Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv


Späte Einsicht

Frau: Ich find's jetzt besser als zu DDR-Zeiten – das Meiste... gut Polikliniken – dafür haben wir jetzt Ärztehäuser, da ist auch alles beisammen, Kindergärten, da geht der Trend auch wieder hin, dass jedes Kind in Kindergarten gehen kann. Ganztagsschulen, daran wird ja auch gearbeitet, dass es überall so ist in allen Bundesländern. Im Moment hat man das Gefühl, dass vieles übernommen wird oder erneuert wird, man hat aber das Gefühl, es wird nur wieder übernommen. Man hätte das gar nicht erst abbrechen brauchen.

Von Yvonne Unger | 26.10.2004
    Mann: Es geht ja nicht darum, schlechthin zu sagen, es muss wieder irgendwas gemacht werden, weil es von früher aus der ehemaligen DDR ist. Es muss sinnvoll sein, und dann ist es in Ordnung, und dann soll man prüfen, ob man es übernehmen kann.

    So wie diese Neubrandenburger denken viele Menschen in Ostdeutschland. Im Westen will man davon jedoch nichts wissen, war doch so ziemlich alles Östliche scheinbar mit einem sozialistischen Makel behaftet. So vermutlich auch die in der DDR verbreiteten Paketzustellfachanlagen. Nach der Wende wurden sie alle abgerissen, obwohl sie schon in den 70ger Jahren flächendeckend in der DDR aufgestellt worden waren. Bis zur Wende konnten Postkunden unabhängig von den Öffnungszeiten der Post an ihr Paket kommen. Karsten Intrau hat Ende der 80ger Jahre in Erfurt Post ausgetragen und erinnert sich an die Paketschließfächer:

    Die standen in einem Wohngebiet. Das war eine Anlage mit einem Dutzend Paketschließfächern, die hatten einen Schlüssel und eine Nummer und – das Paket wurde zugestellt in dieses Schließfach, und der Postkunde hat dann den Schlüssel mit der entsprechenden Nummer nach Hause bekommen - das war eine bequeme Angelegenheit...

    Das sei wirklich kundenfreundlich, findet inzwischen auch die Deutsche Post und vermarktet die guten alten Paketschließfächer nun als völlig neue Idee unter dem Namen Packstation. Von nun an müsse sich niemand mehr nach Feierabend an die langen Schlangen vor dem Postschalter anstellen, sagt Rolf Bruhn von der Deutsche-Post-Tochter DHL:

    Das sind im wesentlichen Singles, Doppelverdiener und Leute, die in der Nachbarschaft keine Möglichkeit haben, sich Pakete annehmen zu lassen.

    12 Jahre nach der Wiedervereinigung und viele Jahre nach ihrem Abriss erlebten die Paketschließfächer im Jahr 2002 eine Renaissance - zum Beispiel in Köln, Mainz, Darmstadt, Wiesbaden, Hannover, Bremen – seit Oktober 2004 auch in München und Augsburg. Hier wird die neue Anlage als große Innovation verkauft und der westdeutschen Öffentlichkeit mit viel Tam Tam erklärt:

    So jetzt ist für den Kunden das Paket eingestellt. Der Kunde bekommt jetzt, nachdem das Fach geschlossen wurde, eine Nachricht auf Handy oder per Email und weiß innerhalb von wenigen Sekunden, wo das Paket hier drin liegt, dass es da ist und dass ich dann neun Tage lang 24 Stunden Zeit habe, es hier rauszuholen. ... Der Kunde gibt einfach nur seine Pin-Nummer ein. Der Automat weiß, wo sein Paket liegt, weil es ja elektronisch registriert ist... dann wird das Fach geöffnet, es geht auf und der Kunde kann sein Paket rausholen.

    Vor 30 Jahren waren E-Mails, SMS und Pin-Nummern noch nicht üblich. Und doch steckte hinter der Paketzustellung dasselbe logistische Prinzip wie heute, sagt Bernd Laurisch. Er ist Professor für Transportlogistik an der Technischen Universität Dresden und beschäftigte sich schon in der DDR mit der Post- und Paketzustellung:

    In der DDR war nicht vorrangig das Einsparen an Personal der Grund. Es gab ja immer zu wenig Personal, und deshalb ist das gemacht worden, damit man das überhaupt schaffen konnte mit dem vorhandenen Personal.... Aber im wesentlichen sollte damit die Qualität verbessert werden. ....in der DDR gab es gerade in Neubaugebieten zunehmend Schwierigkeiten – gerade mit der Paketzustellung, die Kunden zu erreichen, weil ja Vollbeschäftigung vorhanden war.

