Zum Beispiel die Kompositionen für Violine und Klavier. In jüngster Zeit hat aber der späte Schumann, haben gerade auch diese Werke wieder ausgezeichnete Anwälte gefunden: Zwei davon, Linus Roth und José Gallardo, halten nun beim Label Challenge Records ein glühendes Plädoyer für die 1851 entstandenen Sonaten op. 105 und 121.
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
So beginnt die zweite Sonate - und damit beginnt auch die CD. Wenn man diese Eröffnung hört, kann man leicht nachvollziehen, warum hier Schumann mit Schumann die Plätze tauschen musste. Von der Chronologie her wäre eigentlich ein anderer Satz einer anderen Sonate an der Reihe gewesen: der erste Satz der ersten Violinsonate natürlich. Vermutlich aber waren Linus Roth und José Gallardo bei der Kontrolle ihrer Aufnahme im Studio ähnlich begeistert von dem, was sie da hörten, wie wir es nun sein können: begeistert davon, wie trocken und doch energisch sich Schumann den Weg in seine zweite Sonate mit einem Dutzend schneidender Akkorde bahnt, die Geige eine lange, improvisierte Überleitung spinnen lässt, dann das Klavier wieder zu hämmern gebietet, während die Geige darüber zögerlich eine Kantilene zu entfalten beginnt. Dann rast sie auf einmal in die Tiefe und stellt endlich das scheinbar allererste Thema vor. Doch das ist uns längst bekannt: Seine Gestalt setzt sich zusammen aus den Trümmern der Einleitung.
Effektvoller kann Kammermusik in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht sein, effektvoller als Roth und Gallardo kann man sie kaum spielen.
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
Es steckt viel in diesem ersten Satz der "2. Großen Sonate für Violine und Pianoforte", wie Schumann sie genannt hat. Potenzial für die Zukunft zum Beispiel: Der Sturm, der bereits in der Exposition entfacht wird, ist so mächtig, dass er der folgenden Durchführung die Schau zu stehlen droht: Durchgeführt, verarbeitet, wird das Material ja bereits im Moment seines ersten Erscheinens. Ein junger Freund und Kollege von Schumann, Johann Brahms, wird daraus später die Konsequenzen ziehen und seine Musik freier von solchen formalen Einschnitten entwickeln.
Und doch ist schon Schumanns Sonate nichts weniger als ein Meisterwerk. Die Verschmelzung von weiter Linie und kleinteiliger Motivik ist grandios: besonders in der besagten Eröffnung, in der Schumann mit den vier Tönen D-A-F-D aus dem Familiennamen des Widmungsträger Ferdinand David ein klangliches Monogramm macht. Grandios auch, wie er dann den Charakter der Einleitungsakkorde, die immer genau auf den Schlag kommen, im weiteren Verlauf umkehrt: denn der Satz gewinnt seine Energie, gerade in der leidenschaftlich-rastlosen Interpretation von Roth und Gallardo, rhythmisch aus der Verschränkung von Schlag und Aufschlag, er lebt von überraschenden Synkopen, er lebt - in modernerem Vokabular - vom Drive des Off-Beats.
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
Schwer zu verstehen, zumal bei dieser so eindringlichen Aufnahme, warum Schumanns Violinsonaten so lange im Abseits standen. Von den großen Geigern des 20. Jahrhunderts wurden sie selten beachtet, im Studio wie im Konzert kaum gespielt. In jüngerer Zeit hat sich das, wie gesagt, ein wenig geändert: Erinnert sei nur an die fulminante Aufnahme von Caroline Widmann bei ECM im letzten Jahr. Warum also nicht schon früher? Hatten doch Clara Schumann und Johannes Brahms zumindest die nun auch von Roth und Gallardo eingespielten ersten beiden Sonaten über den grünen Klee gelobt - anders als die 1853 entstandene dritte Sonate und das Violinkonzert, die sie als Nachlassverwalter für zu schwach hielten, um sie überhaupt der Öffentlichkeit zu zeigen.
Schwer zu verstehen auch, warum ein so fabelhafter Geiger wie Linus Roth noch kein Star ist, mit seinen immerhin 32 Jahren. Die Aufnahme der ersten beiden Schumann-Sonaten mit seinem langjährigen Duo-Partner Gallardo ist erst seine zweite mit Kammermusik, ein Solokonzert hat er überhaupt noch nicht auf CD gebracht. Geht man allein von der überragenden Qualität seiner Schumann-Sonaten-Lektüre aus, kann man nur sagen, dass der Musikbetrieb in seinem doch so ausgeprägtem Hunger nach neuen jungen Talenten in den letzten Jahren gehörig geschlafen haben muss. Roths Spielkultur hat großes Format, technisch gibt er sich nirgendwo auch nur im Ansatz eine Blöße, musikalisch agiert er sensibel, schnell und überlegt, artikuliert so geistreich und auch nachdrücklich, dass man von Talent nicht mehr sprechen mag, schon gar nicht im Duo mit Gallardo. Ein derart differenziertes, klug abgestimmtes und vor allem spannungsreiches Team findet man selten.
