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Späte Genugtuung

Wolfgang Lötzsch galt als eines der größten Radsport-Talente der DDR bis ihm die Stasi die internationale Karriere verbaute und ihn sogar in den Knast steckte.

Von Thomas Purschke |
    Gemeinsam mit Gretl Bergmann, Hans Lenk, Henner Misersky und Tochter Antje ist Lötzsch jetzt von der Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) für die virtuelle "Hall of Fame des deutschen Sports" vorgesehen. Die feierliche Aufnahme erfolgt am 25. Mai bei der Benefiz-Gala "Goldene Sportpyramide" in Berlin. Die Jury würdigte in diesem Jahr anders als früher nicht nur die rein sportlichen Leistungen, sondern die besonderen Schicksale der Sportler und ihren Einsatz für die Werte des Sports.

    Der Chemnitzer Wolfgang Lötzsch war einer der größten Radsportler in der DDR, obwohl er nie an Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften oder der Friedensfahrt teilnehmen durfte. Und somit dort auch keine Erfolge feiern konnte. Weil er der DDR-Sportführung zu wenig linientreu und zu unangepasst war. Dennoch gelang es ihm, als nicht geförderter Athlet, bei zahlreichen Rennen in der DDR und im damaligen Ostblock die dortigen Spitzenfahrer zu besiegen.

    Dass der 59-jährige Lötzsch nun neben weiteren couragierten Sportlern, die der DDR-Diktatur die Stirn boten, wie die spätere Biathlon-Olympiasiegerin Antje Harvey-Misersky und deren Vater, Skilanglauftrainer Henner Misersky, in die Ruhmeshalle des deutschen Sports aufgenommen wird, dokumentiert ein gewisses Umdenken der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Ethische Wertmassstäbe, wie Zivilcourage in einer Diktatur, werden offenbar nun von dieser Institution gewürdigt.

    In den vergangenen Jahren stand hauptsächlich der sportliche Erfolg im Zentrum der Aufnahmen von herausragenden Athletinnen und Athleten in die bislang nur virtuell existierende sogenannte "Hall of Fame" des deutschen Sports.

    Wolfgang Lötzsch wurde vor 40 Jahren kurz vor seinem ersten Olympiastart in München im Alter von 19 Jahren aus der DDR-Nationalmannschaft und seinem Sportclub in Karl-Marx-Stadt geworfen, weil er nicht in die SED eintreten wollte. Zudem hatte ihm der DDR-Geheimdienst angehängt, er wolle in den Westen flüchten. Was er aber gar nicht vorhatte. Lötzsch wurde fortan bis zum Mauerfall von insgesamt 50 inoffiziellen Stasi-Mitarbeitern, -darunter war auch sein damaliger bester Freund - sowie von zahlreichen hauptamtlichen Stasi-Offizieren überwacht. Für diese perfide Observation bis hin zu den von der Stasi installierten Abhörwanzen im Elternhaus, hatte die DDR keine Kosten gescheut.
    "Man wusste schon, dass man irgendwie beobachtet wird, aber dass es so extrem und intensiv war, mit diesem Riesenaufwand, hat man damals überhaupt nicht geahnt. Das habe ich wirklich erst nach Öffnung der Stasiakten gesehen, wie wichtig ich war und was ich dem Staat gekostet habe. Und das erfüllt einen doch im Nachhinein mit einem gewissen Stolz, dass diese Leute doch eine große Angst vor mir hatten und ich dort eine gewisse Art Respekt hinterlassen hatte und was man dort investiert hatte, um mich zu bespitzeln und in Schach zu halten."

    Bemerkenswert im Zusammenhang mit der Aufnahme von Lötzsch in die "Hall of Fame" ist auch, dass der im vergangenen Jahr nominierte mehrfache DDR-Rad-Weltmeister und Friedensfahrtsieger Gustav-Adolf Schur, von der Sporthilfe-Jury abgelehnt wurde. DDR-Doping-Opfer hatten im Jahr 2011 heftig gegen die Aufnahme von Schur protestiert, weil er das in Teilen menschenverachtende und kriminelle Sportsystem im einst sogenannten Arbeiter- und Bauern-Staat bis heute verharmlose. Wolfgang Lötzsch empfindet auch deshalb Genugtuung, dass er jetzt Aufnahme in die "Hall of Fame" findet:

    "Das ist nochmal eine späte Anerkennung und Auszeichnung für das, was ich getan habe. Ich habe zwar nicht die sportlichen Erfolge errungen, die dazu notwendig sind. Aber man hat eingesehen, dass ich das, wenn ich dementsprechend gefördert worden wäre, das auch geschafft hätte und davon bin ich auch selbst überzeugt. Darauf bin ich doch dann auf eine gewisse Art und Weise stolz."