    Das nächste Schließfach war meistens nur wenige hundert Meter von der Wohnung eines Paketempfängers entfernt:

    Das war in der DDR nicht so das Problem. Die Verkehrsträger und die Post hatten das Recht, notfalls solche Grundstücke eben für ihre Nutzung vorzusehen....Ich weiß es nicht mehr so genau, es gab Vorschriften, wie groß die Wegeleistungen für die Kunden sein durften und man musste also relativ viele solcher Ablagestellen errichten, damit man dem Kunden nicht all zu viel zumutet.

    Die Deutsche Post muss sich noch ganz schön anstrengen, um DDR-Niveau zu erreichen. Anstatt die alten Anlagen zu nutzen, muss sich die Post nun neue Stellflächen erkämpfen:

    Wir haben sehr viele Systeme an den Filialen platziert, aber ansonsten stehen diese Systeme meisten draußen auch auf Firmengeländen beispielsweise...

    Dann müssen sie die Grundstücke, die Stellplätze anmieten?

    Das ist richtig, wir mieten an oder sie werden zur Verfügung gestellt, weil diese Systeme mit umfangreichen Marketingmaßnahmen begleitet werden – da gibt es zwischen Geschäftsleuten und der Post eine win-win-situation – auch das kann man natürlich nutzen.


    Vielleicht wurden die Postzustellfachanlagen ja nach der Wende abgebaut, weil die von der Wende überrollten Postexperten aus dem Osten dem Westen die win-win-Situation nicht richtig erklären konnten. Und so beobachtete Bernd Laurisch von der TU Dresden den Verfall der Paketschließfächer:

    Die Standorte waren ja alle da. Man hätte das nutzen können – wahrscheinlich mit Vorteil für die Post....

    Haben Sie eine Idee, warum man die abgebaut hat?

    Ich nehme an, dass man erst mal nach der Wiedervereinigung eine einheitliche Technologie haben wollte, und da ist generell ohne tiefgehende Prüfung, das genommen worden, was sich im Westen bewährt hatte – und so ist das bei der Post auch gelaufen.

    Haben Sie damals Kontakt gehabt zu Wissenschaftlern, die auf Ihrem Gebiet auch gearbeitet haben in der Bundesrepublik, in den alten Bundesländern?

    Ja sicher – haben wir auch Kontakt gehabt - insbesondere zum Vorstand gleich nach der Wende Kontakte aufgebaut – zum Postvorstand. .... Damals ist zumindest aus der Vorstandsebene heraus gesagt worden, dass eine kontaktlose Zustellung für Deutschland oder für die Bundespost nicht in Frage käme. Man wollte mit seinen Kunden kommunizieren.


    Nun hat es sich offenbar auskommuniziert. Die Deutsche Post macht es jetzt wie die DDR-Post. Warum nicht gleich so? Wir haben mal bei der Deutschen Post nachgefragt und bekamen zur Antwort, dass sich vor 15 Jahren die Übernahme dieses logistischen Prinzips für die gesamte Bundesrepublik betriebswirtschaftlich nicht gerechnet habe.

    Von der DDR hätte die neue Bundesrepublik auch abgucken können, wie man nach 12 Jahren Abitur macht. Dass das Abi nach 12 Jahren heutzutage im Trend liegt, ruft bei Ostdeutschen nur ein müdes Lächeln hervor. Abitur nach 12 Jahren – der Osten als Vorreiter? – von wegen.. Stattdessen orientierten sich nach der Wende viele ostdeutsche Bundesländer am Schulsystem West und führten das Abi nach 13 Jahren ein. Das geschah in Sachsen-Anhalt erst Mitte der 90er Jahre. Warum erklärt Staatssekretär Winfried Willems im Kultusministerium – er kommt übrigens aus der Nähe von Kleve in Nordrhein- Westfalen:

    Ohne andere Maßnahmen ernsthaft zu überlegen, hat sich die Landesregierung damals entschlossen, das 13. Schuljahr zum Erwerb des Abiturs einzuführen im Land - gegen massivste Widerstände in der Bevölkerung, in der Lehrerschaft, Schülerschaft und Elternschaft, weil man die Menschen nicht davon überzeugen konnte, dass angesichts einer bundesweiten Entwicklung und auch vor dem europäischen Hintergrund, eine Verlängerung der Schulzeit die jetzt notwendige und sinnvolle Maßnahme sein sollte. Schon damals waren die Diskussionen in anderen Bundesländern im Gange, zu 12 Schuljahren zu kommen und wir gingen in diesem Land den entgegengesetzten Weg.