" Schumann - Sonate 1, Ende 1. Satz "
Nur hin und wieder, wie in den tragenden Tönen des Eröffnungssatzes der ersten Sonate, verwischt ein schwammiges Vibrato die klaren Umrisse von Linus Roths Violinton, dann wirkt schematisch und undefiniert, was sonst individuell und triftig ist. Stärker betroffen sind von diesem Wunsch nach direktem Espressivo vor allem die vier Lieder Schumanns, mit denen Roth und Gallardo das Sonatenduo in eigenen Arrangements abschließen. Der junge Bratschist Nils Mönkemeyer hat mit solchen Liedern ohne Worte unlängst mit Erfolg eine ganze CD bestritten. Bei Roth und Gallardo bedauert man, dass sie sich nicht auch die dritte Sonate vorgenommen haben - und stattdessen Platz verschenken und die süßen Niederungen der Zugaben aufsuchen. Zwar machen die beiden auch da noch eine gute Figur, vor allem Gallardo, doch die explosive jugendliche Dynamik ihrer Sonateninterpretation ist mit einem Mal weg, es bleibt: elegisches Wohlgefallen und Vibrato ohne Ende.
" Schumann - In der Fremde "
Doch wäre es schade und ungerecht, diese Sendung so zu schließen, wie die CD schließt, mit schönen Nichtigkeiten. Springen wir also ein paar Tracks wieder zurück, zum zweiten Satz der 1. Sonate op. 105, den Linus Roth und José Gallardo in wunderbarer Launenhaftigkeit wie improvisiert klingen lassen - als spielten sie einfach für sich, ließen sich von einem Einfall zum nächsten treiben. Zwölf Jahre arbeiten die beiden Musiker schon als Duo zusammen - man meint, das hören zu können: Die Freiheit, mit der sie Schumann rezitieren, erwächst blindem Verständnis. Soll Linus Roth doch bald und endlich sein erstes großes Konzert aufnehmen - als Duo-Partner von Gallardo, als feiner Kammermusiker, wird er uns hoffentlich erhalten bleiben.
" Schumann - Sonate 2, 2. Satz "
Der zweite Satz der zweiten Sonate für Violine und Klavier op. 121 von Robert Schumann, mit dem Geiger Linus Roth und dem Pianisten José Gallardo. Die neue Platte ist erschienen beim Label Challenge Classics.
Diskografie:
Robert Schumann:
Violinsonaten op. 105 und op. 121
4 Liedarrangements
Linus Roth, Violine
José Gallardo, Klavier
Challenge Classics CC72341
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
So beginnt die zweite Sonate - und damit beginnt auch die CD. Wenn man diese Eröffnung hört, kann man leicht nachvollziehen, warum hier Schumann mit Schumann die Plätze tauschen musste. Von der Chronologie her wäre eigentlich ein anderer Satz einer anderen Sonate an der Reihe gewesen: der erste Satz der ersten Violinsonate natürlich. Vermutlich aber waren Linus Roth und José Gallardo bei der Kontrolle ihrer Aufnahme im Studio ähnlich begeistert von dem, was sie da hörten, wie wir es nun sein können: begeistert davon, wie trocken und doch energisch sich Schumann den Weg in seine zweite Sonate mit einem Dutzend schneidender Akkorde bahnt, die Geige eine lange, improvisierte Überleitung spinnen lässt, dann das Klavier wieder zu hämmern gebietet, während die Geige darüber zögerlich eine Kantilene zu entfalten beginnt. Dann rast sie auf einmal in die Tiefe und stellt endlich das scheinbar allererste Thema vor. Doch das ist uns längst bekannt: Seine Gestalt setzt sich zusammen aus den Trümmern der Einleitung.
Effektvoller kann Kammermusik in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht sein, effektvoller als Roth und Gallardo kann man sie kaum spielen.
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
Es steckt viel in diesem ersten Satz der "2. Großen Sonate für Violine und Pianoforte", wie Schumann sie genannt hat. Potenzial für die Zukunft zum Beispiel: Der Sturm, der bereits in der Exposition entfacht wird, ist so mächtig, dass er der folgenden Durchführung die Schau zu stehlen droht: Durchgeführt, verarbeitet, wird das Material ja bereits im Moment seines ersten Erscheinens. Ein junger Freund und Kollege von Schumann, Johann Brahms, wird daraus später die Konsequenzen ziehen und seine Musik freier von solchen formalen Einschnitten entwickeln.
Und doch ist schon Schumanns Sonate nichts weniger als ein Meisterwerk. Die Verschmelzung von weiter Linie und kleinteiliger Motivik ist grandios: besonders in der besagten Eröffnung, in der Schumann mit den vier Tönen D-A-F-D aus dem Familiennamen des Widmungsträger Ferdinand David ein klangliches Monogramm macht. Grandios auch, wie er dann den Charakter der Einleitungsakkorde, die immer genau auf den Schlag kommen, im weiteren Verlauf umkehrt: denn der Satz gewinnt seine Energie, gerade in der leidenschaftlich-rastlosen Interpretation von Roth und Gallardo, rhythmisch aus der Verschränkung von Schlag und Aufschlag, er lebt von überraschenden Synkopen, er lebt - in modernerem Vokabular - vom Drive des Off-Beats.
