebensmodell beibehalten werden kann oder nicht. Klimapolitik verlange vielen Menschen etwas ab, sei teuer und anstrengend. Aber auch in Lebensbereichen, die nicht die Klimapolitik betreffen, wehrten sich viele Menschen gegen Veränderungen. Die Menschen nähmen wahr, dass sie sich in einer Polykrise befänden, so Eversberg.

    Wie Menschen auf Krisen reagieren

    Laut Eversberg kommt es zwischen verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft zu Konflikten, da sie jeweils anders auf Veränderungen reagieren. Eversberg unterscheidet zwischen drei Reaktionstypen:
    Das "ökologisch-soziale Spektrum" umfasst ungefähr ein Viertel der Bevölkerung und ist aufgeschlossen gegenüber Veränderungen allgemein und Klimapolitik im Speziellen. Das "defensiv-reaktive Spektrum" will keine Veränderungen und steht der modernen Gesellschaft skeptisch gegenüber. Und dem "konservativ-steigerungsorientierten Spektrum" ist es wichtig, das Wirtschaftswachstum und den eigenen Lebensstandard beizubehalten. Bei diesem konservativ-steigerungsorientierten Spektrum, das Eversberg als Wohlstandsmitte bezeichnet, finde derzeit der entscheidenste Wandel statt. Diese Gruppe tendiere zunehmend zu Skepsis gegenüber Verädnerungen und nähere sich so dem defensiv-reaktiven Spektrum an.
    Gerade bei der Wohlstandsmitte sieht Eversberg auch das größte Potenzial für gesellschaftliche Empörung. Die Beschränkung auf bestimmte Autotypen in Innenstädten oder Wärmepumpen führten zu mehr Aufregung als Umweltprobleme wie die Feinstaubbelastung oder Hitzewellen, unter denen vor allem sozial Benachteiligte litten.

    Bürger für Klimapolitik gewinnen

    Bei der Frage, wie sich Bürger dennoch für Klimapolitik gewinnen lassen, steht für Eversberg die öffentliche Infrastruktur im Mittelpunkt. Zentral sei, dass sie funktioniere, ausgebaut werde und allen eine gesellschaftliche Teilhabe ermögliche. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs etwa sei sozial gerecht, klimafreundlich und spare Ressourcen.
    Diese Nachricht wurde am 09.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.