    Diese Umstellung hat Geld gekostet:

    Das kann ich ihnen nicht präzise beziffern, aber dass ein ganzer Jahrgang mit zusätzlichen Lehrerstellen zu erheblichen Kosten geführt hat liegt auf der Hand.


    Das Abi nach 13 Jahren muss wieder weg, beschloss die Landesregierung im Jahr 2002. Fünf Jahre später soll nun der erste Jahrgang ein Abi nach 12 Jahren absolvieren. Die Rückkehr zum alten System kostet erneut:

    Das betrifft die Personalkosten. Da muss man sagen, dass wir für den Übergangszeitraum für die erhöhten Stundentafel einen Zusatzbedarf haben von 485 Stellen. Man muss ja die Kostenentlastung mittel- und langfristig sehen. Es fällt ja ab 2007 ein ganzer Jahrgang weg. Das wird zur Folge haben, dass wir Entlastungen in den Raumbedarfen haben und es wird zur Folge haben, dass wir Entlastungen im Personal haben.

    Wie teuer das Hin und Her ist, kann Winfried Willems nicht sagen. Doch abgesehen von den Kosten - die meisten Schüler im Osten wollen die Schule offensichtlich so schnell wie möglich hinter sich bringen, wie zum Beispiel die Acht- und Neuntklässler des Magdeburger Domgymnasiums:

    Mädchen: Also ich find's gut nach der 12. Abi zu machen, dafür nehme ich mehr Stunden in Kauf – .... Meine Schwester hat nach der 13. Abi gemacht. Sie fand's nicht gut. Es hat davor immer mit 12 Jahren geklappt und warum haben sie dann 13 Jahre auf einmal gemacht?

    Mädchen: Ich finds eigentlich gut, dann kann man jünger anfangen zu studieren und dann hat man – also denke ich auch ´n bisschen mehr Aussichten auf'n Job.

    Solche Überlegungen hat man in Sachsen bereits Anfang der 90er Jahre ernst genommen. Dort gab es niemals ein 13. Schuljahr. Der Staatssekretär im sächsischen Kultusministerium Günther Portune erzählt, wie das sächsische Bildungssystem nach der Wende entstand:

    Wir sollten uns in der Welt umschauen und dann überlegen, was für dieses Land das Beste ist. Auf der Grundlage haben wir den Entwurf eines Gesetzes gemacht, haben den in der Öffentlichkeit diskutiert, hatten dann auch etwa 3.000 Zuschriften – ... Wir hatten damals 1991 einfach in der Bevölkerung einen unglaublichen Gestaltungsdrang und das wollten viele mitmachen und so hatten wir eine breite Basis ... haben die Zuschriften ausgewertet. Dort kam eindeutig heraus, dass 13 Jahre in der Bevölkerung überhaupt nicht akzeptiert gewesen wären.


    Nach dem Pisa-Schock diskutieren Bildungsexperten außerdem ein Modell, das vielen Ostdeutschen ebenfalls bekannt vorkommt: Kinder sollen möglichst lange zusammen in einer Schulart bleiben – und nicht mehr auf drei Schularten aufgeteilt werden. Vorbild ist Finnland – und die Ironie der Geschichte: Die Finnen holten sich einst Anregungen für ihr Schulsystem aus der DDR – was heute natürlich keiner mehr zugibt. Im Regelfall ging man dort 10 Jahre zur Schule, plus zwei weitere Jahre bis zum Abitur. Viele Menschen – gerade in Ostdeutschland - finden das bis heute nicht schlecht.

    Für Adriane Pache vom thüringischen Lehrerverband liegen die Argumente gegen ein frühes Selektieren der Kinder auf der Hand:

    Ich finde, diese soziale Trennung, die dieses gegliederte Schulsystem hervorruft eben nachteilig. Diese gymnasialen Strukturen haben gezeigt, dass dort 40 Prozent der sozialen Oberschicht oder Mittelschicht dort lernen. Warum soll eine Hauptschule oder eine Förderschule nur für die unteren Gesellschaftsschichten reserviert bleiben und ich finde, wenn man gemeinsames Lernen hat, ist für den sozialen Austausch einfach mehr getan.

    Dieser Ansicht sind auch Eltern in der Fußgängerzone von Jena:

    Frau: Nach der vierten Klasse, da können sich die Kinder nicht selbst entscheiden und die Eltern entscheiden dann für die Kinder...

    Mann: Ich bin 10 Jahre zur Schule gegangen, es sind Freundschaften daraus entstanden, was ja auch wichtig ist, nicht nur das Lernen.