" Schumann - Sonate 2, 1. Satz "
Schwer zu verstehen, zumal bei dieser so eindringlichen Aufnahme, warum Schumanns Violinsonaten so lange im Abseits standen. Von den großen Geigern des 20. Jahrhunderts wurden sie selten beachtet, im Studio wie im Konzert kaum gespielt. In jüngerer Zeit hat sich das, wie gesagt, ein wenig geändert: Erinnert sei nur an die fulminante Aufnahme von Caroline Widmann bei ECM im letzten Jahr. Warum also nicht schon früher? Hatten doch Clara Schumann und Johannes Brahms zumindest die nun auch von Roth und Gallardo eingespielten ersten beiden Sonaten über den grünen Klee gelobt - anders als die 1853 entstandene dritte Sonate und das Violinkonzert, die sie als Nachlassverwalter für zu schwach hielten, um sie überhaupt der Öffentlichkeit zu zeigen.
Schwer zu verstehen auch, warum ein so fabelhafter Geiger wie Linus Roth noch kein Star ist, mit seinen immerhin 32 Jahren. Die Aufnahme der ersten beiden Schumann-Sonaten mit seinem langjährigen Duo-Partner Gallardo ist erst seine zweite mit Kammermusik, ein Solokonzert hat er überhaupt noch nicht auf CD gebracht. Geht man allein von der überragenden Qualität seiner Schumann-Sonaten-Lektüre aus, kann man nur sagen, dass der Musikbetrieb in seinem doch so ausgeprägtem Hunger nach neuen jungen Talenten in den letzten Jahren gehörig geschlafen haben muss. Roths Spielkultur hat großes Format, technisch gibt er sich nirgendwo auch nur im Ansatz eine Blöße, musikalisch agiert er sensibel, schnell und überlegt, artikuliert so geistreich und auch nachdrücklich, dass man von Talent nicht mehr sprechen mag, schon gar nicht im Duo mit Gallardo. Ein derart differenziertes, klug abgestimmtes und vor allem spannungsreiches Team findet man selten.
" Schumann - Sonate 1, Ende 1. Satz "
Nur hin und wieder, wie in den tragenden Tönen des Eröffnungssatzes der ersten Sonate, verwischt ein schwammiges Vibrato die klaren Umrisse von Linus Roths Violinton, dann wirkt schematisch und undefiniert, was sonst individuell und triftig ist. Stärker betroffen sind von diesem Wunsch nach direktem Espressivo vor allem die vier Lieder Schumanns, mit denen Roth und Gallardo das Sonatenduo in eigenen Arrangements abschließen. Der junge Bratschist Nils Mönkemeyer hat mit solchen Liedern ohne Worte unlängst mit Erfolg eine ganze CD bestritten. Bei Roth und Gallardo bedauert man, dass sie sich nicht auch die dritte Sonate vorgenommen haben - und stattdessen Platz verschenken und die süßen Niederungen der Zugaben aufsuchen. Zwar machen die beiden auch da noch eine gute Figur, vor allem Gallardo, doch die explosive jugendliche Dynamik ihrer Sonateninterpretation ist mit einem Mal weg, es bleibt: elegisches Wohlgefallen und Vibrato ohne Ende.
" Schumann - In der Fremde "
Doch wäre es schade und ungerecht, diese Sendung so zu schließen, wie die CD schließt, mit schönen Nichtigkeiten. Springen wir also ein paar Tracks wieder zurück, zum zweiten Satz der 1. Sonate op. 105, den Linus Roth und José Gallardo in wunderbarer Launenhaftigkeit wie improvisiert klingen lassen - als spielten sie einfach für sich, ließen sich von einem Einfall zum nächsten treiben. Zwölf Jahre arbeiten die beiden Musiker schon als Duo zusammen - man meint, das hören zu können: Die Freiheit, mit der sie Schumann rezitieren, erwächst blindem Verständnis. Soll Linus Roth doch bald und endlich sein erstes großes Konzert aufnehmen - als Duo-Partner von Gallardo, als feiner Kammermusiker, wird er uns hoffentlich erhalten bleiben.
" Schumann - Sonate 2, 2. Satz "
Der zweite Satz der zweiten Sonate für Violine und Klavier op. 121 von Robert Schumann, mit dem Geiger Linus Roth und dem Pianisten José Gallardo. Die neue Platte ist erschienen beim Label Challenge Classics.
Diskografie:
Robert Schumann:
Violinsonaten op. 105 und op. 121
4 Liedarrangements
Linus Roth, Violine
José Gallardo, Klavier
Challenge Classics CC72341