    Früher war alles besser. Das tut mach Westdeutscher mittlerweile vielleicht leichthin als Ossi-Nostalgie ab. Und es stimmt ja auch nicht. Aber manches – manches wäre doch erhaltenswert gewesen, finden zumindest diese Bürger in Neubrandenburg:

    Frau: .Z.B. die Altstoffsammlung – das war richtig gut..... Alle Leute haben ihr Glas und ihr Papier weggebracht und wussten, dass sie auch was dafür kriegen, darum hat auch jeder dafür gesorgt, dass es nicht so im Müll landet..

    Frau:
    Also ich würde die beste Idee finden – ein SV-Buch ... eine Sozialversicherungsausweis nannte sich das zu DDR-Zeiten. Da waren sämtliche Daten drin und da konnte man diese Daten jederzeit auch abfragen – und am besten noch eine Kombination mit den Rentenversicherungsdaten, denn diese ganzen Blätter sind ja auch furchtbar. klar sind.

    Die Kinderärztin Klaudia Fiolka kennt noch die alten SV-Bücher. Früher hat die 59jährige in Berlin-Marzahn gearbeitet. In der DDR waren in Polikliniken viele Ärzte angestellt. Sie alle praktizierten in einem Haus, benutzten die Geräte gemeinsam – auch Labor, Röntgenabteilung und Physiotherapie waren meist integriert. Die Patienten im Osten gingen zu ihrem Hausarzt in der Poliklinik so wie Patienten im Westen ihren niedergelassenen Hausarzt in seiner Einzelpraxis aufsuchten.

    Nach der Wende, wusste niemand, was aus der Poliklinik in Berlin-Marzahn werden sollte. Viele Ärzte hatten Existenzangst, also machte sich Klaudia Fiolka 1991 mit einer Kollegin selbständig. Sie setzte sich mit Beratern aus Westdeutschland und Österreich zusammen und entwarf ein Geschäftsmodell:

    Als wir das unterschrieben hatten, habe ich dann nicht mehr geschlafen – das nächste viertel Jahr – kaum noch - weil ich in dieser Summe nicht denken konnte. 150.000 DM pro Nase. Und haben dann gedacht, das ist Wahnsinn - und wenn wir jetzt sterben oder krank werden. Wir hatten aber unheimlich gute Kreditbedingungen.

    Dass mit der Wiedervereinigung das AUS für die Polikliniken in Ostdeutschland besiegelt war, ärgert sie bis heute.

    Alles zerschlagen, um es neu wieder aufzubauen. Da kommt irgendeiner, der sich nicht intensiv gedanklich damit auseinandergesetzt hat. – Was ist nun eigentlich eine Poliklinik – außer dass es einen Erich Honecker gab – was ist dieses Gebäude eigentlich... Was ist da eigentlich gelaufen.. Wenn da ein Kind gekommen ist mit einem akuten Blinddarm .... es waren drei Schritte zum Ultraschall oder zum Röntgen oder ins Labor oder EKG – wir konnten intensiv sofort was machen – das ist billig und die Geräte sind ausgelastet. Es wurde dadurch auch ausgewählt. Wer braucht das gleich? Der hat's auch gleich gekriegt.– Und das ist jetzt eben nicht. Es wird rausgeballert. Es wird alles rausgeballert.


    Rausgeballert? Polikliniken gibt es heute nicht mehr – doch seit Monaten treibt die Bundesrepublik ein Konzept voran, das dem der Polikliniken verblüffend ähnelt: Gesundheitszentren. Die gibt es unter anderem schon in Berlin und Brandenburg. Unter dem Namen Gesundheitszentrum werden hier die früheren Polikliniken weiterbetrieben – inzwischen haben sich hier meist Ärzte unter einem Dach mit eigener Praxis niedergelassen und sparen Geld, weil sie teure Geräte gemeinsam nutzen. Die Verwaltung übernimmt das Gesundheitszentrum. Dass Polikliniken heute als modern und innovativ Bestandteil einer Gesundheitsreform sind, sei Anfang der 90iger Jahre nicht absehbar gewesen, sagt der Geschäftsführer des paritätischen Gesundheitszentrums Berlin Bernd Köppel:

    Historisch ist es so, dass das erste Bundesgesetz nach der Wende vorgesehen hat, dass die Versorgungsform Poliklinik keinen Zugang mehr zur ambulanten Abrechnung bekommt. Nach einer Übergangszeit sollten Polikliniken alle geschlossen werden und nur niedergelassene freie Ärzte sollten weiterhin ambulante Patienten behandeln dürfen. Das wurde dann 1993 nach längerer politischer Auseinandersetzung wieder aufgehoben. Seehofer hat gesagt, mit den Resten, die da noch übrig geblieben sind – etwa vier bis fünf Prozent der ehemaligen poliklinischen Ärzte will er keinen weiteren Ärger haben und hat ihnen einen sog. Sonderzulassungsweg gegeben und da wurde der erste Schritt gemacht der Anerkennung dieser Versorgungsform – und zwar war die Maßgabe, dass sie weiterhin an der ambulanten Versorgung teilnehmen können, wenn sie aus den öffentlichen Dienst ausscheiden, sich in die KV integrieren und eine Ärztegesellschaft gründen. Das ist dann auch in Berlin und in den fünf neuen Ländern teilweise erfolgt – und seit dieser Zeit existieren wir in dieser Form... In Zukunft gibt es nach dem Bundesgesetz freie niedergelassene Ärzte und ambulante Versorgungszentren, die ambulante Patienten behandeln dürfen und von daher kann man es schon sagen, dass wir uns historisch durchgesetzt haben.


    Das Abschaffen und anschließende Wiederbeleben der Polikliniken hätte man sich sparen können, meint auch Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Vielmehr hätte man das Modell der DDR überdenken sollen:

    Darauf wäre man gekommen, wenn die Debatte – um es mal so deutlich zu sagen - weniger ideologisch geführt worden ist. Sie war nicht sehr tiefgehend von einer Analyse der Situation geprägt – was braucht man eigentlich, was ist die Zukunft des medizinischen Systems, sondern man hat – wie in vielen anderen Fällen, die Blaupause West ... auf die Landschaft Ost angewandt und hat somit das Grundmuster im damals Einigungsvertrag durchgesetzt und hat binnen kurzer Zeit knapp 20.000 Ärztinnen und Ärzte gezwungen aus den Polikliniken und den Tätigkeiten, die sie dort hatten auszuscheiden – sich zum Teil nicht gut beraten in die eigenen Praxis zu begeben – erhebliche Mittel aufzuwenden – im übrigen in Lebensaltern, in denen es normalerweise niemand im Westen machen würde. Wer geht schon als 50/55jähriger etablierter Oberarzt in die ambulante Tätigkeit in eigener Praxis mit an die 100.000 DM Investitionskosten im Nacken – muss man ja wohl sagen... Da hätte es klügere Entscheidungen geben können... Das kann keiner nachrechnen, welche Mittel verschwendet worden sind.


    Doch nun endlich soll gespart werden mit Hilfe der Gesundheitsreform - und dabei haben die Gesundheitszentren eine tragende Rolle, sagt Klaus Theo Schröder:

    Wir erhoffen uns zumindest Effizienzeffekte – also dass mehr Mittel ... in die ambulante Versorgung gehen – Diagnose und Therapie – und weniger notwendig sind für die Verwaltung dieser Tätigkeit. Das wäre schon mal ein erster Schritt. Und wenn man im zweiten Schritt objektiv Geld einsparen könnte, hätte ich auch nichts dagegen.

    Diese späte Einsicht überrascht Kinderärztin Klaudia Fiolka nicht:

    Das rechnet sich immer besser als genauso viele Ärzte in einer Einzelpraxis. Die waren damals überholt, aber das hätte man sich nicht eingestehen können.

    Dass die Polikliniken in Berlin und Brandenburg nicht völlig abgewickelt wurden, sei ein Verdienst von Regine Hildebrandt gewesen, sagt Staatssekretär Klaus Theo Schröder. Die frühere Sozialministerin in Brandenburg traute sich, Ostdeutsches öffentlich als bewährt und gut zu verteidigen. Ohne sie gebe es heute keinen praktischen Anschauungsunterricht in Sachen Gesundheitszentren. Davon ist Klaus Theo Schröder überzeugt:

    Die notwendige mehrdimensionale Behandlung von Patientinnen und Patienten, die halte ich in der Tat für beispielgebend. Das geht von den neuen Ländern aus, das hat hier seine Wurzel und hat hier bereits seine Vorteile erlebbar gemacht.

    Diese Erkenntnis wundert die Patienten im Gesundheitszentrum Berlin-Friedrichsfelde nicht:

    Frau:
    Man ist jahrelang hier schon immer in Behandlung gewesen und wenn es gut ist, warum soll man dann nicht weitergehen.

    Frau:
    Ich meine, man erspart sich die weiten Wege. Wenn der Allgemeinarzt einen zum Orthopäden schickt, dann hat man es oft im selben Haus. Finde ich nicht schlecht, ja – hat sich doch bewährt, das, was man früher so hatte.